Gutes Fernsehen ist nicht tot. Aber das Fernsehen der Zukunft wird nicht das sein, was wir uns heute darunter vorstellen (können).
Ich schaue eigentlich kaum noch lineares Programm. Eigentlich nur noch, wenn es „live“ ist – und dann eben auf Kanälen, die „Ereignisse“ tatsächlich als solche übertragen… ganz oft – wenn es sich nicht gerade um Sport handelt, ist das eben phoenix.
Diese etwas „verstaubte“ Bude in Bonn leistet mit ganz wenig Personal durchaus erstaunliches: Sie fesselt mich über Stunden vor dem Bildschirm. Ganz gleich, ob es ein SPD-Parteitag ist, wie noch vor einigen Tagen, oder die tagelange Begleitung der G20 in Hamburg… Verglichen mit all den Talking Heads auf anderen Kanälen haben die Bonner zumeist die Erträglicheren – beileibe nicht immer – aber eben öfter…
Die Tatsache, dass ich eben diesen „Ereigniskanal“ oft auf dem PC oder dem Tablet schaue, ändert ja nichts daran, dass hier „TV“ seine absolute Berechtigung hat und ihr auch nachhaltig gerecht wird. Das kann nur „Fernsehen“! Wobei wir in Zukunft im Netz sehr, sehr(!) viel mehr professionelles Livestreaming sehen werden. Beim Sport funktioniert das Geschäftsmodell offensichtlich schon. Da muss man nicht nur auf den Newcomer DAZN schauen, sondern auch auf Ableger der Fersehkonzerne wie ESPN (Disney), Eurosport und andere globale kommerzielle Player…
Deutsche Fiktion hat prekäre Zukunft
Das heisst: Die Differenzierung im Wettbewerb wird – noch viel mehr als bisher – nicht nur von der Verfügbarkeit sondern auch dort von der gebotenen „Qualität“ „exklusiver Inhalte“ und den dafür einzusetzenden (finanziellen) Mitteln abhängen.
Was aber das „fiktionale“ Programm angeht, ist TV im allgemeinen und in Deutschland im besonderen zu einer prekären Zukunft verdammt.
Die von Martin lobend erwähnten und kritisch benannten Beispiele sind ein Ding der Vergangenheit. Die wird es nicht wieder geben. Warum auch? Um sein Publikum „qualitativ“ erziehen zu können, ist die Konkurrenz mit buntem und schnellen intellektuellen Junkfood zu mächtig… Und wenn nicht das einzelne Programm sondern nur die heterogene schiere Menge an verfügbaren Kanälen die Zielgruppe bündeln kann, dann „lohnt“ die „Erziehung“ sich auch nicht mehr.
Die künstlerische Freiheit einer Produktion jenseits von Redaktionsstäben und Quotenvorgaben zu gewährleisten, kann öffentlich-rechtlich nicht (mehr) – und privates TV ist gar nur an einem optimalen (billigem) Werbeumfeld interessiert – da wird so lange recycled, wie die Lizenzen es hergeben und sogar gelungene internationale Produktionen in der Synchronisation hingerichtet (Lilyhammer) im Nachtprogramm versendet. Das hat er ganz richtig beschrieben.
Fliegen werden keine Feinschmecker
Da sind Streamingdienste scheinbar tatsächlich ein Geschenk für die Filmschaffenden?
Auch beim Streaming gilt: Wenn die Abrufzahlen nicht stimmen, dann wird ein Produkt eben wieder vom Markt genommen – und eben nicht fortgeführt – wie z. B. die von Martin vor ein paar Tagen so gelobte Nick Nolte Serie „Graves„. Fliegen werden ja nicht deshalb zum Feinschmecker, nur weil die Scheiße auf anderen Übertragungswegen ins Haus kommt.
Was das Netz aber eben auch kann, ist Nischen zu nutzen, die gerade groß genug sind, um darin existieren zu können. Ob die wirtschaftliche Grundlagen aus öffentlich rechtlichen Mitteln (Böhmermann, FUNK…) oder kleine aber feine ARThouse Streaming Dienste wie Realeyz oder Mubi, die sich über Abo-Gebühren finanzieren. Davon wird es auch in Zukunft nicht viele geben, aber es wird sie geben.
Mehr Freheit, Risiko und kommerzieller Zwang
Für die Film & Streamingschaffenden wird es vermutlich mehr (künstlerische) Freiheiten geben, unter allerdings hohem Risiko und noch größeren kommerziellen Zwängen, als je zuvor. Die Frage ist also: Welche „Freiheit“ wird dann noch übrig sein? Und welches Fernsehen?
Gutes TV ist ein gutes Thema, eigentlich…!
PS.: Mein unangefochtener Tip aus der letzten Streaming-Saison ist eine Serie, die so wie sie ist, eigentlich Sonntags auf dem Barnaby-Sendeplatz im ZDF laufen sollte: BERLIN STATION! (in Deutschland auf Netflix)
Eine US-Produktion, bisher zwei Seasons – die dritte wurde gerade in Auftrag gegeben – zu 100% produziert in Babelsberg und an Originalschauplätzen in Berlin – die nicht, wie etwa in „The Wire„, in Ansichtskartenmanier beliebig aneinandergefügt wurden, sondern den Geheimdienst-Geschichten und der Stadt in gleicher Weise gerecht werden. ERSTKLASSIGER Cast, Und – ich traue mich kaum, es zu schreiben – wirklichen Geschichten – allemal weit über durchschnittlichem Tatort-Niveau! Dass die CIA dabei nicht immer gut wegkommt und auch das BfV nicht als Heimat demokratischer Tugend – geschenkt! 😉
Da gehts um Whistleblower (Assange, Snowden), Islamisten, militante Rechtsradikale (NSU), eine „PfD“, die als rechte „Alternative“ in den Bundestag einzieht, jede Menge Bezug zur politischen Großwetterlage.
Die Amerikaner reden Englisch und die Deutschen reden Deutsch… untertitelt. So wie sich das gehört! Schon allein deshalb, wird das vermutlich auch nix in Deutschland.