„Vor 28 Jahren ist ein Raumschiff mit Außerirdischen über Johannesburg gestrandet. Seitdem werden die Aliens in einem slumartigen Flüchtlingslager isoliert – dem District 9.“ – Ein südafrikanischer Science-Fiction-Film, der es in sich hat, uns mal wieder wirklich nachdenklich werden zu lassen.
Wirklich gute Science-Fiction hat sich in ihrer Geschichte und vor allem auch der des Films oft als Plattform verstanden – für philosophische, politische und mehr oder weniger metaphorische Kommentare über Vergangenheit, Gegenwart, Gesellschaft und die Gefahren einer projizierten Zukunft.
Wenn ein junger weißer Südafrikaner seinen ersten Spielfilm dreht, dabei auf Science-Fiction setzt und Peter Jackson als Produzenten gewinnt, ist das schon bemerkenswert. Wenn dieser Film dann auch noch mit viel Splatter daherkommt – und ganz ohne Umwege eine klare Projektion der Apartheid-Vergangenheit und der aktuellen sozialen und ökonomischen Probleme Südafrikas zeigt –, dann haben wir es mit politischer Science-Fiction pur zu tun. Und was für einer!
Neill Blomkamps Science-Fiction-Debüt wirkt wie ein wütendes Märchen auf Speed, eine bitterböse Satire über Apartheid, Migration, Kolonialismus und Entmenschlichung. Die dokumentarische Ästhetik – wackelige Kameras, Interviews, Nachrichtenbeiträge – täuscht Authentizität vor, wo längst die Barbarei regiert.
Ich kann aber nicht umhin und den Film auch heute – immerhin 15 Jahre später – nicht ansehen, ohne beim Zusehen, und das ziemlich wenig subtil, ganz allgemein an die ganz banale und fortwährende Realität der menschlichen Spezies erinnert zu werden. Unsere fortlaufende rassistische Differenzierung und die Trennung von „erwünschten“ und „unerwünschten“ Menschen…
Ey, habt ihr die Tage mal in die Nachrichten gesehen? Die brutale und unangenehme Wahrheit in diesem Film ist keine Geschichte „von gestern“ – von der wir uns schon aus historischen Gründen nicht persönlich betroffen fühlen müssen – wir sind ja nicht in Südafrika. Die Wahrheit ist, dass die Menschheit ja tatsächlich überall nicht wirklich besser ist, als das, was wir sehen.
Lampedusa, Moria, Gaza, die Lager in Pakistan, Jordanien, Sudan und gleich bei uns vor der Haustür, draußen im Gewerbegebiet… Merken Sie was? Das ist überhaupt nicht ausgedacht! (FAZ)
Verstehen Sie mich nicht falsch! Der Film ist ein großartiger Action-Film. Er ist intelligent, ironisch, spannend, roh, brutal und blutig. Und eigentlich ist er ebenso harter und brutaler, purer politischer Sprengstoff, in dem er Xenophobie, Rassismus und Speziesismus unverblümt beschreibt. In Nigeria war er sogar selbst Rassismusvorwürfen ausgesetzt und durfte deshalb von nigerianischen Kinos nicht gezeigt werden.
Ganz gleich, wie sie das auflösen wollen, in jedem Fall ist „District 9“ tatsächlich mehr als nur ein paar Kontinente weit entfernt, von dem, was Hollywood in den letzten Dekaden zumeist im Sci-Fi-Genre anzubieten hatte.
Obwohl der Film beim ZDF ein regelmäßiger Wiederholungsfall ist, muss er natürlich wieder in den Blog. Denn mich würde interessieren, was sie davon halten. Im größeren Kreis meiner Bekanntschaft ist dieser Film selbst nach 15 Jahren noch immer weitgehend unbekannt.
Dieser Beitrag erschien zuerst am 18.11.2023.
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Der Film ist ganz sicher nicht für alle! Der „Splatter“-Anteil hier ist sehr hoch und nur weil hier auf „Aliens“ geschossen wird, deshalb nicht weniger problematisch für sensible Zuschauer:innen. Der Film zeigt explizite Gewalt, Körperhorror, rassifizierte Sprache und staatliche Willkür gegenüber Geflüchteten. Auch die Darstellung von medizinischen Experimenten, Marginalisierung und systemischer Diskriminierung kann sehr belastend wirken.
SciFi, Südafrika, 2009, FSK: ab 16, Regie: Neill Blomkamp, Drehbuch: Neill Blomkamp, Terri Tatchell, Produktion: Peter Jackson, Carolynne Cunningham, Musik: Clinton Shorter, Kamera: Trent Opaloch, Mit: Sharlto Copley, Jason Cope, David James, Fediverse: @filmeundserien, @ZDF
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