Charly Hübner, Lars Jessen – „Mittagsstunde“ (2022)

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Charly Hübner, Jan Georg Schütte (hier in einer Nebenrolle) und Regisseur Lars Jessen sind ein Triumvirat das in meinem Fernsehherzen einen ganz besonderen Platz einnimmt. Und diese Produktion ist ein weiterer funkelnder Edelstein ihrer gemeinsamen „Florida Film“ Produktionsgesellschaft. Und das nicht nur, aber auch, weil sie so „platt“ daherkommt.

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Für mich ist es, in mehrfacher Hinsicht, ein „Heimatfilm“. Denn selbst als mit Emscherwasser getauftes und deshalb ewiges Kind des Ruhrgebiets (Gelsenkirchen-Horst), ist Plattdeutsch eine Sprache, die sich wie „Zuhause“ anfühlt. Das liegt zuvorderst natürlich an meinen Großeltern väterlicherseits, die ihr ganzes Leben in und im Speckgürtel von Hamburg gelebt haben. Und dass die beiden, eigentlich durchaus zu einem gepflegten Hochdeutsch fähig, immer dann, wenn sie es miteinander zu tun hatten, eben Plattdeutsch gesprochen haben.

Das nimmst du als Kind einfach auf. Das geht nicht mehr weg. Das bleibt.

Vaddern hat die Sprache leider nicht weitergereicht. Wie auch? Als Wirtschaftsmigrant im Ruhrgebiet blieb ihm nichts anderes als die Assimilierung. Und so bin ich dreisprachig aufgewachsen: Hochdeutsch zuhause, Ruhrdeutsch auf der Strasse und Plattdeutsch bei Oma und Opa in „Hamburch“.

Und so ähnlich gehts auch „Ingwer Feddersen“, der Hübner Figur in „Mittagsstunde“. Sprache ist Heimat und Identität. Das gilt um so mehr, wenn ein Mensch die Heimat verlassen und sich einer neuen, anderen Kultur anpassen muss, um in ihr zu überleben.

Zunächst scheint dieser Film ein recht vorhersehbares Werk zu sein. Ein Mann, Single, Universitätsprofessor in der Landeshauptstadt, nimmt sich ein Sabbatical, um seine alten Eltern in der Provinz zu pflegen. Dieses, von der Realität geschriebene Sozialdrama, könnte so oder ähnlich wirklich überall in Deutschland spielen.

Doch dieses Familiendrama, nach einem Bestseller von Dörte Hansen (2018), nutzt „die Provinz“ und eben die Sprache als ganz elementares (Stil-) Mittel und zu weit mehr, als nur norddeutscher Folklore. Denn dass Jessen und Hübner den Feddersen immer dann die Sprache seiner Kindheit sprechen lassen, wenn er es mit seiner Familie (und alten Freund:innen) zu tun hat, erzeugt und verstärkt natürlich den Kontrast und den ständigen Spagat zwischen den Kulturen in denen dieser sich bewegt.

Für mich ist seine Sprache hier ein Ausdruck von besonderer Intimität und Vertrautheit, der für aussenstehende kaum zu ermessen ist, wenn sie selbst nur „einsprachig“ aufgewachsen sind. Wenn Sie das aber kennen, dann fühlen Sie das. Als hochdeutsche Inszenierung ist es tatsächlich ein anderer Film! (Sie können das selbst nachprüfen, denn die Mediathek gibt ihnen die Wahl.)

Es ist, tatsächlich, ein großes Familiendrama, dessen Komplexität sich dem Publikum erst nach und nach erschließt. Mehrere Zeitebenen und ein präziser Blick in die ländliche Entwicklung um eines vermeintlichen Fortschritts willen, der Zeitgeist und die Kultur sind historisch akkurat inszeniert, lassen die Geschichte aber nie in eine verklärte Nostalgie abgleiten. Im Gegenteil, geben sie dem Drama doch eine eigene Wahrheit und damit eine Dimension, die weit über die individuelle Familie des Protagonisten und ihrer Einzelschicksale hinaus geht.

Für mich ist „Mittagsstunde“ eine der bisher wirklich herausragenden Filmproduktionen dieses Jahrzehnts. Auch, weil ich das persönliche Drama des Ingwer Feddersen gerade selber (er)lebe. Da ist es eine universelle Geschichte, der wir uns alle stellen müssen. Denn das Alter holt uns (und unsere Eltern) irgendwann alle!

Brinkebüll is överall!

„Veel Glück…!“



Drama, Deutschland, 2022, FSK: ab 12, Regie: Lars Jessen, Drehbuch: Catharina Junk, Musik: Jakob Ilja, Kamera: Kristian Leschner, Schnitt: Sebastian Thümler, Mit: Charly Hübner, Gro Swantje Kohlhof, Hildegard Schmahl, Peter Franke, Gabriela Maria Schmeide, Rainer Bock, Lennard Conrad, Dieter Schaad, Michael Lott, Julika Jenkins, Nicki von Tempelhoff, Jan Georg Schütte, Katinka Auberger, Jörg Pose, Esther Roling Peter Jordan, Carolin Spieß, Ulrike Bliefert, Stella Burr, Charlotte Crome, Tim Ehlert, Anne Müller, Sebastian Fräsdorf, Dagmar Leesch, Linus Hamelmann, Eylem Cetinöz, David Bredin


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