Oliver Kalkofe – OSS 117 (2006-2021)

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Parodien sind heikel. Das Original so gut zu kennen, das Aussehen, Ticks und Gewohnheiten, ein Selbstverständnis nachzuempfinden. In der Lage zu sein, über sich selbst hinauszuwachsen und auf all das spöttisch zu reagieren, und zwar auf eine Art und Weise, die dem Publikum das Gefühl gibt, ein Teil des Witzes zu sein. Kurz gesagt, das Ding sein und gleichzeitig seine Distanz zu ihm zu erkennen.

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OSS 117 gelingt dieses Kunststück nahezu perfekt. Die Filme sind eine verspätete Neuauflage der Romane und -Filme, die in Frankreich von den späten 1940er bis in die 70er Jahre hinein sehr populär waren (und sowohl in der Literatur als auch auf der Leinwand noch vor Ian Flemings James Bond erschienen).

Aber selbst wenn Sie noch nie etwas von dem französischen Geheimagenten „Hubert Bonisseur de La Bath“ gehört haben, ist er uns schnell genauso vertraut wie die ursprünglichen Bond-Geschichten: ein kultivierter, aber überaus chauvinistischer, äußerst frauenverachtender und immer eigensinniger Spion, der internationale Verbrecherkabalen ebenso mit seinen Fäusten und Waffen wie mit seinem brillanten(?) – so würde er selbst sich beschreiben – Verstand bekämpft.

In den Filmen von Michel Hazanavicius und Jean-Francois Halin tritt „OSS 117“ im Jahr 2006 zum ersten Mal seit 1970 wieder in Erscheinung, und zwar als Hauptfigur einer Persiflage, die wirkt wie ein frankophoner Austin-Powers im Casino Royal – allerdings der Peter-Sellers-Version von 1967.

Die Filme spielen in den Fünfzigern und wirken ganz wie die schlechten Actionfilme aus den frühen Sechzigern. Die noch tief sitzenden Vorurteile der damaligen Zeit – politisch, sozial, sexuell, kulturell – werden vom Helden unverfroren übernommen, ja verkörpert und potenzieren sich in ihm. Und der Held, nun ja, es führt kein Weg daran vorbei: Der Held ist ein kompletter Idiot.

So ein Mann hätte große Karriereperspektiven in der Jungen Union

„OSS 117“ ist politisch inkorrekt, wo es nur geht. Er spricht Namen falsch aus, beleidigt Frauen, ausländische Würdenträger und Andersgläubige, er stolpert leichtfertig über offensichtlichste Hinweise und schätzt generell und grundsätzlich jede Situation, der er begegnet, falsch ein. In seinen eigenen Augen ist er jedoch ein unwiderstehlicher, genialer und unbeugsamer Verfechter der höchsten Werte seiner Nation, seiner Klasse, seines Geschlechts, seiner Zeit. Ein absurder Possenreißer, der für sich selbst ein wahrer Goldjunge ist. Was für ein Mann!

Gleichermaßen an Peter Sellers Inspektor Clouseau wie an Leslie Nielsens Lieutenant Frank Drebin geschult, ist de La Bath ein unfassbar politisch unkorrekter James Bond-Verschnitt. Ein ebenso sexistischer wie rassistischer Antisemit, dem es absurd erscheint, dass es in Frankreich Nazi-Kollaborateure gegeben haben soll und der Sätze wie „Die Welt verändern, was für eine seltsame Idee.“ oder „Nicht alle Nazis waren in der SS. Das darf man nicht verallgemeinern.“ von sich gibt.

(Andreas Resch, taz, 18.08.2009)

Die Handlung der Filme ist wirklich nicht das Entscheidende. Das Wichtigste ist der zufriedene Gesichtsausdruck des grandiosen Hauptdarstellers Jean Dujardin, Oscarpreisträger für „The Artist“ (2011), vor allem dann, wenn er den Moment offensichtlich verpatzt oder die offensichtlichste Tatsache missverstanden hat.

Seine Begegnungen mit anderen Kulturen, Religionen sowieso, seine kindliche Freude an Technik und Tricks seines Fachs und vor allem seine Wahrnehmung der eigenen Unfähigkeit als eine besondere Form der Exzellenz – wer mag, kann sich an seiner Stelle auch beliebige hochrangige politischen Repräsentanten aus den letzten 100 Jahren denken. Meistens Männer, nicht ausschließlich!

Für jene Zuschauer:innen, die hier den kulturell ignoranten, feisten, kolonialistischen, von eigenen Überlegenheitsphantasien geblendeten „Globalen Westen“ – für den der Franzose nur der, sprichwörtliche, „ausführende Agent“ ist – erkennen, ist die „OSS 117“ Reihe ein absurdes Vergnügen.

Wo Austin Powers nur eine komödiantische Parodie war, gehen diese Filme tatsächlich weiter. Sie sind tiefschwarze politische Satire, alles entlarvend und deshalb köstlich unterhaltsam. Außer für jene, die sich in ihnen wiederzuerkennen vermögen. Männer, hauptsächlich.

ZDFneo zeigt alle drei Teile der Filmreihe hintereinander und in der Mediathek. Wenn sie nur einen davon sehen wollen, dann nehmen sie am besten den ersten, „Der Spion, der sich liebte“. Dort war das originelle Konzept noch nicht dadurch beeinträchtigt, sich selbst zitieren zu wollen. Denn auf der langen Strecke nutzt sich die Methode doch ziemlich schnell ab.

Oliver Kalkofe

Dass diese Filme für uns überhaupt irgendwie funktionieren, liegt zuvorderst an Oliver Kalkofe. Der Archivar, Großmeister der Filmparodie und Lordsiegelbewahrer des absurden Kinos in Deutschland, dessen Dialogbücher und Synchronisation von OSS 117 nur ein weiterer großer Verdienst in der langen Reihe seiner kreativen Meisterwerke sind, hat sich hier tatsächlich selbst übertroffen.

Satire muss manchmal einfach!



Geheimdienst-Satire, Frankreich, 2006, 2009, 2021, Regie: Michel Hazanavicius (2006-2009), Nicolas Bedos (2021), Mit: Jean Dujardin, Bérénice Bejo, Louise Monot, Rüdiger Vogler, Pierre Niney, Natacha Lindinger, Fatou N’Diaye


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