Ein Plädoyer für die Wahrheit – „Verleugnung“ (2016)

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Dieses sehenswerte Gerichtsdrama aus dem Jahr 2016 ist in seiner Natur ein Film über den Holocaust und über die Leugnung desselben. Und damit ist er so sehr in der Gegenwart verankert, wie in der Wahrheit seiner Geschichte.

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Filmtrailer 2016 / LEONINE Studios / YouTube

Wem der Name David Irving noch bekannt ist, denen ist vermutlich auch noch in Erinnerung, wie lange es gedauert hat, diesen international berüchtigten Revisionisten der Geschichte des Nationalsozialismus und Leugner des industriellen Völkermords vor Gericht und – nicht nur in Großbritannien – zur Verantwortung zu ziehen.

Das Gezeter des Holocaustleugners

Der Mann ist ein Provokateur – ein fliegender Händler für braunen Mist. (…) Der Prozess, den er Anfang 2000 gegen die US-amerikanische Universitätsprofessorin Deborah Lipstadt in London führte, ist ein weiteres Beispiel für sein doppeltes Spiel. Gewiss war es für ihn geschäftsschädigend, dass immer weniger Buchhändler seine aufwendig gestalteten, längst nur mehr im Eigenverlag veröffentlichten Biografien über Hitler, Goebbels, Himmler verkaufen wollten. Aber es geht ihm immer auch um den Aufruhr. Und so überzog er alle, die ihn öffentlich „Holocaust-Leugner“, „Rassist“ oder „Geschichtsfälscher“ nannten, mit Klagen, Lipstadt war nur eine unter vielen. Das britische Recht ist bei Verleumdung äußerst klägerfreudig. Davon profitierte Irving, denn am liebsten einigte er sich mit seinen „Verleumdern“ hinter den Kulissen, wobei Geld in eine Stiftung zugunsten seiner Frau und seiner Tochter floss. Als sich aber Lipstadt darauf nicht einließ und die Konfrontation auf großer Bühne suchte, sah Irving auch darin sofort seinen Vorteil.

Eva Menasse, Süddeutsche Zeitung, 17.05.2010

Diese wahre Geschichte für einen Film über den Prozess, den David Irving Anfang 2000 gegen die US-amerikanische Universitätsprofessorin Deborah Lipstadt in London führte, zu rekonstruieren, war eine anspruchsvolle Aufgabe nicht nur für den Regisseur Mick Jackson und seinen Autor David Hare. Denn galt es nicht nur, der historischen Authentizität, den niedergelegten Protokollen des Gerichtes, als auch den tatsächlichen Persönlichkeiten gerecht zu werden – um nicht selbst in den Verdacht der Vereinfachung oder gar Verfälschung der Wahrheit zu geraten.

„Es ist mein Erbe“, erklärte Rachel Weisz, die im Film die Historikerin und Holocaust-Forscherin Deborah Lipstadt spielt, über ihre Familie und ihr Jüdischsein. „Es ist ein Teil meiner kulturellen Identität.“, gegenüber dem Hadassah-Magazine 2016.

Gelöst haben sie diese enorme Herausforderung dadurch, sich eben so nah wie möglich an den Fakten zu orientieren, bis hin zu Aufnahmen im Vernichtungslager in Auschwitz. Das erforderte nicht nur von den Darsteller:innen Respekt, es reflektiert sich auch in ihrer Arbeit und macht den Film auch für mich zu einem sehr persönlichen.

Argumente sind wie Wachposten

„Verleugnung“ ist ein Plädoyer nicht nur für das bessere, sondern auch das vernünftig vorgetragene Argument. Daraus bezieht er seine Spannung und seine Aktualität. Der Film rückt ins Bewusstsein, wie essenziell es ist, eine Antwort zu wissen, wenn jemand etwa behauptet, dass die Zyklon-B-Konzentration in den Trümmern der Entlausungskammer von Auschwitz viel höher war als in den „angeblichen“ Gaskammern.

Barbara Schweizerhof, taz, 12.04.2017

In der Urteilsbegründung vor dem High Court of Justice in London, sprach Richter Charles Gray über David Irving: „Er ist ein rechtsextremer Pro-Nazi, Polemiker, Antisemit und Rassist, der sich mit Rechtsextremisten zusammentut, um den Neonazismus zu fördern.“

Der verlorene Prozess hat Irving zwar wirtschaftlich ruiniert, seinem Geschäftsmodell der Holocaustleugnung tat er jedoch zunächst kaum einen Abbruch. Seine Bücher und insbesondere internationale Vortragsreisen waren auch danach noch erfolgreich wie einträglich, bis diese 2005 durch seine Verhaftung, einen Prozess und eine folgende 13 Monate lange Haftstrafe in Österreich unterbrochen wurden.

Der Zocker mit dem Hakenkreuz

Schließlich entbehrt der Fall nicht einer gewissen Ironie: Ein Brite, der Zweifel am Holocaust äußert, wird ausgerechnet in dem Land eingelocht, das genau weiß, dass es ihn gab, aber sich jahrzehntelang wenig darum geschert hat.

Malte Herwig, Der Spiegel, 15.01.2006

Irving entschuldigte sich im Prozess in Wien für seine früheren Ansichten und widerrief die Aussagen, die ihn vor Gericht gebracht hatten. Ralf Leonhard zog in der taz damals das Fazit: „Mit David Irvings Widerruf haben die Neonazis eine Ikone verloren. (…) Vom ‚Gaskammermärchen‘ wird nun keiner mehr reden können.“

Irving erhielt in Österreich, Australien, Italien, Kanada, Neuseeland und Südafrika absolutes Einreiseverbot, in Deutschland wurde das seit 1993 gültige Einreiseverbot allerdings bereits zum 21. März 2013 aufgehoben.

Heute befindet sich David Irving als Pflegefall in medizinischer Obhut in Florida. Seine Bücher werden nach wie vor, überwiegend über das Internet, frei gehandelt und vertrieben.

Deborah Lipstadt hat seit 2014 den Lehrstuhl als Dorot Professor of Modern Jewish History and Holocaust Studies an der Emory University in Atlanta, Georgia inne. Sie wurde im Jahr 2023 vom Time Magazine zu einem der 100 einflussreichsten Menschen der Welt ernannt.

„Den Holocaust-Überlebenden und den Ermordeten würde ich Folgendes sagen: Ihr wurdet nicht vergessen, die Stimme eures Leids wurde erhört.“

Deborah Lipstadt, Filmzitat

Dieser Beitrag erschien zuerst am 11.11.2024.



Justizdrama, USA, Großbritannien, 2016, FSK: ab 12, Regie: Mick Jackson, Drehbuch: David Hare, Produktion: Gary Foster, Russ Krasnoff, Musik: Howard Shore, Kamera: Haris Zambarloukos, Schnitt: Justine Wright, Mit: Rachel Weisz, Tom Wilkinson, Timothy Spall, Andrew Scott, Jack Lowden, Caren Pistorius, Alex Jennings, Andrea Deck, Mark Gatiss


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