Ich gebe gerne zu, mich überrascht das überhaupt nicht. Peter Scholl-Latour war für mich eine der prägendsten Figuren des TV-Journalismus meiner Kindheit und Jugend. Ja, im Grunde war er das noch bis kurz vor seinem Tod vor gut 10 Jahren. Da kommt eine Menge Leben zusammen, um Leute zu treffen, Quellen aufzubauen und Informationen zu sammeln.

Dass er einige davon auch für den Bundesnachrichtendienst gesammelt haben soll, überrascht mich nicht. Vom Habitus hätte der Bochumer Peter Scholl-Latour ohnehin einem Roman von John le Carré entsprungen sein können. Vermutlich hatte er einfach die besseren Quellen, als die Schnüffler:innen des Kanzler:innenamts.
Pressemitteilung des WDR, 15.06.2025 >>
Der Journalist und Publizist Peter Scholl-Latour wurde vom Bundesnachrichtendienst (BND) mehrere Jahre lang als „Gelegenheitsquelle“ geführt. Das geht aus Akten des BND hervor, die der Westdeutsche Rundfunk (WDR) erstmals auswerten konnte.
– Pressemitteilung des WDR, 15.06.2025 (OTS)
Demnach wurde Peter Scholl-Latour, der im August 2014 im Alter von 90 Jahren verstarb, in den 1980er Jahren vom deutschen Auslandsgeheimdienst als sogenannte „Gelegenheitsquelle“ geführt. Der bekannte Journalist und Sachbuchautor bekam laut BND-Akten zeitweise den Decknamen „Frank“, dann „Pedro“ und zuletzt „Scholar“.
Er soll dem BND mehrfach Informationen über seine Reisen und Gesprächspartner geliefert haben. Außerdem, so ist in den Unterlagen vermerkt, machte Scholl-Latour dem Dienst wohl Film- und Fotomaterial vor Veröffentlichung zugänglich.
Eine Sprecherin des BND erklärte, Scholl-Latour sei nie als „reguläre Quelle“ des Dienstes angeworben worden, habe keinen „stetigen Auftrag zur Informationsbeschaffung“ bekommen und sei auch nicht bezahlt worden. Der Begriff NDV (Nachrichtendienstliche Verbindung), der in den Akten für ihn verwendet wurde, sei nur „fälschlicherweise“ in den Akten verwendet worden.
Tatsächlich aber geht aus den BND-Akten, die dem WDR vorliegen, hervor, dass der Geheimdienst den Journalisten sehr wohl als einen Zuträger nutzte, von dem Informationen abgeschöpft wurden und der auch Aufträge erledigt haben soll. An zahlreichen Stellen werden in den Akten im Zusammenhang mit Peter Scholl-Latour Decknamen und Verbindungsführer genannt oder auch Begriffe wie „Gelegenheitsquelle“, „Auftrag“ oder „geführt“ explizit verwendet. Zudem werden mehrere Aufträge beschrieben.
Konkret wurde Scholl-Latour laut den Dokumenten seit einer Afghanistan-Reise mit einem Fernsehteam des ZDF im Jahr 1981 als „Gelegenheitsquelle“ geführt. Seine Ansprechpartner waren zwei BND-Mitarbeiter mit den fiktiven Dienstnamen „Sallinger“ und „Tebs“, die damals im Geheimdienst für die Region Naher und Mittlerer Osten zuständig waren.
Scholl-Latour soll dem BND mehrfach über Reisen und Gesprächspartner berichtet haben. In den 1980er Jahren sollte er sich laut BND-Akten zudem in Beirut mit einer BND-Quelle treffen, die der Geheimdienst damals selbst nicht aufsuchen konnte. In den BND-Akten ist auch vermerkt, dass Scholl-Latour sich bereit erklärt haben soll, bei der Identifikation einer Person aus der DDR zu helfen, die für das Internationale Rote Kreuz in Ost-Afrika tätig werden sollte.
Ebenso soll Scholl-Latour dem BND das Filmmaterial einer Dokumentation über das damals von der Sowjetunion besetzte Afghanistan noch vor der Fernsehausstrahlung zugänglich gemacht haben. Er soll vorgeschlagen haben, zu diesem Zweck einen BND-Mitarbeiter in das ZDF-Büro in Bonn zu bringen. In den Unterlagen heißt es, Scholl-Latour habe bei einem Gespräch erneut betont, dass er „einem unserer Vertreter gestatte, bei der ersten Visionage anwesend zu sein (…) Dazu sei erforderlich, daß unser Mann entweder ins Studio BONN oder PARIS kommt. WIESBADEN scheide aus, da es dort zuviele ‚Neugierige‘ gäbe. (…)“.
Eine Sprecherin des ZDF sagte auf Anfrage: „Das ZDF hat keine Kenntnis über die geschilderten angeblichen Vorgänge aus den 80er Jahren.“ Der Sender orientiere sich in seiner Arbeit an den publizistischen Leitlinien und am Pressekodex. „Daher wird auch gegenüber Ermittlungsbehörden und Nachrichtendiensten grundsätzlich keine Auskunft zu den im Rahmen einer Recherche/einer Berichterstattung erlangten Informationen erteilt.“
Bereits Anfang der 1960er Jahre hatte sich der BND laut der historischen Unterlagen für Scholl-Latour interessiert, der damals als Afrika-Korrespondent für die Saarbrücker Zeitung und die ARD im Kongo tätig war. Zunächst gab es aber behördenintern offenbar das Gerücht, Scholl-Latour, der neben der deutschen auch die französische Staatsbürgerschaft besaß, würde für den französischen Geheimdienst arbeiten.
In einem BND-Vermerk aus dem April 1962 heißt es dann, Scholl-Latour werde demnächst zum Heimaturlaub in die Bundesrepublik kommen und solle dann eventuell „geworben werden“. Ob bereits damals eine Anwerbung als Informationsquelle stattfand, ist aus den freigegebenen Akten aus dem BND-Archiv nicht ersichtlich. Ebenso nicht, wann die Verbindung zwischen dem BND und Scholl-Latour endete.
Die Herausgabe weiterer Akten zur Person wurde vom BND mit Verweis auf bestehende Schutzfristen und eine mögliche Gefährdung für nachrichtendienstliche Methoden und das Staatswohl der Bundesrepublik Deutschland verweigert.
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