Am 11. September 2001 stieg ich gegen 14:40 in Düsseldorf in einen Airbus der SAS oder der Air-Berlin – an dieses Detail kann ich mich heute nicht mehr erinnern. Nur ca. eine Stunde später hat die Maschine in Kopenhagen-Kastrup aufgesetzt. Bis zum Öffnen der Kabinentür war es nur ein weiterer meiner damals wöchentlichen Flüge ins Büro… Danach war unsere Welt nicht mehr dieselbe.
Ein Thriller über eine Geiselnahme an Bord eines Flugzeugs? Bei so einem Thema fällt es mir einfach schwer, da keinen Zusammenhang herzustellen. Und weil er im TV recht regelmäßig wiederholt wird, lohnt es sich auch ihn zu besprechen.
Das Drehbuch, von Senad Halilbasic und Patrick Vollrath, der in seinem Langfilmdebüt auch Regie geführt hat, mag, wie das Casting, recht schlank gewesen sein. Nur sieben Rollen galt es für ihren Film zu besetzen. Darunter, neben dem Amerikaner Joseph Gordon-Levit, auch eine meiner Lieblingsschauspielerinnen, Aylin Tezel, über deren Rolle ich hier kein weiteres Wort verlieren darf, weil das hieße, den Film zu spoilern.
Formell, ein gelungener Triller, der sich zu 95% der Filmlaufzeit tatsächlich auf einen einzigen – klaustrophobischen – Ort, das enge Cockpit des Airbus 319 bei Nacht, beschränkt. Der Rest sind Aufnahmen von Überwachungskameras des (inzwischen abgewickelten) Flughafens in Tegel. Bemerkenswert vielleicht, dass keine dieser Kameras das folgende Drama verhindert. Ebenso wenig die nach 9/11 eingeführten Sicherheitsmaßnahmen an Bord. Über all diese Maßnahmen noch einmal nachzudenken? Wer tut das eigentlich? Für mich, als ehemaliger Vielflieger, ist all das ziemlich nahe an meiner gefühlten Realität.
Ein Kammerspiel, im wahrsten Sinne des Wortes. Voraussetzung für ein hochverdichtetes Drama und psychologisches Spiel der Protagonist:innen. Tatsächlich fantastisch, was Regie und vor allem Kamera(s) aus dieser, vielleicht nicht mehr als fünf Quadratmeter großen Kammer herauszuholen in der Lage waren.
Der Film lohnt sich wirklich schon alleine dafür.
Doch wenn sie neben einer, ohne Frage spannenden, Handlung, und den technisch herausragenden Qualitäten dieses Films auch eine weiter- und tiefergehende Motivation für die „Action“ erwarten, dann seien sie gewarnt: Hier sind die „Islamistischen Extremisten“ doch wieder nur die generischen „Bösen“ – ganz wie die Filmnazis, Filmrussen oder Filmchinesen in all den Generationen zuvor. Selbst wenn einem von ihnen (wie auch dem 1. Offizier) eine kleine Backstory aus Berlin-Kreuzberg – und ein Anruf von Mama – zugestanden wurde, findet das Ganze vor einem psychologisch nur leidlich unterkomplex ausgeführtem Hintergrund statt.
Am Ende haben alle verloren.
Doch spannend ist das schon!
Dieser Beitrag erschien zuerst am 20.01.2024.
Verwandte Beiträge >>
Inhaltswarnung >>
Der Film enthält intensive Darstellungen von Flugzeugentführungen, terroristischer Gewalt, Todesangst und physischer Bedrohung in beengten Räumen. Die klaustrophobische Inszenierung und die psychisch wie physisch extremen Ausnahmesituationen können belastend wirken. Zudem thematisiert der Film religiös aufgeladene Radikalisierung, kulturelle Vorurteile und moralische Grenzerfahrungen. Nicht geeignet für Zuschauer:innen mit Angst vor Flugreisen oder Enge.
Thriller, Deutschland, Österreich, 2019, FSK: ab 12, Regie: Patrick Vollrath, Drehbuch: Patrick Vollrath, Senad Halilbašić, Produktion: Jonas Katzenstein, Maximilian Leo, Musik: Martin Rascher, Kamera: Sebastian Thaler, Schnitt: Hansjörg Weißbrich, Mit: Joseph Gordon-Levitt, Omid Memar, Aylin Tezel, Murathan Muslu, Aurélie Thépaut, Carlo Kitzlinger, Paul Wollin, Passar Hariky, Max Schimmelpfennig, Denis Schmidt, Simon Schwarz, Cornel Nussbaum
Schreiben Sie einen Kommentar