In eigener Sache: „Established 2023“

Zwei Jahre. 24 Monate. 730 Tage. So lange gibt es diesen Blog – und das nur, weil ich eigentlich nur für mich die Mediatheken durchforstet habe, um Filme zu finden, die etwas riskieren. Filme, die weh tun, irritieren, begeistern, wütend machen. Filme, die nicht glatt gebügelt wurden, Filme für meinen ganz privaten Eskapismus. Ich schreibe darüber, weil sie mich beschäftigen. Weil ich etwas sehe, das nicht untergehen sollte im Strom der Flachware. Und weil ich glaube, dass Filmkritik viel mehr sein kann als Konsumberatung.

Als ich im Sommer 2023 den Mediathekperlen-Blog im Fediverse gestartet habe, war das ein Experiment. Kein Businessplan, keine Selbstvermarktungsstrategie. Nur ein Impuls: das Schreiben zurückholen in einen Raum, der nicht durch Werbung und Algorithmen bestimmt ist. Einen Raum, in dem gedacht werden darf, auch widersprüchlich, tastend, politisch, persönlich. Dass heute über 1600 Menschen den Beiträgen folgen, überrascht mich noch immer. Ich bin so unendlich dankbar. Und, ja, auch ein bisschen stolz.

Warum das ganze?

Die öffentlich-rechtlichen Mediatheken sind ein eigenartiger Ort. Auf den ersten Blick unübersichtlich, überladen, oft banal. Aber wer genauer hinschaut, entdeckt sie – die Risse im System. Filme, die aus der Zeit gefallen scheinen. Produktionen, die sich nicht einordnen lassen in die übliche Dramaturgie. Dokumentationen, die aus dem Rahmen fallen. Serien, die etwas riskieren und mehr wollen als nur Unterhaltung.

Ich habe angefangen, über diese Ausnahmen(?) zu schreiben, weil sie mich herausfordern. Weil sie Fragen aufwerfen, die über den Bildschirm hinausreichen. Warum berührt mich das? Was ist hier anders? Wem dient Gewalt? Wer darf sprechen? Wer ist nur Projektionsfläche? Und was erzählt der Film über das, was er verschweigt?

Was mir wichtig ist

Ich schreibe absolut nicht objektiv, sondern persönlich. Weil ich glaube, dass Filmkritik nur dann relevant ist, wenn sie Haltung zeigt. Ich bemühe mich um eine feministische, antikoloniale Perspektive. Ich versuche inklusive Sprache zu benutzen. Ich vermeide das generische Maskulinum, weil es Menschen ausschließt. Ich schreibe keine Inhaltsangaben, keine Filmempfehlungen, keine Werbetexte. Ich schreibe, weil ich etwas denke – und weil ich diese Gedanken öffentlich machen möchte. Ich schreibe und mache dabei jede Menge Fehler, auf die ich nicht stolz bin.

Manche Texte sind analytisch, andere essayistisch, manche nur wütend, andere zärtlich. Manche finde ich inzwischen eher doof. Aber sei es drum. Ich verweigere mich der Vorstellung, dass Filmkritik sich einer Form unterwerfen muss. Kritik muss subjektiv sein. Sie darf unbequem sein. Sie darf auch irritieren.

1644 Follower:innen – und jede:r einzelne zählt

Ich weiß: 1644 ist keine Zahl, mit der sich Social-Media-Manager:innen rühmen würden. Zum Influencer mit eigener TV-Show fehlt mir da noch eine Million, oder so. Aber im Fediverse bedeutet sie mir unendlich viel. Ich sehe, dass meine Texte gelesen werden. Dass sie geteilt, kommentiert und (selten) sogar diskutiert werden. Ich sehe: Das ist keine Einbahnstraße. Die Rückmeldungen sind klug, wach, respektvoll – auch (oder gerade) dann, wenn sie widersprechen.

Ich habe nie erwartet, dass dieses Projekt so schnell wächst. Und es ist schön, zu sehen, dass ich mit meiner Art zu schreiben nicht allein bin. Dass es ein Bedürfnis gibt nach anderer, manchmal tiefergehender, manchmal politischer, manchmal reflektierender Kritik. Und nach einem Raum, in dem Denken nicht sofort eingeordnet wird in Zustimmung oder Ablehnung.

