Ich weiß ja nicht, ob sie etwa Aktien eines privaten TV-Veranstalters halten. Aber wenn sie welche haben, dann sollten sie jetzt ihre „Verluste realisieren“! Offensichtlich ist deren Verzweiflung ähnlich groß, wie bei den Kolleg:innen der Holzpresse, mit dem signifikanten Unterschied, dass von denen nur die allerwenigsten am Aktienmarkt gehandelt werden. Wie ich darauf komme?
Das ZDF bedroht das Geschäftsmodell der Werbung mit Spielfilmunterbrechungen
Die Herr- und Frauschaften des Werbefernsehens, hier Vaunet-Vorstandschef Claus Grewenig (RTL), sehen sich offensichtlich von den, vorwiegend amerikanischen, Streamingkonglomeraten – die inzwischen auch noch die Kaltblütigkeit haben, durch Werbung cofinanzierte Abomodelle anzubieten – schon so weit distanziert, dass sie nun tatsächlich durch öffentlich-rechtliche Mediatheken in ihrem Geschäftsmodell der Ausstrahlung von Werbung mit Spielfilmunterbrechungen eingeschränkt – und damit in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht werden.
Die sueddeutsche Holzpresse hat es hinter der elektrischen Paywall, doch der Onlinedienst DWDL hilft uns drüber: „Vaunet stört sich an US-Blockbustern in der ZDF-Mediathek “
Dieser Streit war vorprogrammiert: Seit Juli dieses Jahres ist es ARD und ZDF erlaubt, in ihren Mediatheken Filme und Serien anzubieten, die nicht nur aus Europa kommen. US-Serien und Filme beispielsweise. Dass das nun auch so gelebt wird, überrascht nicht. Die Politik hat den Öffentlich-Rechtlichen im Medienstaatsvertrag aber einige Grenzen gesetzt. So heißt es darin unter anderem, die entsprechenden Produktionen müssten einen Beitrag zu Bildung oder Kunst liefern. In jedem Fall müssen sie „in besonderem Maße zum öffentlich-rechtlichen Profil beitragen“.
(Timo Niemeier, DWDL, 07.11.2023)
Vierte Hand – Gut abgehangen, kann man(n) aber wohl noch anbieten
Von den Filmen, welche die Süddeutsche aufführt, hat es tatsächlich ein einziger auch unter die Mediathekperlen im Extradienst geschafft – unter „können sie sehen, müssen sie aber nicht“ anlässlich des 80. Geburtstages von Robert De Niro. Allen gemeinsam ist, dass sie das Hollywood-Popcorn-Genre repräsentieren, welches in ÖRR Programmen tatsächlich nur mehr in quasi homöopathischen Dosen vorkommt. Schauen sie auf die Erscheinungsjahre der Werke:
Men in Black 3 (2012), Black Hawk Down (2001), Universal Soldier – Die Rückkehr (1999), Cash Truck (2021), Hudson Hawk (1991) oder Immer Ärger mit Grandpa (2020) – alle Angaben ohne Gewähr.
Das ganze (wahre) Elend
Hierbei handelt es sich also offensichtlich um genau die Filmware, die tatsächlich das ganze Elend des Privatfernsehens repräsentiert. Alles ein Dutzend Mal wiederholt, auf allen Sendern – und dennoch immer noch gut genug um die Lücken zwischen den Werbeblöcken an einem späten Feiertagsabend zu füllen. Um nichts davon, würde ich kämpfen, damit es in einer ÖRR Mediathek vorgehalten werden kann. Kaum etwas davon ist für meinen bildungsbürgerlichen Filmkunst-Spießer-Horizont erweiternd.
„Black Hawk Down“ allerdings, den 22 Jahre alten, mit 2 Oscars belohnten Film von Ridley Scott, halte ich tatsächlich für einen äußerst – auch politisch – historisch und künstlerisch relevanten Film. Aber auch alles andere aus der kurzen Liste, und da bin ich dann beim ZDF, repräsentiert eben Inhalte die von dem Auftrag der „Grundversorgung“ und der Abbildung gesellschaftlicher Pluralität vollkommen hinreichend begründet sind. Es sind eben – der Filmgöttin sei Dank! – nicht alle so beknackt wie ich.
