Jimmy Carter – „Der Rock-’n’-Roll-Präsident“ (2020)

3.8
(4)
„Wie kein zweiter US-Politiker begeisterte sich Jimmy Carter öffentlich für Popmusik. Mit Unterstützung von Stars wie Bob Dylan konnte sich der demokratische Kandidat bei den US-Wahlen 1977 gegen den Republikaner Gerald Ford durchsetzen.“

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Dokumentarfilme sind in diesem Blog etwa genauso selten, wie Musikfilme. Und politische Dokumentarfilme kommen hier eigentlich gar nicht vor. Bei ersteren liegt es oft an meiner mangelnden Aufmerksamkeit für das Genre. Bei letzteren häufig daran, dass die Zeit – und damit die Realität – einen Film schneller einholt, als ich ihn besprechen könnte.

Den Protagonisten dieses CNN-Dokumentarfilmes hat die Zeit allerdings schon so oft eingeholt, dass die tagesaktuellen Maßstäbe für ihn längst nicht mehr gelten. Weil er gestern, im hohen Alter von 100 Jahren, friedlich im Kreise seiner Familie verstorben ist, ist das ein mehr als guter Grund, diesen bereits vier Jahre alten Film von Mary Wharton noch einmal zu wiederholen.

Rock & Roll President” is fresh water in the middle of a desert. It’s a fun soulful documentary that’s rarely ever invasive, depicting the type of statesman we’re sorely missing today.  

Robert Daniels, RogerEbert.com, 03.01.2021

Jimmy Carter war vermutlich nicht nur der letzte amerikanische Präsident, der in einem Haus ohne Stromanschluss oder fließend Wasser aufgewachsen ist. Er war auch der erste Präsident, dessen Wahlkampf ich als 14-jähriger Teenager damals bewusst verfolgt habe.

Vielleicht war es vorbestimmt, dass ich zur selben Zeit vom Rock&Roll infiziert werden sollte. Vielleicht war es Zufall, dass ich zur selben Zeit die LPs von Smokie und Sweet an die Seite geräumt habe und stattdessen etwa Bob Dylan in meiner Heavy-Rotation aufgetaucht ist, der zu jener Zeit nicht nur tief in das Christentum abgetaucht ist, sondern wohl auch die besten Live-Performances seiner langen Karriere abgeliefert hat. Dafür dürfen Dylanolog:innen mich jetzt mit Steinen bewerfen, doch ich liebe das Live at Budokan“ (1978) Album über alles!

Carter, ein „One-Term-President“, hat seine Präsidentschaft lange überlebt. Sein eigentlich größeres Lebenswerk hat tatsächlich eigentlich erst begonnen, seit er sich aus der Tagespolitik zurückgezogen hat und zu einem Anwalt und Aktivisten universeller Menschenrechte, Friedensstifter und heftigen Kritiker der ihm folgenden Administrationen und dafür sogar – meiner Meinung nach hochverdient – mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.

„Rock & Roll President“ ist eine eindringliche und ergreifende Erinnerung daran, wie manche Dinge einmal waren und vielleicht nie wieder sein werden. Carter war allerdings ein Sonderfall: Wie viele seiner politischen Zeitgenossen hatten überhaupt von dem improvisierenden Pianisten Cecil Taylor gehört, den Carter einlud, im Weißen Haus zu spielen?

Und wenn Paul Simon, der bei Carters Amtseinführung 1977 spielte, sagt: „Vielleicht steht uns eine Zeit der Rechtschaffenheit und Würde bevor“, klingen seine Worte heute, angesichts der politischen Atmosphäre, die sie hat, auf eine ganz andere und etwas herzzerreißende Weise nach als damals.

Glenn Kenny, The New York Times, 10.09.2020

Für Menschen, die so alt sind, wie ich, ist der Film eine Reise in die Vergangenheit. Für all die jüngeren, die gegenwärtig erneut den absurden Alptraum amerikanischer Politik erleben müssen, ist er eine Gelegenheit zur Reflexion. Früher war sicher nicht alles besser. Doch einiges von dem, was uns seitdem verloren gegangen ist, hätte ich gerne bewahrt.

Danke, Mr. President!

Dieser Beitrag erschien zuerst am 29.09.2024, zum 100 Geburtstag von Jimmy Carter. Nach dem Tod des Präsidenten am 29.12.2024 wurde er geringfügig angepasst.



