Neu im ZDF – „Die Affäre Cum-Ex“ (2025)

4.7
(3)
Seit das ZDF und ARTE vor acht Jahren mit der legendären Serie „Bad Banks“ europäische Maßstäbe gesetzt haben und, in zwei Staffeln, einen mit Preisen überhäuften und internationalen Erfolg feiern konnten, habe ich mich gefragt, ob, und wenn, dann wann und wie, so ein TV-Ereignis wohl zu wiederholen sein würde. Für all diese Fragen steht seit gestern die Antwort auf dem brandneuen ZDF-Portal. Diese Serie ist ein öffentlich-rechtlicher Hammer!

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Eigentlich bin ich wirklich einfach zu begeistern. Geben Sie mir ein Buch, das mich unterhält, neugierig macht und meine, ganz und gar nicht überdurchschnittliche Intelligenz nicht beleidigt, stellen Sie dazu talentierte Darstellerinnen in attraktive Kulissen und lassen Sie diese mit Regisseur:innen arbeiten, die ihre Seele noch nicht für ein regelmäßiges Einkommen an eine TV-Produktionsfabrik verkauft haben.

Für „Die Affäre Cum-Ex“ können wir all das schon nach wenigen Minuten abhaken. Allein schon der im deutschen Fernsehen für mich bisher unvorstellbare Geschlechtsverkehr eines Fondsmanagers (Wahaj Ali) mit dem laufenden Achtzylinder eines Mercedes AMG-SL unterlegt mit der Musik von John Fogerty und CCR ist jeden Grimme-Preis wert! – An der Stelle imitiert die Satire wirklich das Leben. „Großartig“ wollte ich rufen, als ich es sah!

Für den Rest der acht Folgen allerdings, bleibt uns das Lachen doch schnell im Halse stecken, Comedy ist das nicht! Denn wir wissen längst, dass die Ereignisse, die wir verfolgen werden, zwar fiktional aufbereitet und verdichtet wurden – doch, bis in die Details der Finanzmechanik und Steuergesetze, auf knallharter Realität basieren.

Stell dir vor:

Eine Gruppe sehr reicher Investoren, Banker und Anwälte möchte 326 Euro von dir haben.

Sie fragen alle 447 Millionen Einwohner Europas.

Jeden Lehrer, jede Reinigungskraft, jedes Kind, jeden Rentner.

Jeden.

Insgesamt bekommen sie 146.000.000.000 Euro.

Wir wollen dich nicht beunruhigen…. aber genau das ist geschehen.

Im Grunde sollte diese Serie Schulfernsehen des 21. Jahrhunderts sein. Obwohl ich meine Zweifel habe, dass sie ihren Einsatz als Unterrichtsmittel an öffentlichen Schulen je erleben wird. Doch machen sich das ZDF und der Dänische-Rundfunk (DR) der politischen Allgemeinbildung verdient. Denn selbst ich, der ich in Steuer- und Bankgesetzen ein absoluter Blindgänger bin, habe nun verstanden, wie „der größte Steuerraub in der Geschichte“ (NDR, Panorama) funktioniert hat.

Die eigentlich wirklich noch spannendere Frage, als die nach der Finanzmechanik, ist die, nach jenen, durch die dieser Raubzug erst aufgeflogen ist. Und ja, auch das ist in der einschlägigen Berichterstattung nachzulesen, es waren starke Frauen (Wikipedia), welche den Boys-Club aus Anwälten, Investmentbankern, Investoren und Politik haben hochgehen lassen (N-TV).

Die Frauen sind tatsächlich (wieder) das Gold in dieser Serie. Ganz wie schon bei Paula Beer und Désirée Nosbusch in „Bad Banks“, werden wir uns, höchstwahrscheinlich an Lisa Wagner als furchtlose Staatsanwältin in Köln, an Karen-Lise Mynster (im dänischen Finanzministerium) und, für mich meine Lieblingsrolle in allen acht Folgen, Kea Krassau am besten erinnern.

„Wissen Sie, ich bin aus Mecklenburg. Wenn ich das Gefühl bekomme, dass Sie mir drohen wollen, dann schalte ich auf Stur. (…)

Tschüß!“

Anna Nowak (Kea Krassau), Filmzitat

Doch auch wenn die Frauen das Spiel hier entscheiden. Der gesamte Cast ist ein Geschenk. Bis in die kleinsten Nebenrollen bekommen wir Figuren und Darsteller:innen, die, jede:r für sich, in anderen Produktionen erheblichen Anspruch erheben könnten, im Vorspann zuerst genannt zu werden: Martin Wuttke, als Investor nur für wenige Minuten zu sehen, Thorsten Merten, als klassenbewusster Vater einer der Hauptfiguren, auch nur in einer handvoll Szenen, Fabian Hinrichs, als Investigativjournalist, oder die Rostocker Kommissarin Lina Beckmann als Hamburger Finanzbeamte und ihre Dortmunder Tatort-Kollegin Stefanie Reinsperger, die hier allerdings kaum mehr als Stichworte beisteuern darf…

Wer Frauen nicht ernst nimmt, muss eben damit rechnen, dass es genau diese sind, die kommen, ihn zu holen und seiner Strafe zuzuführen. – Wie das – politisch vollkommenst unkorrekt – in einer genialen Szene (Episode 5) zwischen Wagner, Reinsperger und dem großartig zynischen Jörg Witte (meinem Alter-Ego in der Handlung) aufgelöst wird, wollen Sie bestimmt auch nicht mehr vergessen!

