In den Schuhen des Fischers – SPD mit beschränkter Hoffnung

Ein Mensch muss nicht katholisch sein, um zu verstehen, dass jeder Papst auch automatisch eine Person der Weltgeschichte ist. Und wenn so einer stirbt, dann ist das immer auch eine Zäsur, zu der Bilanz eines Lebenswerks gezogen wird. Unausweichlich ist es, dass sich dabei auch Enttäuschungen materialisieren. Über den Mann, wie seine Kirche. Ganz wie bei der SPD.

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Filmtrailer 1968, Englisch / alexwjefferson / YouTube

Ich war 21 Jahre meines Lebens katholisch. Das geht nicht mehr weg. Ich habe selbst zwei Päpste gesehen. Fünf davon gab es in meiner Lebenszeit. Auch die Erinnerung daran bleibt. Waren es doch immer auch entscheidende Epochen der Geschichte. Doch „Hoffnung“ oder „Enttäuschung“ habe ich mit keinem dieser höchsten Repräsentanten der katholischen Kirche verbunden. Dafür waren sie alle nicht mächtig genug.

Es ist ein wenig naiv zu „glauben“, ein Mann alleine könnte diese über zweitausend Jahre alte Organisation „reformieren“. Das kann ein einzelner Mann (oder eine Frau) schon mit ungleich jüngeren Strukturen kaum erreichen. Insoweit sind auch Vorsitzende der SPD nur Funktionär:innen mit beschränkter Hoffnung – und die Partei ist nur knapp 160 Jahre alt. Religion ist da eindeutig das härtere Business. Doch immerhin hat die SPD eine Frau an der Doppelspitze, was in Rom, auf unsere Lebenszeit gesehen, wohl völlig auszuschließen ist.

Denn das sind Prozesse, die nicht in Generationen abzuschließen sind. Diese Veränderungen brauchen einfach länger. Und Katholik:innen sowie Sozialdemokrat:innen sind es gewohnt, in besonders langen Zeiträumen zu denken. Für beide ist Erlösung das Endziel und Revolution dafür keine akzeptable Option. Das Ziel erreichen sie nur durch Demut. Enttäuschungen gehören da implizit zu einer jedweden Biografie.

Der Sozialdemokrat, der mich als Kind zu beeindrucken wusste, hieß Willy Brandt. Um so schwerwiegender war, wie er mich später enttäuschen sollte. Doch alle seine Nachfolger:innen standen ihm um Längen nach. Keine:r hat ihn mehr erreicht, in der Bedeutung für die Partei und das Land.

Bei den Päpsten war es ganz ähnlich. Ich glaube wirklich, dass keiner von ihnen ein wirklich schlechter Kerl gewesen ist. Der Deutsche war wohl einfach ein tragischer historischer Irrtum. Am liebsten war mir noch Albino Luciani, der Björn Engholm der katholischen Kirche. Enttäuschend zu kurz im Amt, um wirklich zu scheitern. Aber beide waren eben auch keine Revolutionäre.

Von Jorge Mario Bergoglio haben wir uns viel versprochen, katholisch oder nicht. Sicher war er in der langen Reihe seiner Vorgänger einer, der zu vielen, größeren Hoffnungen Anlass gegeben hat. Bemerkenswert war er ganz sicher. Und ein fehlbarer Mensch. Klar, dass er uns enttäuschen musste. Ich habe ihn gemocht. Möge er in Frieden ruhen. Die Kirche bewegt sich eben langsamer als die Summe ihrer Gläubigen.

Auch das verbindet sie mit der SPD. Vermutlich ist der neue Papst im Amt, bevor der neue Kanzler durch die Mitgliederbefragung in der großen, anderen, älteren Partei bestätigt oder abgelehnt wurde. Ich würde in beiden Fällen ernsthaft und sehr davon abraten, zu große Hoffnungen auf einen der zu wählenden Männer oder die nähere Zukunft zu setzen.

Doch irgendeine Hoffnung braucht ein Mensch zum Leben. Und auch ich bleibe ein naiver Träumer und kann meiner katholischen Erziehung nicht entkommen.

Die Prägungen der Kindheit wiegen schwer, denn seither verehrte ich nicht nur Willy Brandt, sondern auch seine Heiligkeit Kiril I., den Mann aus Lviv in der Ukraine. Das war der Papst meines Lebens. Der hat mich nie enttäuscht. Und vielleicht wäre so einer genau der, den die Welt heute braucht?

