Kasparov vs. Deep Blue – „Rematch“ (Serie, 2024)

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Eine Serie, wie ein großes Match. Ein Mensch gegen eine Maschine. Inszeniert als Psychothriller und wahres Gemetzel. Diese ARTE-Serie von Yan England könnte vermutlich das großartigste Fernsehen sein, welches Sie in diesem Jahr noch sehen werden.

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Von Schach verstehe ich nicht wirklich etwas. Ich kenne gerade einmal die Regeln und denke vielleicht zwei Züge im Voraus. Mit anderen Worten: Jedes nur etwas talentierte Kind könnte mich vermutlich schlagen. Und doch liebe ich das Spiel. Für das, was es ist. Denn seine Faszination liegt für mich in den Menschen, die es wirklich beherrschen.

Bobby Fischer war der erste Weltmeister meiner Kindheit, an dessen Spiele im Fernsehen ich mich noch erinnern kann. Abgelöst wurde er von Anatoli Jewgenjewitsch Karpow, der wiederum von Garri Kimowitsch Kasparow entthront wurde. Und dann kam Deep Blue.

Wie das neuntägige Match im Mai 1997 auf der 35. Etage des New Yorker Equitable Center am Ende ausgeht, ist bestens bekannt: Der Computer zwingt den Schachgroßmeister mit 3,5 zu 2,5 in die Knie. „Rematch“ bezieht seine Spannung stattdessen aus dem fortwährenden Nervenkrieg am und jenseits des Schachbretts, aus dem immensen psychischen Druck, unter dem beide Seiten in wechselnder Intensität stehen. So wie man kein Schachkenner sein musste, um bei „Queen’s Gambit“ die dramatischen Motive von Ambition und Selbstverwirklichung zu verstehen, braucht es hier kein Expertenwissen, um den Thrill der Anspannung zu spüren, der sowohl für Kasparow als auch für die IBM-Techniker mit jedem wichtigen Zug verbunden ist.

Torsten Zarges, DWDL, 18.08.2024

Wenn Sie mit dem Spiel und seiner Geschichte vertraut sind, dann erzähle ich Ihnen nichts Neues, wenn ich darauf verweise, dass seine besten Spieler:innen immer auch besondere Persönlichkeiten waren. Und wenn Sie das nicht wussten, dann sind die Links in die Wikipedia vielleicht tatsächlich geeignet, Sie hinabsteigen zu lassen, in den Abgrund von Ego und Intelligenz, Macht, Politik, Manipulation und Paranoia.

Eine Welt, ein Umfeld, Geschichten, wie gemacht für großes Drama.

Tatsächlich dreht sich die Story um den Kampf eines Schachgenies gegen einen der (damals) mächtigsten Weltkonzerne der Geschichte: die „International Business Machines Corporation“ (IBM) und deren Supercomputer, dem aufgrund seiner überragenden Rechenleistung schon vor 30 Jahren „künstliche Intelligenz“ unterstellt wurde.

Regisseur und Autor Yan England (Buch mit André Gulluni und Bruno Nahon) hat die 30 Jahre alte und umfassend dokumentierte Geschichte nicht nur als großes persönliches Drama des Garri Kasparov inszeniert, sondern auch als Kampf eines einzelnen Menschen gegen einen Großkonzern. Und dabei sind die Helden eigentlich gleichermaßen auf ganz unterschiedlichen Seiten des Kampfes zu finden.

Als Zuschauer:in finden Sie auf jeden Fall selbst dann einen Grund sich mit ihnen zu identifizieren, wenn Sie zuvor noch nie vor einem Schachbrett gesessen haben, aber dafür zB. wissen, was „Bruteforce“ oder auch nur ein „Blue Screen of Death“ ist.

Das Drehbuch ist stark, weil es keinen eindimensionalen Kampf „Gut gegen Böse“ erzählt. Denn nicht nur das Schachgenie aus Russland, auch seine Gegner, die Nerds, Schach und Computergenies hinter „Deep Blue“ haben einen gemeinsamen Gegner.

Es gibt kein gewalttätigeres Spiel, als Schach.

