„Es wäre leicht, einen deprimierenden Film über dieses Thema zu produzieren. Aber es erfordert einiges an Talent, das Bauernsterben in einer urigen Komödie zu verarbeiten, ohne die Probleme aus dem Blick zu verlieren.“ (Oliver Jungen, FAZ, 03.03.2017)
Es bräuchte schon eine gehörige Portion Verschwörungstheorie, dem MDR zu unterstellen, die Programmierung dieses ARD/Degeto Heimatfilms etwa mit den fortlaufenden Blockaden aufgestachelter Landwirte, dem ehemaligen Bundesfinanzminister oder gar der AfD in Verbindung zu setzen. Da glaube ich eher an Zufall. Auch, weil ich der ARD solch eine Reaktion auf gesellschaftspolitische Ereignisse schlicht und einfach gar nicht zutraue.
Aber wann auch immer der Film etwa um die Mittagszeit im „Dritten“ des MDR läuft, in die Zeit passt er doch.
Denn ganz egal ob Wohnungs- oder Landwirtschaft, gemein ist diesen Großproblemen, dass ihre Ursachen im Kapitalismus und der Spekulation mit Grund & Boden verankert sind. Denn ganz gleich, ob sie nun Mieter:in einer Wohnung, etwa der Vonovia, oder Pächter:in einiger Hektar Land sind, sie bezahlen dafür, weil eben dieses Land, welches sie bewohnen oder bewirtschaften, eben kein beliebig reproduzierbares und damit ein nicht vermehrbares Gut ist. Und doch „gehört“ es eben jemanden – oft sogar ganz genau denselben.
Und schauen Sie genau hin, dann finden sie hier wie dort spekulativ agierende Investmentfonds, die sich sowohl auf den deutschen Immobilien eingekauft haben, als auch immer mehr „Land“ besitzen – dass sie dann von Dritten bewohnen oder bewirtschaften lassen.
Und wenn diese landwirtschaftlichen Betriebe sich vergrößern, pachten sie in der Regel Felder von anderen Bauern dazu. Also steigen die Pachtpreise. Und das liegt, wie das Thünen-Institut hervorhebt, auch an den EU-Direktzahlungen. 50 bis 60 Prozent der Subventionen kommen nicht den Bauern selbst zugute, sondern fließen an die Besitzer des Bodens weiter.
Wenn sie das Thema gerne vertiefen wollen, dann könnte ihnen auch dieser Beitrag der, sicher ganz und gar nicht kapitalismuskritischen und rechtstendenziösen NZZ, weiterhelfen. Ganz ohne Paywall.
Wie bekommt nun die ARD die Komplexität und diesen politischen Sprengstoff nun auf ein konsument:innengerechtes Niveau heruntergebrochen? Sie beauftragt ihre eigene Schmonzettenschmiede Degeto in München damit, eine Freitagabendkomödie daraus zu machen. Warum auch nicht.
Schließlich hinterfragt der Film von 2017 das System, nur so subtil, dass er sein Publikum kaum auf die Trecker“ getrieben hat, um nach Berlin zu fahren, um etwa die Enteignung von Großgrundbesitzern zu fordern. Aber eben doch genug, um zu begreifen, dass dieses Privateigentum an Grund und Boden die zentrale Ursache für den ewigen Kampf der Nichtbesitzer:innen um ihre wirtschaftliche Existenz darstellt. Es ist fast schon große Satire, dass am Ende ausgerechnet die „Jungbauernförderung der EU“ hier die Brücke ist, die den beiden Helden hier eine Zukunft ermöglicht.
Das einzige, was mich an diesem „Heimatfilm“ wirklich angefasst hat, ist eben das: Die Rolle „der Politik“. Er beschreibt das System, doch er entwickelt keine Alternative. Also trägt er eigentlich zur Aufrechterhaltung der ungleichen Verteilung von Produktionsmitteln bei. Ohne die „Bürgermeisterin“ Katharina Thalbach wäre es ein Film, den ich mir, aufgrund meiner verfestigten Vorurteile, wohl freiwillig wahrscheinlich kaum angesehen hätte. Und das wäre schade gewesen.
Denn Spaß macht dieser kleine ostdeutsche Western dann ja doch.
Fernsehfilm, Deutschland, 2017, FSK: ab 0, Regie: Sibylle Tafel, Drehbuch: Jakob Hein, Robert Krause, Produktion: Barbara Süßmann, Sabine Timmermann, Musik: Michael Klaukien, Andreas Lonardoni, Kamera: Klaus Merkel, Schnitt: Melania Singer, Mit: Ernst Stötzner, Katharina Thalbach, Christoph Schechinger, Theresa Scholze, Hans-Uwe Bauer, Thomas Kügel, Andreas Schmidt, Petra Kleinert, Andreas Birkner, Rainer Reiners, Johannes Richard Voelkel, Holger Franke, Manuela Wisbeck, Inga Dietrich, Florian Anderer, Patrick Kalupa
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