Julio Medem – „Eine Nacht in Rom“ (2010)

Zwei Frauen, ein Hotelzimmer, eine Nacht: Das Versprechen von Intimität außerhalb der Ordnung, festgehalten in einem Film, der wohl lieber ein Gedicht wäre. Oder nur ein Blick. Oder auch sein eigener Mythos. „Eine Nacht in Rom“ („Habitación en Roma“) ist kein klassischer Liebesfilm. Es ist ein Kammerspiel der Projektionen – und ich darf zusehen, wie er implodiert.



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Julio Medem, der mit „Lucía und der Sex“ (2001) das erotisierte Erzählen schon geübt hat, versucht hier, eine Beziehung zwischen zwei Frauen zu entwerfen – oder genauer: eine Nacht voller Interaktion, Verlockung und Überwindung. Die eine Russin, verlobt, fromm, kontrolliert. Die andere Spanierin, offen, ruhelos, körperlich. Ihr Zusammentreffen in einem römischen Hotelzimmer gerät zum Ausnahmezustand. Die Außenwelt verschwindet. Was bleibt, ist dieses Zimmer – und mein Blick darauf.

Ich will diesem Film ja glauben. Ich will den beiden Frauen zuhören, wie sie sich erzählen, was sie begehren, was sie schützen. Ich will, dass sie für sich selbst sprechen – aber es drängt sich immer Medems Blick dazwischen. Und dieser Blick ist nicht neutral. Er ist von außen. Es ist ein Blick, der nicht beobachtet, sondern inszeniert. Der formt. Der gleitet. Der besitzt. Ein männlicher Blick, der behauptet, poetisch zu sein, aber in Wirklichkeit alles kontrolliert.

Male Gaze ist hier kein Nebenprodukt – er ist das Prinzip der Architektur dieses Films. Die Kamera streicht über Haut, tastet Formen ab, komponiert Körper wie Landschaften. Die Intimität zwischen den Figuren erscheint nicht als etwas Gelebtes, sondern performativ – und zwar für ein fremdes Auge. Das Hotelzimmer wird zur Bühne, die Begegnung zur Choreografie. Nähe wird erzählt als Spektakel. Was fehlt, ist das Gefühl, dass diese Körper jemandem gehören.

Natürlich lässt sich der Film kritisieren: zu glatt, zu artifiziell, zu sehr dem Begehren eines Autors verpflichtet. Es gibt Rückblenden, die mehr verschleiern als erhellen. Ein Gemälde, das als Symbol überstrapaziert wird. Und Dialoge, die zwischen großem Tiefsinn und größerem Kitsch pendeln. Aber dazwischen liegt die Spur eines Versuchs, etwas festzuhalten, das sich entzieht – Nähe, die keine Sprache kennt. Begehren, das nicht benannt werden will.

Was mich interessiert, ist nicht, ob dieser Film „authentisch“ ist. Sondern: Warum eine Begegnung zwischen zwei Frauen im Kino derart überhöht werden muss, um erzählbar zu sein. Warum sie nicht einfach da sein darf – als Alltag, als Beziehung, als Kontinuität. „Eine Nacht in Rom“ (2010) will vieles: Erotik, Poesie, Tiefe, vielleicht sogar Trost. Er stolpert über seine eigene Symbolik. Aber in seinem Scheitern liegt auch eine Offenheit.

Ich sehe zwei Figuren, die sich gegenseitig aufbrechen. Aus ihren biografischen Sicherheiten, aus sozialen Zwängen, aus dem, was sie über sich selbst zu wissen glaubten. Diese eine Nacht wird zum Riss – und vielleicht liegt darin die eigentliche Kraft.

Vielleicht soll ich den Film ja gar nicht lieben. Ich kann ihn ansehen, als das, was er auch ist: ein fragmentarischer Versuch, Intimität zwischen Frauen zu erzählen – unter dem Gewicht des Blickes eines Mannes, der nie ganz loslässt. Kein Vorbild. Aber ein Symptom. Und genau darin liegt seine politische Relevanz.

Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am 06.07.2025.


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Der Film enthält explizite Nacktszenen und eine stark ästhetisierte Darstellung körperlicher Intimität. Thematisiert werden u. a. religiöse Spannungen, familiäre Verpflichtungen und emotionale Grenzverhandlungen.



Erotik-Drama, Spanien, 2010, FSK: ab 16, Regie: Julio Medem, Drehbuch: Julio Medem, Produktion: Enrique López Lavigne, Julio Medem, Musik: Javier Navarrete, Kamera: Álex Catalán, Schnitt: Iván Aledo, Mit: Elena Anaya, Natasha Yarovenko, Najwa Nimri, Fediverse: @filmeundserien, @3sat



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