Tom Hanks – „Ein Mann namens Otto“ (2022)

Es ist immer heikel, wenn Hollywood sich europäische Erfolgsstoffe einverleibt. Noch heikler wird’s, wenn ein Film wie „Ein Mann namens Ove“ (2015) adaptiert wird – eine zutiefst schwedische Geschichte über Misanthropie, Trauer und unerwartete Nähe in der Vorstadthölle Skandinaviens.



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Marc Forsters US-Version „Ein Mann namens Otto“ (2022) versucht das Gleiche – nur in Pittsburgh, mit Tom Hanks in der Hauptrolle. Das Ergebnis ist ein gut gemeintes, handwerklich solides, aber letztlich glattes Remake, das nie ganz aus dem Schatten seines schwedischen Vorbilds heraustritt.

Im Zentrum beider Filme steht ein grantiger alter Mann, der seine Nachbarschaft mit pedantischer Akribie überwacht und mit dem Leben abgeschlossen hat. Während Ove (Rolf Lassgård) ein Archetyp des skandinavischen Trübsinns war – mürrisch, kantig, manchmal wirklich unangenehm – ist Otto (Tom Hanks) von Anfang an: nett. Also natürlich grumpy, aber auf diese amerikanisch-verzeihliche Art, die eher nach Sitcom wirkt als nach tiefer psychischer Wunde. Hanks spielt souverän, das tut er immer, aber genau das ist das Problem: Sein Otto wirkt wie ein trauriger Mister Rogers, nicht wie ein Mann, der mehrfach versucht hat, seinem Leben ein Ende zu setzen.

Der Film nimmt seinem Protagonisten alle der Ecken und Kanten, wo das Original viel mutiger war. Humor ist in „Otto“ weich, die emotionale Wucht orchestriert mit typischen US-Klaviergeklimper. Marc Forster – der eigentlich durchaus in der Lage ist, tief zu gehen, siehe „Monster’s Ball“ (2001) oder „World War Z“ (2013) – bleibt hier seltsam unentschlossen zwischen Tragikomödie und Wohlfühlfilm.

Was beiden Filmen gemeinsam ist: Es sind die Nebenfiguren, die für Leben sorgen. In „Ein Mann namens Otto“ ist es vor allem Marisol (herrlich energiegeladen: Mariana Treviño), die mit Herzlichkeit und Dickköpfigkeit Ottos Herz langsam auftaut. Ihre Figur ist sogar lebendiger als ihre schwedische Vorlage – ein echter Pluspunkt. Doch während „Ove“ von einem stimmigen Figurenensemble getragen wird, hat Otto öfter das Gefühl, seine Botschaft mit erhobenem Zeigefinger erklären zu müssen.

„Ein Mann namens Otto“ ist dabei kein wirklich schlechter Film. Er ist gefällig, empathisch, gut gespielt – eben ein typischer Tom-Hanks-Film, wie ihn Familien zu Weihnachten mit der Decke auf dem Schoß schauen. Wer das Original nicht kennt, wird ihn sicher mögen, ja vielleicht zu Tränen gerührt. Aber wer „Ein Mann namens Ove“ gesehen hat, wird sich fragen: Musste das wirklich sein?

Verstehen Sie mich nicht falsch! Tom Hanks ist, was Tom Hanks (fast) immer ist, ziemlich großartig. Die Besetzung ist ebenfalls nicht schlecht. Der Film ist niedlich. Das ist schon das wirklich Schlimmste daran. Und ich glaube, genau das war das Ziel der amerikanischen Produzenten. Sie wollten niemandem weh tun.

Denn Ove, der grantige Schwede, war ein Charakter mit Brüchen, mit Schroffheit, mit Seele. Otto ist ein Feel-Good-Opa mit Tragikvergangenheit. Das Remake verpasst die Gelegenheit, kulturelle Unterschiede produktiv zu nutzen, und übersetzt lieber ins Universelle – was in der Praxis leider „harmlos“ bedeutet.

Lieber das Original! Wer wirklich lachen, weinen und sich ein bisschen unangenehm berührt fühlen will, wird mit „Ein Mann namens Ove“ (gerade verfügbar bei @3sat!) wirklich belohnt. Otto ist bedauerlicherweise nur ein etwas (un)höflicher Nachbar.

Ove war ein Original.

Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am 20.06.2025.


Inhaltswarnung: Der Film ist nicht völlig harmlos, sondern thematisiert wiederholt Suizidgedanken und zeigt mehrere Szenen, in denen der Protagonist versucht, sich das Leben zu nehmen. Auch der Verlust eines geliebten Menschen und depressive Episoden werden emotional eindringlich dargestellt. Für Zuschauer:innen, die selbst mit psychischen Belastungen zu kämpfen haben oder in Trauerprozesse eingebunden sind, könnten diese Inhalte belastend wirken.



Tragikomödie, USA, 2022, FSK: ab 12, Regie: Marc Forster, Drehbuch: David Magee, Produktion: Gary Goetzman, Tom Hanks, Fredrik Wikström Nicastro, Rita Wilson, Musik: Thomas Newman, Matthias Königswieser, Schnitt: Matt Chessé, Mit: Tom Hanks, Mariana Treviño, Manuel Garcia-Rulfo, Truman Hanks, Rachel Keller, Cameron Britton, Juanita Jennings, Peter Lawson Jones, Mack Bayda, Kelly Lamor Wilson, Mike Birbiglia, Christiana Montoya, Alessandra Perez, Max Pavel, Kailey Hyman, Fediverse: @filmeundserien, @ZDF



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  1. Avatar von Jochen Jansen ✅️
    Jochen Jansen ✅️

    @mediathekperlen
    Interessanterweise lief das sehr sehenswerte Original gestern auf @3sat :
    https://www.3sat.de/film/spielfilm/ein-mann-namens-ove-100.html

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    1. Avatar von Mediathekperlen

      Den Film habe ich, in der Tat, in der Einleitung und am Ende des Textes verlinkt. Und hier nochmal (weil er wirklich besser ist) ❤️ 😎 : https://nexxtpress.de/mediathekperlen/2025/06/19/rolf-lassgard-ein-mann-namens-ove-2015/

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