Wie soll ich einen Film besprechen, der die Vorbereitung zu dem monströsen Menschheitsverbrechen des Holocaust zum Gegenstand hat? Kriterien, die an einen (auch historischen) Spielfilm anzulegen wären, versagen hier einfach. Und eine nüchterne Dokumentation ist das hier sicher auch nicht. #NiemalsVergessen!
Ein Mensch muss sich diese Verfilmung des Protokolls der „Wannseekonferenz“ von Matti Geschonneck schon wirklich ansehen wollen, denn ihn zur Gestaltung eines individuellen Abendprogramms einfach zu konsumieren, funktioniert einfach überhaupt nicht. Und das muss so sein. Deshalb empfehle ich sich darauf vorzubereiten und es bei geschärftem Bewusstsein eben doch zu tun!
Eigentlich bin ich nur durch Zufall darauf gestoßen, dass der Film von 2022 noch immer (wieder?) in der ZDF-Mediathek verfügbar ist, habe ich doch heute Morgen erst auf ein anderes Werk des Regisseurs hingewiesen. Und erschüttert bin ich, wie relevant dieser Film gerade angesichts der tagespolitischen Verwerfungen wieder geworden zu sein scheint. Denn es ist wirklich notwendig, dem „Unwort des Jahres“ einen historischen Kontext hinzuzufügen.
Der Film „Die Wannseekonferenz“ verlangt unseren Zuschauerinnen und Zuschauern viel ab, mehr als bei dokumentarischen Darstellungen: Sie müssen es aushalten können, diesen Männern mit ihrer entmenschlichten bürokratisierten Sprache zuzuhören, ihrem Streit um Kompetenzen und Zuständigkeiten im Vernichtungsapparat zuzusehen. So soll der Film vor Augen führen, wie ein verbrecherisches System Millionen von Menschen auf Zahlenreihen in einem monströsen Mordplan reduzierte.
Es ist, was es ist: Die wiederholte Verfilmung des einzigen existierenden Protokolls jener Konferenz am 20. Januar 1942, auf welcher deutsche Bürokraten einen industriellen Völkermord vorbereitet haben. Und das mit einer Demonstration der deutschen Kerntugend: „Effizienz“. Der ultimative Horror dieser „Tugend“ ist in dem Film natürlich als Subtext vorhanden, wir, die Zuschauer:innen wissen ja davon – doch beschränkt er sich darauf – mit aller perfiden deutschen Nüchternheit – nachzuerzählen, wie es erst dazu gekommen ist.
„Die Banalität des Bösen ist die seelenlose Bürokratie einer Diktatur, die Herrschaft der Niemande.“
„Wer dann – wie wir heute – aus dem Kino auf die Straße tritt oder im Fernsehen die Nachrichtensendung im Anschluss ansieht, bemerkt: Für einen irritierend langen Augenblick kommt einem die eigene vertraute Sprache unvertraut vor. Man misstraut ihr. Es beunruhigt, dass das Verwaltungsdeutsch, das im Film gesprochen wird, sich derselben Worte bedient, die man auch im Hier und Jetzt, auf der Straße oder im Fernsehen hört.“
Heute, der Film, den wir sehen sollten!
#NiemalsVergessen
Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am 20.01.2024.
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Fernsehfilm, Deutschland, 2022, FSK: ab 12, Regie: Matti Geschonneck, Drehbuch: Magnus Vattrodt, Paul Mommertz, Produktion: Friederich Oetker, Reinhold Elschot, Kamera: Theo Bierkens, Schnitt: Dirk Grau, Mit: Philipp Hochmair, Johannes Allmayer, Maximilian Brückner, Fabian Busch, Jakob Diehl, Godehard Giese, Peter Jordan, Arnd Klawitter, Frederic Linkemann, Thomas Loibl, Markus Schleinzer, Simon Schwarz, Rafael Stachowiak, Lilli Fichtner, Frederik Schmid
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