ZAPP: #MeToo oder Intrige? Stefan Gelbhaar, die Grünen und der RBB

Festhalten können wir, dass die Vorgänge um Stefan Gelbhaar im Bundestagswahlkampf der Grünen sicherlich ein erhebliches Störgeräusch verursacht haben. Wie sehr es der Partei dabei geschadet hat, werden wir nicht mehr (er-)messen können. Ganz sicher geschadet hat die Art und Weise der Berichterstattung darüber dem RBB, der ARD und der Reputation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland.

Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar äußert sich in einer Dokumentation der NDR Medienredaktion ZAPP zum ersten Mal ausführlich vor der Kamera zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen sexueller Belästigung. Der Fall hatte bundesweit Schlagzeilen gemacht – auch wegen gravierender journalistischer Fehler beim RBB. Eine angebliche Hauptzeugin, auf deren Aussagen sich die Berichterstattung stützte, existierte offenbar gar nicht. Stefan Gelbhaar verlor in Folge der Vorwürfe sein Bundestagsmandat.

Gelbhaar beschreibt gegenüber ZAPP die Folgen der Affäre als tiefgreifend: „Es ist ein Break in meinem Leben erfolgt, und das ist auch nicht reversibel.“ Gleichzeitig versucht er, sein Verhalten einzuordnen: „Was ist Teil dieser Intrige? Und wo habe ich vielleicht auch den Grund für ein Missverständnis gesetzt?“

Trotz der offenbar erfundenen Hauptzeugin bleiben mehrere Frauen aus den Reihen der Grünen bis heute bei ihren Aussagen. Die Süddeutsche Zeitung hatte Vorwürfe von acht Frauen dokumentiert – darunter ungewollte Flirts und Komplimente, ungewollte Berührungen, einen ungewollten Kuss auf den Hals und nächtliche Chats auf Instagram. Alle Betroffenen waren junge Frauen am Beginn ihres Berufslebens.

Für Investigativ-Journalistin Ann-Katrin Müller vom Spiegel zeigt der Fall typische MeToo-Strukturen: „Wenn ein deutlich älterer, mächtiger Mensch, in dem Fall Stefan Gelbhaar, tatsächlich seine Position benutzt hat, weil er Bundestagsabgeordneter oder Landesvorsitzender war, um bei jungen Frauen eine gewisse Form von Gespräch anzuleiern oder vielleicht auch zu flirten, […] dann ist das klassisch Metoo.“

Den Vorwurf des Machtmissbrauchs weist Gelbhaar im ZAPP-Interview zurück: „Macht ist immer und überall da. […] Die Frage ist, wie sich dieses Machtverhältnis ausdrückt. […] Die Unterstellung, dass jetzt quasi alle Menschen, nur weil sie jung sind, per se ganz schüchtern sind – die trifft bei den Grünen Gott sei Dank nicht zu. Wir haben sehr sendungsbewusste junge, grüne Männer und Frauen.“

Eine externe Untersuchungskommission unter Leitung des ehemaligen NDR-Investigativchefs Stephan Wels hat schwere Versäumnisse in der Berichterstattung des RBB zum Fall Gelbhaar dokumentiert. Die zentrale Quelle für die Anschuldigungen wurde nicht überprüft. Chefredakteur und Programmdirektorin sind infolgedessen zurückgetreten.

Im Interview mit ZAPP erklärt RBB-Intendantin Ulrike Demmer: „Wir haben da einen gravierenden Fehler gemacht, der so nicht hätte passieren dürfen.“
ZAPP-Autorin Noura Mahdhaoui zeichnet die Chronologie des Falls nach und fragt: Was bedeutet der Fall Gelbhaar für den journalistischen Umgang mit MeToo-Vorwürfen? Und wo beginnt grenzverletzendes Verhalten?

Quelle: NDR Pressemitteilung 14.05.2025

Ab 14.05.2025, 17 Uhr in der ARD-Mediathek oder auf YouTube.

Kontext >>

„Chronologie eines Grenzfalls“ – Süddeutsche Zeitung, 12.03.2025 (Paywall €)

„#MeToo als Waffe“ – Kommentar von Simone Schmollack, taz, 19.01.2025

„Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht…“ – Anne Fromm, taz, 20.01.2025

„Berlin“@martin.boettger, Beueler-Extradienst, 22.01.2025


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