Am Freiheitssonntagmorgen!

Guten Sonntag, werte Leser:innen des kleinen Beueler-Nischenblogs. Wie geht es ihnen heute denn? Alle noch (wieder) gesund? Hauptsache dass! Ich könnte mich beklagen, dass es rekordmässig kalt ist, für einen April. Das kostet noch mehr blutiges russisches/arabisches/amerikanisches Öl … und das mit der Freiheitsenergie vom Dach könnte gerade auch was besser laufen. Eigentlich. Aber insgesamt leben wir hier bei Inzidenz 2.000 noch ganz gut in unserer beheizten münsterländischen Einfamilienhausidylle.

Gesund sind wir – unter Berücksichtigung der vorhandenen chronischen Indikatoren eigentlich relativ. Covid ist schon Ende Januar bei uns durch. Da gehen wir natürlich brav wieder zur Arbeit. Der Wohlstand ist ja nicht nur individuell zu sichern, es geht ja auch darum dafür zu sorgen, dass dieser Krieg da unten uns auch volkswirtschaftlich nicht noch mehr kostet, als unseren Nachtschlaf. Und so ein Sondervermögen müssen wir uns eben auch zuerst mal verdienen.

Gut, dass nun wieder „Freiheit“ ist! Also Freiheit sich mit dem Virus anzustecken, wo man(n) geht und steht, arbeitet, einkauft und konsumiert, im Bus eher nicht – der fährt bei uns nicht oft und weit genug … aber in der Bahn, da geht’s auch! Einmal die Stunde, in beide Richtungen. Danke, FDP!

Ich bin ganz aus dem Haus. Also dienstags vor allem. Das ist mein Bürotag. Bis Ende April noch „freiwillig“ und ab Mai dann wieder „Pflicht“. Mein Arbeitgeber will halt auch seiner Fürsorgepflicht nachkommen und wissen wie es mir geht, wenn ich mich morgens nicht nur aus dem Bett an den Schreibtisch geschleppt, sondern dazwischen auch noch 45 Minuten Benzin verbrannt habe. Und so sitze ich dann im Büro und mache hauptsächlich Videokonferenzen. Danach verbrenn‘ ich wieder Benzin.

Wir spielen morgens jetzt AutoquARTEtt, oder sowas ähnliches, um zu entscheiden wer mit welchem Auto zur Arbeit fahren darf oder muss. Bei drei Autos und nur zwei Fahrer:innen gibt es da wenig Konflikte. Ausser natürlich bei der Wahl ob wir lieber 1.5, 3 oder 5 Liter Sprit auf dem Weg verbrauchen. Landstrasse, durchgehend. Tempolimit überall. Also Tempo 100. Schneller darf man(n) ja auf Landstrassen nicht. Nirgendwo Freiheit!

„Freie Fahrt“, Herr Wissing! Herr Lindner! Von ihrem Festhalten an der „freien Fahrt für freie Bürger:innen“ haben wir mal rein gar nichts. So frei können wir gar nicht werden! Weil unsere Durchschnittsgeschwindigkeit, gemessen mit den Bordcomputern jeweils nicht mal über 50km/h liegt. Rush-Hour ist dann halt persönliches Schicksal.

Mein alter Benz kann 240km/h, habe ich aber noch nicht probiert. Warum auch? Und wo? 10,12 Liter Superbenzin in dem Hobel sind trotzdem ein Durchschnittsverbrauch, um den manches moderne SUV den alten 6-Zylinder Cruiser noch beneiden könnte, wenn es denn eine Rolle spielen würde. Tut es aber nicht. Ich fahre deshalb den langweiligen Familienkombi mit etwas um die 6-7 Liter.

Aber egal. Denn der Spritverbrauch ist bei EUR 2,10 genau so hoch, wie bei EUR 1,50 … und da die allgemeinen Verbräuche in den Wochen des Krieges kaum zurückgegangen sind, ist klar, dass uns unsere Freiheit offenbar doch viel mehr wert ist, als nur diese paar Cent. Ausser natürlich für die, die diese paar Cent nicht haben. Die sind dann eben weniger frei. Das nennt sich Marktwirtschaft. Aber die wählen meistens gar nicht. Auf jeden Fall nicht FDP.

Der rote Alarm in meiner Corona-App geht auch nicht mehr aus. Obwohl doch wieder Freiheit ist. Ja, stimmt, Freiheit für Gesunde. Kranke müssen nicht zur Arbeit. Die steuern auch keinen Bus, Zug oder Flugzeug die uns ins Büro, zur Schule oder zur Oma bringen. Die müssen auch nicht zum Dienst im Krankenhaus oder der Feuerwehr. Wo die Intensivstationen jetzt ja auch keine Krisenzonen mehr sind, können wir ja einfach auch mal andere Stationen schließen – weil das Personal gerade unter Covid indizierter Unpässlichkeit leidet. Und das Flugzeug bleibt am Boden. Brennt ja nicht.

Egal wo sie hinsehen, die kleinen Räder im großen Getriebe, die Busfahrer:innen, Krankenpfleger:innen, Lehrer:innen, Kindergärtner:innen, Supermarktkassierer:innen, Bäckereifachverkäufer:innen, Einwohnermeldeamtssachbearbeiter:innen, Zugschaffner:innen oder Müllwagenfahrer:innen wählen nur sehr selten FDP. Deshalb bleiben die einfach zuhause, wenn sie krank sind. Und deshalb fährt dann eben kein Bus oder Zug. Und deshalb haben das Amt und die Kita zu. Diese Freiheit wissen wir doch wirklich zu schätzen – mit Sicherheit!

Die Herren Wissing und Lindner verteidigen im Wesentlichen die Interessen derer an den großen Rädern. Sprichwörtliche Schalthebel der Macht, sozusagen. Überflieger mit Automatikgetriebe. Wir erkennen sie an den großen Motoren in ihren Dienstwagen und an der Tankkarte des russischen oder arabischen Ölmultis ihres Vertrauens.

Die meinen eine andere Freiheit!

Bitte bleiben (werden) sie gesund!


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