Kritik als Widerstand

Ich glaube nicht an „objektive“ Filmbesprechung. Auch nicht an Rankings, Bestenlisten oder einen Kanon. Ich glaube daran, dass Kritik ein Möglichkeitsraum ist. Und dass dieser Raum immer politisch ist.

Ich schreibe gegen das Erzählen von oben. Gegen das Reproduzieren von Macht. Gegen Geschichten, in denen Gewalt als Plotdevice funktioniert, aber nie als Struktur reflektiert wird. Gegen Serien, in denen Männer drastisch leiden und Frauen in Schönheit sterben müssen. Gegen Ästhetiken, die Armut exotisieren, Rassismus ästhetisieren, Begehren moralisieren.

Ich schreibe, weil ich Kunst ernst nehme. Weil ich glaube, dass Filme Welten formen. Und weil ich mir eine Kritik wünsche, die das nicht nur benennt, sondern auch aushält – ohne moralischen Gestus, aber mit klarem Blick.

Warum das Fediverse?

Dass ich mit den Mediathekperlen für das Fediverse schreibe, ist ja kein Zufall, sondern Grund für diesen Blog. Ich wollte nie Teil jener anti-sozialen Plattformen sein, die Aufmerksamkeit zur Ware machen. Ich wollte keine Algorithmen, die entscheiden, welcher Beitrag überhaupt gesehen wird. Das Fediverse ist ein Raum, der langsamer tickt. Weniger effizient, vielleicht. Dafür aber aufmerksamer, respektvoller, offener für Zwischentöne. Es ist ein Netzwerk, das sich nicht in Besitz nehmen lässt – weil es dezentral ist, föderal, experimentell, kreativ und frei!

Besonders dankbar war ich deshalb dafür, dass auch Blogs endlich direkt Teil dieses Netzwerks werden konnten. Dass WordPress mit dem ActivityPub-Plugin von @pfefferle diesen Schritt ermöglicht hat, war – so empfinde ich es – wahrscheinlich einer der größten, vor allem aber einer der wichtigsten Entwicklungssprünge im Blog-Ökosystem der letzten Jahre.

Denn Blogs waren nach meinem Empfinden zu lange Orte des Rückzugs. Sie wurden still, abgeschlossen, oft nur auffind- und lesbar über RSS oder zufällige Links. Mit dem Anschluss an das Fediverse hat sich das verändert: Plötzlich sind Blogs nicht mehr isoliert, sondern verbunden. Nicht mehr nur Monolog, sondern Teil eines Gesprächs. Das verändert alles. Beiträge können kommentiert, geteilt, diskutiert werden – im viel größeren Netzwerk, nicht nur in der Blogosphäre. Und ich erlebe, wie viel lebendiger und dialogischer das Schreiben dadurch geworden ist. Es geht nicht mehr nur darum, etwas ins Netz zu stellen. Es geht darum, teilzunehmen. Und das fühlt sich an wie die Rückkehr einer alten Idee: Das Web, endlich wieder als Ort der Öffentlichkeit zu nutzen – auf eine solidarische Weise.

Was bleibt, was kommt

Ich habe keinen Redaktionsplan. Ich schreibe, wenn ich etwas zu sagen habe. Manchmal drei Texte an einem Tag, manchmal eine Woche lang gar nichts. Ich bin nicht professionell im Sinne von „kommerziell“, aber ich nehme mich ernst in dem, was ich tue. Ich lasse mich nicht bezahlen. Ich schreibe ohne Auftrag. Und das ist ein Privileg.

Vielleicht gibt es irgendwann ein kleines Zine, eine Sammlung ausgewählter Texte? Vielleicht endlich auch mal Gastbeiträge? Aber alles zu seiner Zeit. Wer Lust darauf hat, melde sich!

Danke! Danke! Danke!

An alle, die mitlesen, mitdenken, mitfühlen. Die liken, teilen, kommentieren, unterstützen und widersprechen. An alle, die Filme empfehlen, Links schicken, Archive durchforsten und korrigieren. Und an alle, die mir zeigen, dass Schreiben im öffentlichen Raum was verändern kann – auch im Kleinen. Als Versuch, Filme wieder als Denkräume zu begreifen. Als politische Praxis. Als persönliche Geste.

Und als Einladung. ❤️



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