Über allen stehen natürlich Justus von Dohnányi und Nils Strunk als Inkarnationen der gewissen- und skrupellosen Finanzjongleure. Ein Paar, dem die Fußstapfen von Michael Douglas und Charlie Sheen keinesfalls zu groß wären… da war für mich die Inspiration für das Drehbuch vielleicht etwas zu offensichtlich.

„Ich war auf dem G20. Da hat er mich verloren.“

Filmzitat

Aus der Tatsache, dass ein ehemaliger Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg im ganzen Film die einzige Person der Zeitgeschichte ist, die mit echtem Namen genannt wird, können Sie sich gerne ihren eigenen Reim machen. Eine „Entdeckung von nationaler Tragweite“… fürwahr!

Dass diese Serie pünktlich zum Launch des neuen @ZDF Portals erscheint, ist sicher kein Zufall, sondern ein geschickt geplanter Zeitpunkt. Respekt! Tatsächlich ist das Werk ein Hammer! Doch ob das durchschnittliche Publikum die Serie so goutieren wird, wie die unausweichlich feiernden Berufskritiker:innen? Ich weiß es nicht. Wir sind sowas einfach nicht mehr gewohnt. Vielleicht sind wir auch deshalb schnell überfordert?

Mir ist „Die Affäre Cum-Ex“ etwas zu lang geraten. Bei aller Ausführlichkeit, die das komplexe Thema verdient, ging mir, insbesondere im dänischen Teil der Geschichte, doch manchmal die Geduld verloren. Die dänisch-serbische Lovestory schien mir überflüssig. Auch weil sie, außer einer einzigen Person, in kaum einer Verbindung zum Rest der Geschichte stand. Aber das ist sicherlich auch der internationalen Zusammenarbeit geschuldet, ohne die ein solches Werk in Europa kaum zu realisieren ist.

Trotz alledem: So eine Serie ist im öffentlich-rechtlichen TV derartig selten, sie verdient es redlich, dass wir sie sehen. Und sie verdient es, gefeiert zu werden. Für die präzise recherchierte wahre Geschichte, für die großartigen Darsteller:innen, für ein überwiegend hervorragendes Buch (Showrunner: Jan Schomburg), für die ungeahnt großartige Produktionsqualität und für den Mut. Denn…

Auch wenn die vorgezogene Bundestagswahl einige der möglichen politischen Konsequenzen vorweggenommen hat, ist das Thema damit ja nicht aus der Welt.

Schauen Sie doch mal hier: https://www.finanzwende.de/themen/cumex

Dieser Beitrag erschien zuerst am 23.03.2025. Permalink: https://nexxtpress.de/b/bSG



TV-Serie, Deutschland, Dänemark, FSK: ab 12, Creator/Showrunner: Jan Schomburg, Drehbuch: Jan Schomburg, Astrid Øye, Pål Sletaune, Inspiriert von: Oliver Schröm, Christian Salewski, Niels Fastrup, Thomas G. Svaneborg, Regie: Dustin Loose, Kaspar Munk, Kamera: Clemens Baumeister, Laust Trier Mørk, Schnitt: Anna Nekarda, Jacob Thuesen, Claus Wehlisch, Musik: Markus Kienzl, Mit: Justus von Dohnányi, Nils Strunk, Lisa Wagner, Karen-Lise Mynster, David Dencik, Dia Jovanovic, Waj Ali, Lars Brygmann, Helle Fagralid, Bjarne Henriksen, Philippe Graber, Cornelius Obonya, Thomas Hwan, Fabian Hinrichs, Peder Thomas Pedersen, Kea Krassau, Stefanie Reinsperger, Timo Dierkes, Jörg Witte, Leon Ullrich, Lina Beckmann, Martin Wuttke, Thorsten Merten, und viele andere, Fediverse: @filmeundserien@a.gup.pe


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  1. Mediathekperlen

    Jan Freitag, dessen Film- & Serienkritiken in diesem Blog immer eine hohe Wertschätzung genießen, schrieb heute für #DWDL über „Die Affäre Cum-Ex“:

    „Cum-Ex war der größte Steuerraub der Geschichte, doch Hand aufs Herz: Wie das nun genau funktioniert hat, haben Sie bis heute nicht verstanden. Beim Verständlich-Machen des Unerklärlichen tut sich auch die ZDF-Serie schwer – und ist trotzdem unbedingt sehenswert.“

