Ich erinnere mich noch genau, wie ich zum ersten Mal „Reservoir Dogs“ gesehen habe – ich war deutlich jünger, natürlich, und wie elektrisiert. Tarantinos Kino hat mich nicht nur unterhalten, es hat mich geprägt. Und vielleicht gerade deshalb habe ich mit großer Neugier, aber auch einiger Skepsis zu diesem Dokumentarfilm gegriffen…
Regisseurin Tara Wood, die zuvor bereits eine Doku über Richard Linklater gedreht hat, begibt sich darin auf eine filmhistorische Zeitreise durch die ersten acht Filme Quentin Tarantinos. Herausgekommen ist eine große Hommage.
Wood versammelt Wegbegleiter:innen, Schauspieler:innen und Mitarbeiter:innen wie Zoë Bell, Michael Madsen, Samuel L. Jackson, Lucy Liu, Jamie Foxx, Eli Roth, Christoph Waltz, Stacey Sher, Scott Spiegel, Tim Roth, Bruce Dern, Jennifer Jason Leigh, Diane Kruger, Robert Forster, Kurt Russell und Richard N. Gladstein die von der Zusammenarbeit mit Tarantino schwärmen.
Die Anekdoten sind unterhaltsam, die Bewunderung ist wirklich echt. Wir können quasi nachvollziehen, wie charismatisch und leidenschaftlich Tarantino am Set wirkt. Dass er Schauspieler:innen zu Höchstleistungen pusht. Dass sein Wissen um Filmgeschichte fast unheimlich ist. Und warum sein Einfluss auf das amerikanische Kino der 1990er kaum zu überschätzen ist.
Doch je länger der Film läuft, desto mehr frage ich mich, wo eigentlich die kritische Distanz bleibt. Tarantinos filmisches Werk ist stilbildend, keine Frage – aber eben auch hochgradig ambivalent. Gewalt ist bei ihm ästhetischer Fetisch, Rache eine moralische Kategorie. Seine Figuren sind oft weiß, männlich, cool – und dann wieder schwarz, überraschend komplex, widersprüchlich, ja: ikonisch.
Aber „QT8“ kratzt nur an diesen Ambivalenzen. Statt sie zu untersuchen, wird die Persona Tarantino gefeiert wie ein Popstar. Kritik – etwa an seiner Darstellung von Frauen oder seinem Umgang mit Rassismus – kommt, wenn überhaupt, nur am Rande vor. Es gibt eine Szene, in der Diane Kruger über ihre schwierige Erfahrung beim Dreh von „Inglourious Basterds“ (2009) spricht. Doch die Szene bleibt stehen wie ein loses Zitat, das nicht weiter eingeordnet wird.
Was ich mir gewünscht hätte: Etwas mehr Reflexion. Etwas mehr Reibung. Vielleicht auch mehr Stimmen, die nicht zum unmittelbaren Tarantino-Kosmos gehören. Stimmen, die ihn aus einer feministischen oder postkolonialen Perspektive einordnen. Stimmen, die fragen: Was macht Tarantino heute noch relevant – und was ist schlecht gealtert? Stimmen, die kritischer über die Bedeutung Harvey Weinsteins für Tarantino (Spiegel) sprechen. Der Film spart das Thema nicht aus, allerdings spricht nur Michael Madsen darüber, keine einzige Frau.
„QT8“ ist eine sehr konventionelle, sehr sichere Erzählung, die viel mehr am Mythos und der Legendenbildung interessiert ist als an der kontroversen Person dahinter. Trotzdem hat mich Woods Film nicht kaltgelassen. Denn die Leidenschaft der Beteiligten ist spürbar. Und ich habe mich an meine eigene wahnsinnige Begeisterung für diese Filme erinnert – und zugleich an das Unbehagen, das sich in mir eingenistet hat, je älter ich wurde. Vielleicht ist das die stille Qualität, der Film zeigt ein Bild Tarantinos, das so glatt ist, dass es uns unweigerlich dazu bringt, die Risse selbst zu suchen.
Wer Tarantino liebt, wird hier viel klassisches Material wiederfinden. Wer seine Filme kritisch sieht, wird sich an vielen Stellen zu Recht reiben. Sie können sich auch einfach ihr eigenes Bild machen.
ARTE feiert Quentin Tarantino, der wie kaum ein anderer in Hollywood Genregrenzen sprengte und dessen Filme sofort Kult wurden. Den Auftakt macht am 22. Juni „Jackie Brown“, gefolgt von der Dokumentation „QT8: Quentin Tarantino – The First Eight“. Am 23. Juni laufen „Kill Bill – Volume 1“ sowie „Uma Thurman – Die stille Kämpferin Hollywoods“ und als Finale am 30. Juni „Kill Bill – Volume 2“. Auf arte.tv sind vom 22. Juni bis zum 21. September sechs Filme abrufbar. Außer den genannten sind „Reservoir Dogs – Wilde Hunde“, „Death Proof – Todsicher“ und der Zombie-Film „Planet Terror“ von Regiekollege Robert Rodriguez zu sehen. (ARTE Presseportal)
Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am 15.06.2025.
Inhaltswarnung: Dieser Dokumentarfilm enthält Archivmaterial aus Tarantinos Filmen, das explizite Darstellungen von Gewalt, rassistische und sexistische Sprache sowie sexualisierte Gewalt beinhalten kann. Außerdem werden vereinzelt gewaltvolle Set-Erfahrungen thematisiert, ohne sie tiefgehend aufzuarbeiten. Die Doku reflektiert problematische Inhalte nur am Rande, was retraumatisierend wirken kann.
Dokumentarfilm, USA, 2019, FSK: ab 16, Regie: Tara Wood, Produktion: Tara Wood, Jake Zortman, Musik: Doran Danoff, Kamera: Jake Zortman, Schnitt: Eric Myerson, Mit: Zoë Bell, Michael Madsen, Samuel L. Jackson, Lucy Liu, Jamie Foxx, Eli Roth, Christoph Waltz, Stacey Sher, Scott Spiegel, Tim Roth, Bruce Dern, Jennifer Jason Leigh, Diane Kruger, Robert Forster, Kurt Russell, Richard N. Gladstein
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