Garri Kasparov

Es ist so spannend, wie ein schnell geschnittener Actionfilm, wenn die Schachuhren nach jedem Zug umgeschaltet werden. Jeder Zug, jedes Manöver, ein Schlag. Statt mit Waffen oder Fäusten findet der äußerst brutale Kampf hier auf dem Brett statt – oder viel mehr in den Egos, den Köpfen und der Psyche aller Beteiligten.

Viereinhalb Stunden Lebenszeit investieren Sie in diese Serie. Das ist vielleicht mehr Fernsehen oder Streaming, als gut für ihr Sozialleben oder ihre Gesundheit ist. Aber Sie müssen ja nicht, so wie ich, einen ganzen Samstagvormittag bingen. Wobei ich mir sicher bin, dass daran fast kein Weg vorbeiführt, wenn Sie auch nur etwas vom Thema gefangen werden.

Die Menschheit hat eine Schlacht verloren.

Doch Aktien von IBM würde ich heutzutage eher nicht mehr kaufen.

Dieser Beitrag erschien zuerst am 05.10.2024.



Serie, Frankreich, Ungarn, 2024, FSK: 0, Regie: Yan England, Drehbuch: Yan England, André Gulluni, Produktion: Olivier Glaas, Musik: Gregoire Auger, Kamera: Jérôme Sabourin, Schnitt: Jean-Baptiste Beaudoin (4 Folgen), Xavier Sirven (3 Folgen), Mit: Christian Cooke, Sarah Bolger, Trine Dyrholm, Aidan Quinn, Tom Austen, Orion Lee, Donald Sage Mackay, Luke Pasqualino, Molly Harris


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6 Antworten

  1. Mediathekperlen

    Nachtrag: Zur sechsteiligen Serie bietet ARTE uns noch einen erweiterten Blick hinter die Kulissen der Serie in fünf Interviews mit den Machern und der Crew: Rematch – Blick hinter die Kulissen

    Und, wie wir es von ARTE gewohnt sind, schenkt es uns auch noch eine 55-Minuten Kurzbiografie des Weltmeisters und Oppositionspolitikers Kasparov: Garri Kasparow – Rebell und König des Schachspiels. Für mich hätte diese gerne etwas länger ausfallen können, denn an dem Punkt, an dem der politische Aktivist dann im Vordergrund steht, ist sie doch sehr schnell und nicht sehr ausführlich. Aber das ist durchaus Jammern auf hohem Niveau. 😉

    1. @mediathekperlen
      Das fehlte mir am Ende der Doku auch. Gerne auch mehr Serienempfehlungen von Arte. Ich fand z.B. Zimmer 108 genial.

      1. Mediathekperlen

        Puh, ja, @rosa, so viele Serien und so wenig Zeit. Gerade bei ARTE würde ich oft gerne sehr viel mehr sehen, als ich schaffe. Ich zeichne wirklich sehr viel auf. Am Ende ist es einfach eine Zufallsentscheidung, ob mich ein Thema triggern kann… und ob die Serie überhaupt noch verfügbar ist, wenn ich sie denn dann mal endlich gesehen habe.

        Wenn du etwas über „Zimmer 108“ schreiben möchtest, Her damit! Ich publiziere das wirklich sehr gerne! 😉

    2. @mediathekperlen Sorry dass ich Off-Topic frage, aber wie macht man solche embedded Links? Ich glaube, ich habe das zuvor nie gesehen.

      1. Mediathekperlen

        Kein Problem, @Komodore68! Die Antwort ist einfach: Dieser Fediverse-Kanal ist ja tatsächlich ein WordPress-Blog. Und da sind formatierte Links gar kein Problem. Das gilt im Übrigen für viele Fediverse-Plattformen. 😉

      2. @mediathekperlen Hey, danke für Deine Antwort, sie klärt, wie die Eingabe erfolgt.

        (Trotzdem ist mir nicht klar, welche Mastodon-Syntax das WordPress-Modul verwendet, um die embedded Links in die Troots zu packen. Da muss ich wohl noch etwas weiter googlen. 🤗)

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