    „Die Affäre Cum-Ex“ – (…) ist bei allem Fatalismus doch ein humorvolles Plädoyer für Fernsehen mit Haltung über Themen mit Bedeutung voller Menschen mit Prinzipien. Es macht von der ersten Serienminute an hungrig auf mehr.“

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  2. Mediathekperlen

    Arabella Wintermayr mag die Serie nicht besonders. Sie fasst aber zum Ende ihrer Kritik für @tazgetroete den weitaus wichtigsten Sachverhalt ganz hervorragend zusammen:

    „Bei Veröffentlichung der „Cum-Ex Files“ blieb der große Aufschrei in den Sozialen Medien zunächst aus, stattdessen beschäftigte sich die Öffentlichkeit lieber mit einem Bild, das Politikerin Sawsan Chebli mit einer teuren Uhr zeigte. Womöglich, weil die bedeutenden Systemfehler selten mit einem Gesicht versehen, zu weit weg oder schlicht zu komplex sind, um einen ähnlichen Shitstorm auszulösen. „Die Affäre Cum-Ex“ ändert das, macht selbst komplexe Finanzvorgänge verständlich und den Skandal nachvollziehbar – aber ob das Publikum dieses Mal interessierter hinschaut, bleibt fraglich.“

    https://taz.de/Serie-Die-Affaere-Cum-Ex/!6075598/

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  3. @mediathekperlen Nachdem Christoph Waltz in die USA emigriert ist, haben wir im deutschsprachigen #TV noch einen anderen überragenden Darsteller psychopathischer Krimineller: Justus von Dohnányi. Also, vom Thema abgesehen, muss ich mir die Serie wohl anschauen. #CumEx

    Dass Mönner gerne mit ihrem Achtzylinder kopulieren wollen, habe ich immer vermutet. Auf die Darstellung bin ich gespannt.

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  4. @mediathekperlen Irgendwie kann ich das nicht sehen. Da werde ich richtig aggressiv. Leider ist das alles nicht wirklich Fiktion.

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    1. Mediathekperlen

      Ich kann dich sehr gut verstehen! Zum Aktivismus aufzurufen, ist eigentlich nicht die Mission dieses Blogs. Auch Petitionsplattformen gegenüber bin ich eher skeptisch. Doch wer all das mal für den Moment an die Seite legt, die Serie gesehen hat und deshalb das Bedürfnis verspürt, sich äußern zu wollen, findet in dieser Petition, gestartet von eben jener ehemaligen und ganz realen Kölner Oberstaatsanwältin, deren fiktive Version wir in „Die Affäre Cum-Ex“ kennengelernt haben, eine zielführende Möglichkeit dazu: https://weact.campact.de/petitions/cumcum-milliarden-zeit-ist-steuergeld

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  6. @mediathekperlen Danke für den Tipp! Schade, dass immer noch nicht angezeigt wird, ab wann und bis wann die Folgen verfügbar sind. Hast du Informationen darüber?

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    1. Mediathekperlen

      Nö, da habe ich auch keine Informationen drüber. Woher auch? Das @ZDF ist m.E. bemerkenswert verschlossen, was die Entwicklung der eigenen Plattform angeht. Das hätte ich vollkommen anders aufgezogen.

      Du kannst dir das Verfügbarkeitsdatum ausrechnen. Allerdings musst du dafür erst den Film starten, um dann auf das kleine „I“ (auf dem PC unten rechts, bitte frag mich nicht, wie das auf anderen Geräten aussieht!) im Player zu klicken und dann die Anzahl der Tage quasi auf dem Kalender zu zählen. Das ist Usability aus der Hölle und echte Enshittification!

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  7. @mediathekperlen und hier https://mediathekviewweb.de/#query=cum-ex geht es zum Download. 🙂

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  8. Mediathekperlen

    Eigentlich musst du mich das in sieben bis acht Jahren noch einmal fragen. Mein erster Eindruck entspricht tatsächlich dem, was ich geschrieben habe. Und ich denke, dass „wir“ uns in Zukunft an diese Serie erinnern werden. Ob das dann auch so kommt? Weiß ich natürlich nicht. 😉

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    1. @mediathekperlen Wenn wir so alt werden, frag’ ich nochmal! Wenn du mich heute fragst (nach vier Folgen), dann steckt in der Serie soviel an Klischees wie in Bad Banks. Aber vielleicht sind die Leute ja wirklich so? Kenn mich da nicht aus. Als Bildungsfernsehen seh ich das nicht. Ich hab max. nur die Hälfte verstanden. Bin da kein Maßstab, weiß ich. Aber gut anzusehen ist das ganze. Und wer damit anfängt, muss es auch fertig sehen. Danke, @ZDF!

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