Dokumentarfilm, USA, 2020, Buch & Regie: Mary Wharton, CNN, Mit: Gregg Allman, Madeleine Albright, Tom Beard, Bono, Garth Brooks, Jimmy Buffett, Jimmy Carter, Rosalynn Carter, Rosanne Cash, Peter David Conlon, Michael Curry, John Dalton, Bob Dylan, Jim Free, Larry Gatlin, Tom T. Hall, Nancy Hunt, Chuck Leavell, Frank Moore, Willie Nelson, Nile Rodgers, Paul Simon, George Wein, Jann Wenner, Trisha Yearwood, Andrew Young …

Homepage: https://www.jimmycartermovie.com/


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  1. @mediathekperlen Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass auch das soziale Engagement von #JimmyCarter in dieser #FilmDoku gebührend gezeigt wird. Eine hervorragende Dokumentation seines sehr langen Lebens.

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  2. Mediathekperlen

    Gunnar Hinck kommentiert für @tazgetroete die „Routine-Nachrufe auf Jimmy Carter“: Der verkannte Revolutionär – 01.01.2025, 17:01 Uhr

    „Der Tod des Ex-Präsidenten wird in den Medien eher formelhaft abgehandelt. Dabei hat er gerade jenseits der großen Schlagzeilen Bleibendes geleistet…“ https://taz.de/Routine-Nachrufe-auf-Jimmy-Carter/!6056572/

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  3. @mediathekperlen

    Die Beiträge in den Nachrichtensendungen von ARD und ZDF heute wurden Carter in keiner Weise gerecht. Da hab ich echt mehr Tiefgang erwartet. Umso schöner, dass dieser Film nochmal läuft. Eine tolle, sehenswerte Doku. Angucken!

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    1. @qwertzalotl @mediathekperlen Das stimmt leider und ist zugleich unendlich frustrierend. Denn in diesem Fall, kann ja wirklich kein Mensch zur Entschuldigung anführen, von Carters Tod etwa überrascht worden zu sein. Angesichts der Zeit, die bis zu seinem Begräbnis noch bleibt, hat das deutsche Fernsehen wirklich etwas gutzumachen.

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      1. @rhrwllnrtr @mediathekperlen

        Am meisten frustriert es mich, dass wir als Zuschauer uns mit dieser schlechten Qualität offenbar abgefunden haben. Wenn ich abends durchs Programm zappe, finde ich Wiederholungen auf allen Kanälen gleichzeitig, True-Crime-Formate ohne Ende und immer gleiche überflüssige Polit-Talks vor. Langweilig! Investigative Infos gibts fast nur noch in der Anstalt oder beim Böhmermann (manchmal). Gucke fast nur noch die Spartensender und Konserven…

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      2. @rhrwllnrtr @mediathekperlen

        Zum dem Thema hab ich noch eine schöne Anekdote: Ich habe mehrere Jahre in einer 'Wissens'-Redaktion beim WDR gearbeitet. Die beiden Redakteure (ich war nur Freie) waren damals (Anfang/Mitte der Nuller-Jahre) Mitte 30 (jünger als ich) und kamen vom 'Spocht'. In einer Konferenz fiel der Name Carola Stern. Beide hatten noch nie (!) von der Dame gehört.
        Ehrlich, mich wundert die mangelhafte Qualität der Berichterstattung im ÖRR nicht!

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  4. @mediathekperlen Ich kann mich der Empfehlung für diese Doku über Jimmy Carter vollkommen anschließen. Und zwar auch für junge Menschen, denn hier wird u. a. eine USA gezeigt, die es so nicht mehr gibt. Und vieles andere gibt es auch nicht mehr. Und morgen wird er dann 100 und kann hoffentlich die erste Präsidentin mitwählen. Unglaublich.

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  5. @mediathekperlen

    Ich frage mich oft, wie die Welt wohl heute aussehen würde, hätte Carter (der hierzulande immer als Erdnussfarmer unterschätzt wurde) eine zweite Amtszeit bekommen. Vermutlich besser.
    Die Doku ist absolut sehenswert!

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    1. Mediathekperlen

      Ich sehe das ganz wie du, @qwertzalotl. Es führt eine gerade Linie von Reagan zu Trump und von Kohl zu Merz. Ich bin alles andere als ein politischer Nostalgiker, aber ich hätte die Alternative doch gerne erleben wollen.

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