„Das Beste am Norden“, da leg’ ich mich fest, ist Bjarne Mädel als Kriminalhauptkommissar Sörensen. Die Figur, die der Hamburger gemeinsam mit Autor Sven Stricker für den NDR entwickelt hat, hätte auch die große Leinwand verdient. Denn die Menschen sind echt, die Themen sind ernst, die Landschaft ist alles andere als postkartenschön, und dennoch, müssen wir sie lieben.
Ich habe Sven Stricker nie getroffen, jedenfalls, so ich mich erinnern kann. Und das, obwohl wir zur gleichen Zeit an derselben Uni studiert haben. Doch kurios wäre das schon gewesen. Denn seit ich als Ruhrgebietskind das erste Mal in Cuxhaven über den Deich geklettert bin, und dort auch zum ersten Mal das Meer gesehen habe, bin ich sozusagen Gemütsostfriese. Seit dem ist die Nordseeküste mein Sehnsuchtsort. Wie sich das bei Stricker verhält, weiß ich natürlich nicht. Unwahrscheinlich, dass Essen für ihn etwa ähnliche Gefühle auslösen würde.
Jedenfalls kennt er sich dort, wo er herkommt (Tönning, Nordfriesland), sicher besser aus, als ich, der Tourist. Und auch sein Ostfriesland sieht eher nicht so aus, wie uns ein ganz eigenes Untergenre der deutschen Regionalkrimis gewöhnlich glauben machen will. Das Leben kann da nämlich schon mal ganz schön hart und auch richtig scheiße sein.
Sörensen ist eine eigene Liga im deutschen Krimi. Und deshalb passt die Figur auch so gut zu Bjarne Mädel. Der ist dasselbe. Seine eigene Liga.
Vier Romane hat Sven Stricker inzwischen über Sörensen veröffentlicht. Zwei davon hat Mädel als Regisseur und Hauptdarsteller inzwischen verfilmt. Beide arbeiten dabei im ähnlichen Rhythmus. Danach wäre mit einem neuen Film, wenn es denn einen gibt, wohl nicht vor dem Ende dieses Jahres zu rechnen, oder auch früh im nächsten. Ob es einen geben wird, ist mir allerdings nicht bekannt.
Sehen Sie in einer der weiteren Stricker-Romane Potenzial für einen dritten Sörensen-Film?
Ich habe alle gelesen, und ja, es gibt eine sehr, sehr verrutschte Sexszene zwischen Jennifer und Sörensen. Die wäre es auf jeden Fall wert, noch verfilmt zu werden. Andererseits denke ich aber auch, dass ich, gesetzt den Fall, dass ich nochmal Regie führe, das nicht unbedingt in dem Genre Krimi machen muss.
Bjarne Mädel (Interview mit TV Digital, 10.10.2023)
Ich feiere Bjarne Mädel ja für so ziemlich alles, was er macht. Das liegt sicher auch daran, dass er sehr wählerisch in der Auswahl seiner Stoffe ist. Und ganz ebenso hat er auch in der Vergangenheit schon entschieden aus erfolgreichen Serien auszusteigen, weil ihm die Produktionsbedingungen in der öffentlich-rechtlichen Contentfabrik nicht mehr gepasst haben. So etwas kann ein:e Freiberufler:in sich ja eigentlich nur leisten, wenn er/sie wirklich gut ist, und deshalb auch sonst ein volles Auftragsbuch hat. Schauspieler:innen sind das grundsätzlich. Also, freiberuflich beschäftigt, oft prekär, mit Künstlersozialkasse und so… So gut wie Mädel sind allerdings nur ganz, ganz wenige.
Hoffen wir, dass diese Bedingungen für Sörensen, für Mädel, Stricker und den Norddeutschen Rundfunk noch lange passen. Für mich haben die Romane von Stricker durchaus das Niveau der Kurt Wallander Geschichten von Henning Mankell. Warum sollte seine, jetzt schon multiple preisgekrönte Filmreihe nicht eine ähnliche kulturelle Relevanz erreichen können? Wallander und das schwedische Fernsehen hatten dafür rund 20 Jahre Zeit. Da stehen die Norddeutschen gerade am Anfang.
Heute Abend gibt es die ersten beiden Sörensen-Filme in der Primetime bei ONE, dem Abspielkanal der ARD, dessen vornehme Aufgabe es ist, durch zeitige Wiederholungen die Mediathekverfügbarkeit der gezeigten Werke sicherzustellen. Im Anschluss folgt ein Film aus der „Sherlock“ Reihe mit Benedict Cumberbatch. Das passt. Augenhöhe. Eben.
Krimi (Reihe), Deutschland, 2021, 2023, FSK: ab 12; Regie: Bjarne Mädel, Drehbuch: Sven Stricker, Produktion: Jakob Claussen, Uli Putz, Musik: Volker Bertelmann, Kamera: Kristian Leschner, Schnitt: Benjamin Ikes
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