Ich bin ein großer Fan des Öffentlich-Rechtlichen-Rundfunks. Auch wenn ich mit – geschätzt – 90% seines Angebotes rein überhaupt nichts anfangen kann. Vieles davon, ist für mich, so überflüssig, wie manchmal ärgerlich. Aber für die 10% die senderübergreifend zusammenkommen, will ich nicht darauf verzichten. Und wenn ich mir, nach dem dritten Drink, am späten Sonntagabend noch einen alten Action-Reißer oder einen US-Kriegsfilm über Angola ansehen möchte, dann möchte ich dass auch tun können – ohne von Werbung genötigt zu werden. Nicht an jedem Sonntag. Aber dann, wenn es eben zufällig mit dem Programm in der Mediathek zusammenpasst.
Das Problem des VAUNET
Das Problem ist ja nicht, dass ich in der Zeit kein Privatfernsehen schaue. Das mache ich eh‘ nur seltenst, und wenn, dann vor allem die 22:00 Schiene bei Comedy Central. Das Problem ist, dass dem VAUNET einfach nicht gelingen wird, mit seinen eigenen – kostenpflichtigen – Streamingangeboten gegen die globalen Platzhirsche zu bestehen. Schon mal unter gar keinen Umständen mit Ware in der Dritt/Viert/Fünftverwertung wie die erwähnten Beispiele im Beitrag der Süddeutschen Zeitung. Menschen, die etwa ein Netflix/Disney/Prime Abo haben, können nämlich all die benannten Beispiele ohnehin abrufen wann immer sie wollen… und wer Netflix schaut, schaut eben auch kein RTL/Pro7/Sat1 – und ganz sicher auch kein RTL+, Joyn oder wie sie sonst auch heißen mögen.
Hat das Privatfernsehen überhaupt eine Zukunft?
Nicht die ÖRR oder ein paar Filme aus Hollywood sind das Problem für den VAUNET, sondern Medienkonzerne, die global und auf weit mehr als den – im Vergleich kleinen und viel zu diversen – europäischen Fernseh- und vor allem Streaming-Märkten spielen und konkurrieren. Bertelsmanns und Berlusconis Erben werden da in meiner Lebenszeit nicht mehr konkurrenzfähig, so sehr sie auch auf ihre öffentlich rechtliche Konkurrent:innen schimpfen werden.
Es geht tatsächlich, dafür steht dieser Einwurf des VAUNET-Vorsitzenden, um den Kampf und das Überleben des Privatfernsehens – und seinem überkommenen und, inzwischen tatsächlich überflüssigen, Geschäftsmodell. So sehr wie die ÖRR auch stümpern mögen, sich der Onlineverfügbarkeit zu öffnen, so wenig stehen sie aber, anders als die Privaten, in Konkurrenz zu Streaming-Plattformen. Auch wenn Frau Strobl (ARD) und ihre Adlaten das beständig behaupten. So wenig sind sie deshalb durch diese zu ersetzen. Und das ist ihr Daseinszweck.
Wäre ich allerdings CEO eines Privatfernsehveranstalters, dann würde ich mich mit der Holzpresse oder mit dem Schicksal der Videotheken beschäftigen. Aber das kennen sie nicht mehr. Dafür waren sie vermutlich noch zu jung. Nur zur Erinnerung: Netflix hat in seinen Anfangstagen DVDs per Post verschickt. Da hat Leo Kirch noch gelebt und bei Premiere bereits viel Geld verbrannt. Darüber würde ich dann doch noch mal 10 Minuten nachdenken…
Und jetzt möchte ich gerne bis Weihnachten eine 24teilige Bogart/Cagney-Retrospektive sehen. Gibt es die auf RTL+?
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