Eigentlich hätte schon „The Rider“ den Oscar für den besten Film gewinnen müssen. Stattdessen bekam Chloé Zhao ihn erst drei Jahre später, für ihren Film „Nomadland“ (2020). Wenn Sie mich fragen, war auch dieser verdient. Doch das Drama aus den Badlands bleibt der eine Film, den ich wohl niemals vergessen werde.
Dieser Film entstand eigentlich fast zufällig. Und schon das ist eine Geschichte, die es verdient hat, erzählt zu werden. Denn Cloé Zhao, zu dem Zeitpunkt noch eine, eigentlich nur Insider:innen bekannte Independent-Filmemacherin (geboren 1978 in Peking, China), wollte in South Dakota, USA, ursprünglich einen Dokumentarfilm über das Leben der Lakota-Sioux, eines Stammes amerikanischer Ureinwohner:innen der Region drehen. So hat sie Brady Landreau kennengelernt. Und als dieser sich, während der Dreharbeiten, bei einem echten Rodeo-Bullenreiten schwer am Kopf verletzt hat, beschloss sie stattdessen seine Geschichte zu erzählen.
Es ist tatsächlich kein Dokumentarfilm, doch seine nüchtern beobachtete und den Menschen nahe Geschichte ist authentisch und lässt das Publikum an den wahren Lebensumständen seiner realen Charaktere teilhaben. Denn dieser wirklich moderne Western wird durch Empathie und Loyalität getragen – und er wirbt ebenso um eben diese ehrlichen Gefühle seines Publikum.
Badlands, you gotta live it everyday.
Let the broken hearts stand.
As the price you’ve gotta pay.
We’ll keep pushin‘ till it’s understood.
And these badlands start treating us good.
Die Geschichte eines Pferdeflüsterers hat Robert Redford schon 1995 verfilmt. Doch unterschiedlicher konnten die Herangehensweise des amerikanischen Superstars und der jungen Chinesin an das Sujet eigentlich nicht sein. Denn da, wo Redford auf einen internationalen Bestseller-Roman (mehr als 15 Mio. verkaufte Exemplare) zurückgegriffen hat, hat Chao ihre Geschichte gemeinsam mit ihren Darstellerinnen, mitten in der kargen und staubigen Realität entwickelt.
Was wir zu sehen bekommen, sind Bilder von überwältigender Schönheit (Kamera: Joshua James Richards), einer eigentlich lebensfeindlichen Landschaft. Was wir sehen, ist brutale ökonomische und soziale Realität einer Supermacht – des reichsten Landes der Welt. Was wir vor aber allem anderen wohl nicht vergessen werden, das sind die Menschen, von denen dieser Film erzählt.
„The Rider“ ist ebenso ein Film über Pferde. Denn Zucht, Haltung und Fürsorge für diese edlen Tiere, in vielen anderen Teilen der Welt nur mehr einer Hobby- und Sport-Industrie dienend, sind für die Lakota nicht nur eine ökonomische Lebensgrundlage, sondern auch elementarer Teil ihrer Kultur und Identität.
„Du klammerst dich an ein 1.000 Kilo Tier und reitest einfach los.“
Für junge Lakota, mit absurd limitierten wirtschaftlichen Möglichkeiten, ist das Leben hart. Das Rodeo und vor allem seine gefährlichste Disziplin, das Bullenreiten, ist eine der wenigen Möglichkeiten, neben der sehr kargen Landwirtschaft, überhaupt eine Arbeit zu finden. Wem steht es zu, darüber zu urteilen, dass Menschen dafür ihre Gesundheit und ihr Leben riskieren?
Brady ist ein natural-born Pferdeflüsterer. Er „zähmt“ selbst die scheuesten Tiere. Er ist „The Rider“. Und eben dieser Filmtitel beschreibt nicht nur seine Erfahrung als Bullenreiter, sondern viel mehr seine tiefe Beziehung zu den Tieren und seine fast magischen Fähigkeiten, mit ihnen umzugehen. Sein Charisma, sein ruhiger Mut und seine Entschlossenheit tragen die ganze Geschichte dieses Films, bis zu einem hochdramatischen, aufwühlenden und doch emotional tief zufriedenstellenden Ende.
Ein großer Film. Für mich, bis dato, der beste von Zhao. Eine große Geschichtenerzählerin, von der wir hoffentlich noch sehr viel mehr sehen werden. Was ein Geschenk für das Kino! Und was für eine große Botschaft sie für uns hat: Egal wie schwer die Dinge auch sind, die das Leben bereithalten mag, wir können ihnen mit Mut und Würde begegnen…
„Erinner dich an den Wind in deinem Gesicht… durch die Badlands.“
PS: Wenn Sie diesen Film irgendwo auf der Startseite oder etwa unter „Filme“ in der ARD-Mediathek finden, sagen Sie bitte „Bescheid“. Mir ist das, bis jetzt, einfach nicht gelungen. Sie müssen sich da schon bis zum WDR durchklicken. (20.09.24, 10:14)
Drama, USA, 2017, FSK: ab 12, Regie: Chloé Zhao, Drehbuch: Chloé Zhao, Produktion: Mollye Asher, Bert Hamelinck, Sacha Ben Harroche, Chloé Zhao, Musik: Nathan Halpern, Kamera: Joshua James Richards, Schnitt: Alex O’Flinn, Mit: Brady Jandreau, Tim Jandreau, Lilly Jandreau, Cat Clifford, Terri Dawn Pourier, Lane Scott, Tanner Langdeau, James Calhoon, Derrick Janis
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