Götz George – Nacht ohne Morgen (2011)

Er war vielleicht der größte deutsche Schauspieler meines Lebens. Da kann ich mir nicht helfen. Das Urteil steht. Auch wenn ich natürlich nur deshalb noch auf der Welt bin, um jeden Tag dazu zu lernen. Doch auf Götz Georges Filmwerk zurück zu schauen, heißt eben bewundern und staunen.

Bild: WDR / Erik Lee Steingroever

Es ist eine durchaus sentimentale Rückschau. Sentimental vor allem deshalb, weil nach George noch keine:r gekommen ist, dessen pure Anwesenheit in einem Fernsehfilm, diesen zu einem Ereignis macht, wie er es vermochte. Präsenz ist der Schlüssel. Und der Dienst des Schauspielers an der Geschichte.

Der Götz-George Fundus der ARD ist riesig und über diesen Griff in das Archiv bin ich deshalb besonders glücklich. Auch weil dieser Film zum Spätwerk des Berliners gehört. Denn je älter dieser Schauspieler wurde, desdo intensiver, ja unvergesslicher wurden seine Rollen. Vermutlich auch, weil ihm die Rollen mehr und mehr auf „den Leib“ geschrieben wurden und er längst nicht mehr „alles“ spielen musste.

Regisseur Andreas Kleinert und George kannten sich sehr gut. Ihre Zusammenarbeit geht zurück bis in das Jahr 2000, wo sie in der Tatort-Spin-Off-Serie „Schimanski“ schon einige Folgen gemeinsam gedreht haben. Das war sozusagen der Einstieg in das Spätwerk und nocheinmal ein epischer Abschied für den Tatort-Kommissar, der noch nicht bereit genug war, sich mit der WDR-Frührente zur Ruhe zu setzen.

Wie sehr dieses „sich gut kennen“ und, vor allem, „sich vertrauen“ für George wichtig war, können wir seinen späten Filmen sprichwörtlich ansehen. So auch in „Nacht ohne Morgen“…

Und mitten drin in diesem brutal zärtlichen, psychologisch schonungslosen Drama, das die Richtlinien des öffentlich-rechtlichen Konsensfernsehens weit hinter sich lässt: Götz George in seiner vielleicht größten Rolle seit „Der Totmacher“ von 1995. Still, präzise, rigoros arbeitet er sich hier als Todgeweihter ins emotionale Zentrum des Films vor. Am Ende wird sogar geweint, Erlösung aber gibt es nicht. Die Tränen, die hier fließen, tun weh.

(Christian Buß, Spiegel-Online, 30.11.2011)

Was nicht fehlen darf, in dieser ultimativen Hymne auf den Film ist aber auch der hervorragende Cast. Neben der Weltschauspielerin Barbara Sukowa, die noch mehr als George, trotz inzwischen 50 Jahren auf der Bühne und im Film, immer verstand niemals zu einem gewohnten Fernsehgesicht zu werden, sondern nur wenige, dafür aber immer erinnerbare Rollen anzunehmen. Der viel zu früh verstorbene niederländische Theatergigant Jeroen Willems in seiner letzten deutschen TV-Rolle und die junge Fritzi Haberland, alle schon nur für sich ein Geschenk an jeden Regisseur.

Ganz, ganz, großes „Kino“ ist das alles. Auch wenn es „nur“ ein TV-Film ist. Ein Beweis der Fähigkeiten und des ultimativen Daseinszwecks unserer öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten. Das System kann es, grundsätzlich.

Wir müssen es nur wollen.


„Nacht ohne Morgen“ – in der ARD Mediathek bis 23.07.2024

TV-Film, Deutschland 2011
FSK: ab 12
Regie: Andreas Kleinert
Drehbuch: Karl-Heinz Käfer
Produktion: Sonja Goslicki
Musik: Daniel Dickmeis
Kamera: Johann Feindt
Schnitt: Gisela Zick
Mit: Götz George, Barbara Sukowa, Fritzi Haberlandt, Jeroen Willems, Sven Hönig, Godehard Giese, Wolfgang Michael, Horst Rehberg, Ute Lubosch, Moritz Berg, Henning Peker


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