(M)Ein Rant: Machen wir uns nichts vor. Die besten Zeiten unseres Landes liegen hinter uns. Dazu hat es nicht erst den zeremoniellen Abriss der sogenannten CDU-Brandmauer von gestern gebraucht. Darum müssen wir es jetzt um so mehr verteidigen! Aber wie?
Die sogenannte „Mitte“ ist in Deutschland lange schon nach rechts gerutscht. Eine linke Mehrheit in Deutschland ist deswegen ebenso lange schon vollkommen illusorisch. Wer diese noch für möglich hält, braucht einen wirklich langen Atem. Mindestens für eine Generation, vielleicht auch zwei. Ich werde dieses Jahr 60. Soviel Zeit habe ich wahrscheinlich nicht mehr.
Erinnern wir uns: Die letzte linke Mehrheit hat ausgerechnet Sigmar (Pop) Gabriel, nach–nach–nach-Nachfolger seines guten Freundes und Mentors Gerd (Gazprom) Schröder, nach der Bundestagswahl 2013 in seiner Funktion als Parteivorsitzender der ältesten und stolzesten Sozialdemokratischen Partei Deutschlands aller Zeiten mutwillig sabotiert. (*)
Damit hat er nicht nur das Fundament für weitere acht Jahre Merkelpolitik gelegt, sondern auch die historische Verantwortung dafür, dass die Chance auf ein linkes Bündnis in Deutschland wohl in meiner Lebenszeit nicht mehr wieder kommen wird.
Eigentlich müssten Friedrich Merz und Alice Weidel ihm dafür heute mindestens einen teuren Blumenstrauß nach Goslar schicken, für einen Kranz ist er einfach noch zu lebendig. Denn während die %fD 2013 noch bei bundesweit 4,7 % über die Ziellinie gekommen ist und auch die FDP mit nur 4,8 % nicht mehr in den Bundestag eingezogen ist, haben beide sich nur eine Wahl später mit 12,6 % (%fD) bzw. 10,5 % (FDP) aus dem politischen Abseits zurückgemeldet und die SPD wurde mit ihrem schlechtesten Ergebnis seit dem II. Weltkrieg für ihr historisches Versagen bestraft – und fand sich dennoch in der nächsten Regierung wieder.
An dem Punkt wusste ich, die Zeiten, in denen „wir“ noch Chancen hatten, für das Land und Europa einen „Fortschritt“ zu erkämpfen, politische, gesellschaftliche, individuelle Rechte und Freiheit zu erstreiten, den Frieden und unseren Planeten zu schützen und, vor allem, den sozialen Ausgleich zwischen denen die haben (und immer mehr bekommen) und den anderen (die immer nur verlieren) herzustellen in der Lage gewesen wären, für eine vorhersehbare Zukunft vorbei waren.
Seit dem ging es nicht nur an allen wirtschaftlichen Fronten bergab, auch die soziale Kluft ging so weit auf, dass immer mehr Menschen, von links und rechts hineingestürzt sind – während aber der Reichtum weniger ins Unermessliche gewachsen ist und weiter wächst.
Ja, auch ich hätte wohl ganz andere Probleme als die Klimakatastrophe, wenn ich nicht weiß, wo ich wohnen und wie ich die Kinder sattbekommen soll. Autos und Wärmepumpen kann mensch nicht fressen!
Die Interessen des Kapitals wurden so erfolgreich, wie möglich gewahrt und beschützt, während die Prekarität (wieder) zum anstrebenswerten Prinzip wurde und darum der „Plebs“ dem Abbau seiner sozialen Absicherung, dem Niederreißen seiner ihn schützenden Solidarsysteme und dem Verschwinden eines von der Verfassung garantierten Interessensausgleich in Form der „sozialen Marktwirtschaft“ hat zusehen müssen. „Sie müssen sich halt mehr anstrengen“…, währenddessen der neue Geldadel mit dem Bundesfinanzminister und dem Vorsitzenden der CDU auf Sylt am Sektchen nippten und sich woanders US-Präsidenten mit Bitcoins kaufen konnte.
Ja wundert Sie da wirklich, dass einer wie auch immer „linken“ Alternative nicht mehr vertraut wird? Das haben die Menschen sich doch gemerkt! #Fortschrittkoalition, my Ass! Und dass die Rechten dafür noch den Turbo anwerfen wollen, das hat ihnen irgendwie keine:r gesagt – oder sie haben einfach nicht mehr zugehört.
Jeder gesellschaftliche, soziale und bürgerliche Fortschritt, den dieses Land seit 76 Jahren erkämpft und errungen hat, jedes Vertrauen, das dieser Staat und seine Organisationen und Repräsentant:innen sich, für die eine mehr, für den anderen weniger, verdient haben, steht zur Disposition. Für viele Menschen ist all das aber schon lange weg. Zuerst für die, die nicht den richtigen Ausweis oder die falschen Eltern hatten.
Der Backlash war darum unvermeidlich. Er begann nicht erst gestern Abend. Ob, und wenn, wie schnell, er gewinnen wird, hängt auch davon ab, wie sehr wir uns und unser Land noch dagegen zu verteidigen in der Lage sind.
Es gibt immer mehr als eine Strategie und Mittel der persönlichen Präferenz. Zu den Bundestagswahlen am 23.02.2025 aufzurufen, fühlt sich an dieser Stelle schon fast wie die letzte verzweifelte Hoffnung an, den rechten Durchmarsch noch aufhalten zu können. Viel Hoffnung habe ich dafür eigentlich nicht.
Im Grunde habe ich nur noch eine einzige…
Eine halbwegs linke Partei so stark zu machen, dass es ohne sie keine Mehrheit gibt. Und zu hoffen, dass deren, von mir vorausgesetzte kategorische Weigerung, unter Friedrich Merz in eine CDU geführte Regierung einzutreten, tatsächlich Bestand hätte (**). Nur so wäre dieser Kanzler doch noch zu verhindern. Und genau das könnte die beste und vermutlich letzte Möglichkeit unserer Selbstverteidigung, gegen die sich durch ihn manifestierterende Bedrohung sein, die wir haben.
Wer dabei aber auf die SPD setzt, hat die Geschichte einfach nicht verstanden.
Und, vor allem, wer sagt es den Grünen?
– – –
* Dieser Beitrag wurde geschrieben, von einem, durch Sigmar Gabriel für alle Zeiten restlos desillusionierten, ehemaligen Sozialdemokraten. Ihr Mitleid diesbezüglich ist nicht angebracht. Mitglied war er damals nur aus Notwehr, um den Koalitionsvertrag mit der CDU abzulehnen… und hat verloren. Wie viele andere auch.
** Dabei ist es fast gleichgültig, was Scholz oder Habeck denken. Denn es ist hinreichend wahrscheinlich, dass es nach Verhandlungen zu möglichen Koalitionsverträgen sowohl bei der SPD als auch den Grünen jeweils eine Mitgliederbefragung geben wird. Um daran teilzunehmen, müssen Sie, den jeweiligen Parteiregeln gemäß, rechtzeitig Parteimitglied sein.
Nachtrag 30.01.2025, 20:04
Was ändern?! – @SWeiermann fragt, wie wir nicht in den Faschismus schlittern (ND, 30.01.2025)
Merz und die Brandmauer – eine Geschichte in Zitaten von Evelin Ruhnow, Spiegel.de, 30.01.2025)
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