Eine endlose Kolonne aus Stahl, Diesel, Schweiß und Wut. Was aussieht wie ein protziges Macho-Spektakel mit Country-Soundtrack und CB-Funk, ist in Wahrheit eine melancholische Geisterfahrt durch das Herz der untergehenden USA. Sam Peckinpah, der poetischste aller Actionregisseure, hat einen Country-Song verfilmt – und eine elegische Studie über Freiheit, Männlichkeit und das Ende der letzten Cowboy-Mythen geschaffen.
Kris Kristofferson ist „Rubber Duck“, ein wortkarger Trucker mit Sonnenbrille, der nie eine Anführerrolle wollte, aber plötzlich einer wurde. Ein Aufstand gegen Polizei und Autoritäten, während Dutzende Trucks ihm folgen – ohne Plan, ohne Ziel, nur getrieben von einer diffusen Wut auf das Establishment. Mit Verlaub, für mich war dieser Kerl zu seiner Zeit, ein ultimatives Idol. Und das hat sich auch 50 Jahre später nicht geändert.
„Breaker 1-9 to the Rubber Duck. – Breaker 1-9 to the Rubber Duck.“
Filmzitat
Auf dem Beifahrersitz: Ali MacGraw – damals für mich eine der schönsten Frauen des Planeten. Eine Frau, die immer viel mehr wollte und konnte als die dekorative Rolle, die Hollywood ihr zugestand. Sie spielt mit trockenem Humor, mit Ironie, mit einem Hauch Müdigkeit. Als wollte sie den Männern sagen: „Hände weg! Ich fahre mit euch, aber ich gehöre euch nicht.“ Ihre Figur bleibt eigentlich unscharf, fast beiläufig, doch ihre Präsenz reißt den Film für jeden ihrer Momente aus seinem Macho-Wahn.
Trucks, Motoren: Als würden sie nicht mit Diesel, sondern mit purem Testosteron angetrieben. Keine gute Nachricht für die Energiewende, aber ein suggestives Bild. Vielleicht brauchen wir für die Rettung des Planeten nicht nur Strom, sondern auch einen Mythos. Einen viel besseren Mythos, als den vom einsamen Mann (oder Frau) am Steuer gibt’s eigentlich kaum. Ein Mythos, der alle mitnimmt – eben auch die, die wir nicht sehen, die aber das System eigentlich und überhaupt am Laufen halten.
Mein unendlicher Respekt gilt allen Trucker:innen. Nicht erst seit diesem Film, aber der hat mir eben schon als Kind den Blick für das System geschärft. Noch heute mache ich Platz, wenn sie auf der Autobahn vor mir ausscheren. Nicht aus Angst oder Höflichkeit. Sondern aus Solidarität. Und weil ich weiß, wie verdammt hart es ist, sein Geld auf der Straße zu verdienen. Immer unterwegs, selten gesehen, meistens verachtet. Tatsächlich ginge doch, egal wo auf der Welt, ohne sie wirklich nichts mehr. „Alle Räder stehen still…“ (Goethe-Institut).
Peckinpah hat „Convoy“ (1978) wie einen Western inszeniert – nur dass die Pferde jetzt Peterbilts sind, der Saloon eine Raststätte, und der Marshall ein sadistischer Highway-Cop, gespielt von Ernest Borgnine. Der Film ist gewalttätig, aber sein Herz schlägt woanders: in den Blicken, im Staub, im CB-Funk und in der Musik, die von „einem besseren Ort“ träumt.
„Convoy“ entzieht sich dem Urteil der Zeit – viel zu trashig für den Kanon „der großen Filme“, zu aufrührerisch für das Mainstream-Kino. Und gerade deshalb wurde er zum Kult. Die Anti-Establishment-Botschaft – Trucks gegen Cops, Proletarier:innen gegen das Kapital, Straße gegen System – fühlt sich noch an, wie New-Hollywood, wirkt aber zugleich wie ein Vorbote des konservativen Backlash. Peckinpah, selbst zerrieben zwischen Studios und Selbstzerstörung, erzählt von einer Rebellion ohne Ideologie, von einem Aufstand ohne Hoffnung. Ein Film, der so tut, als wäre er laut und plump, dabei aber eigentlich müde, zärtlich und fast resigniert ist. Genau das macht ihn für mich unvergesslich.
Er wurde missverstanden, verhöhnt, zurechtgeschnitten. Er taumelt förmlich zwischen B-Film-Genre, Antihelden-Kult und politischer Allegorie. Und dabei berührt er mich gerade in seinem Scheitern. Wenn der Konvoi sich durch die Wüste schiebt, weiß keine:r von denen am Steuer, wohin die Fahrt überhaupt geht. Aber alle wissen: Es gibt kein Zurück.
Als Kris Kristofferson letztes Jahr gestorben ist, ging für mich auch ein ganz persönliches Idol, eine Vaterfigur. Als Musiker war er ein Jahrhundert-Genie. Ich hatte das unglaubliche Privileg, ihn fünfmal live auf einer Bühne sehen zu dürfen. Mit den „Highwaymen“: Cash, Nelson und Jennings, oder solo, ganz allein, nur mit seiner Gitarre. Ganz zuletzt mit einer nur dreiköpfigen Begleitband 2018 in meinem Lieblingskino (WAZ), der Lichtburg in Essen. Wie passend. Ein besonderer Abend, den ich niemals vergessen werde. Ganz wie jeden seiner Filme.
Er war ein großer Mann. Auch, weil er immer wiedererkennbar war. Selbst in den – gar nicht wenigen – schlechten seiner vielen Filme war er immer einer, der vor allem eins ausgestrahlt hat: Integrität.
„Purpose of a convoy is to keep movin‘.“
– Filmzitat
Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am 19.07.2025.
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Der Film reflektiert den Zeitgeist der späten 1970er-Jahre und zeigt Gewalt gegen marginalisierte Gruppen, rassistische Polizeigewalt, sexualisierte Sprache, Verkehrsunfälle und Tod. Der Film enthält stereotype Darstellungen Schwarzer und lateinamerikanischer Menschen sowie frauenfeindliche Dialoge. Diese Inhalte werden im Film nicht kritisch eingeordnet. Frauenrollen bleiben entweder ornamental oder bestenfalls Zuschauerinnen einer Revolte, die sie nicht mitgestalten dürfen.
Actiondrama, USA, 1978, FSK: ab 16, Regie: Sam Peckinpah, Drehbuch: B. W. L. Norton, Produktion: Robert M. Sherman, Musik: Chip Davis, Kamera: Harry Stradling Jr., Schnitt: Graeme Clifford, Garth Craven, John Wright, Mit: Kris Kristofferson, Ali MacGraw, Ernest Borgnine, Burt Young, Franklyn Ajaye, Madge Sinclair, Fediverse: @filmeundserien
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