Möge die Weisheit der Entscheidung jeweils mit denen sein, die sie zu treffen haben.


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Ein Mensch muss nicht katholisch sein, um zu verstehen, dass jeder Papst auch automatisch eine Person der Weltgeschichte ist. Und wenn so einer stirbt, dann ist das immer auch eine Zäsur, zu der Bilanz eines Lebenswerks gezogen wird. Unausweichlich ist es, dass sich dabei auch Enttäuschungen materialisieren. Über den Mann, wie seine Kirche. Ganz wie bei der SPD.

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Ich war 21 Jahre meines Lebens katholisch. Das geht nicht mehr weg. Ich habe selbst zwei Päpste gesehen. Fünf davon gab es in meiner Lebenszeit. Auch die Erinnerung daran bleibt. Waren es doch immer auch entscheidende Epochen der Geschichte. Doch „Hoffnung“ oder „Enttäuschung“ habe ich mit keinem dieser höchsten Repräsentanten der katholischen Kirche verbunden. Dafür waren sie alle nicht mächtig genug.

Es ist ein wenig naiv zu „glauben“, ein Mann alleine könnte diese über zweitausend Jahre alte Organisation „reformieren“. Das kann ein einzelner Mann (oder eine Frau) schon mit ungleich jüngeren Strukturen kaum erreichen. Insoweit sind auch Vorsitzende der SPD nur Funktionär:innen mit beschränkter Hoffnung – und die Partei ist nur knapp 160 Jahre alt. Religion ist da eindeutig das härtere Business. Doch immerhin hat die SPD eine Frau an der Doppelspitze, was in Rom, auf unsere Lebenszeit gesehen, wohl völlig auszuschließen ist.

Denn das sind Prozesse, die nicht in Generationen abzuschließen sind. Diese Veränderungen brauchen einfach länger. Und Katholik:innen sowie Sozialdemokrat:innen sind es gewohnt, in besonders langen Zeiträumen zu denken. Für beide ist Erlösung das Endziel und Revolution dafür keine akzeptable Option. Das Ziel erreichen sie nur durch Demut. Enttäuschungen gehören da implizit zu einer jedweden Biografie.

Der Sozialdemokrat, der mich als Kind zu beeindrucken wusste, hieß Willy Brandt. Um so schwerwiegender war, wie er mich später enttäuschen sollte. Doch alle seine Nachfolger:innen standen ihm um Längen nach. Keine:r hat ihn mehr erreicht, in der Bedeutung für die Partei und das Land.

Bei den Päpsten war es ganz ähnlich. Ich glaube wirklich, dass keiner von ihnen ein wirklich schlechter Kerl gewesen ist. Der Deutsche war wohl einfach ein tragischer historischer Irrtum. Am liebsten war mir noch Albino Luciani, der Björn Engholm der katholischen Kirche. Enttäuschend zu kurz im Amt, um wirklich zu scheitern. Aber beide waren eben auch keine Revolutionäre.

Von Jorge Mario Bergoglio haben wir uns viel versprochen, katholisch oder nicht. Sicher war er in der langen Reihe seiner Vorgänger einer, der zu vielen, größeren Hoffnungen Anlass gegeben hat. Bemerkenswert war er ganz sicher. Und ein fehlbarer Mensch. Klar, dass er uns enttäuschen musste. Ich habe ihn gemocht. Möge er in Frieden ruhen. Die Kirche bewegt sich eben langsamer als die Summe ihrer Gläubigen.

Auch das verbindet sie mit der SPD. Vermutlich ist der neue Papst im Amt, bevor der neue Kanzler durch die Mitgliederbefragung in der großen, anderen, älteren Partei bestätigt oder abgelehnt wurde. Ich würde in beiden Fällen ernsthaft und sehr davon abraten, zu große Hoffnungen auf einen der zu wählenden Männer oder die nähere Zukunft zu setzen.

Doch irgendeine Hoffnung braucht ein Mensch zum Leben. Und auch ich bleibe ein naiver Träumer und kann meiner katholischen Erziehung nicht entkommen.

Die Prägungen der Kindheit wiegen schwer, denn seither verehrte ich nicht nur Willy Brandt, sondern auch seine Heiligkeit Kiril I., den Mann aus Lviv in der Ukraine. Das war der Papst meines Lebens. Der hat mich nie enttäuscht. Und vielleicht wäre so einer genau der, den die Welt heute braucht?

Möge die Weisheit der Entscheidung jeweils mit denen sein, die sie zu treffen haben.


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