„Bezirksmeister 82, Stamm, der Stolz von Leipzig…“ – Die Geschichte eines Boxers und seines letzten Kampfes, war die erste Zusammenarbeit von Peter Kurth mit Thomas Stuber. Ein großer Film über einen Mann, der in seinem Leben immer nur auf die Fresse bekommen hat. Mit dem besten Kurth aller Zeiten.
Wie viel unendliches Talent eigentlich in der deutschen Film- und Fernsehbranche steckt, wird leider von der Trostlosigkeit des Alltags viel zu oft verborgen. Dutzendware, oft seriell, auf Quote produziert, weil es ja das ist, was das Publikum angeblich sehen will. Mensch, was habe ich das über.
Doch es gibt sie ja. Die großen Filme. Jene, die ein Mensch nicht mehr vergisst. Und oft kommen diese von jungen Debütant:innen, wie Thomas Stuber, der mit „Herbert“ (2015) seinen ersten abendfüllenden Spielfilm vorgelegt hat und, wenn Sie mich fragen, dafür noch nicht einmal im Ansatz genug Filmpreise abgeräumt hat. Ganz größtmögliches Kino!
„Erst wenn man alles verliert, findet man etwas, für das es sich lohnt zu kämpfen.“
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Auch wenn, neben Herbert Stamm, der Hauptfigur, ein signifikanter Teil des Filmes in Boxhallen spielt, ist „Herbert“ ganz und gar kein Film über das Boxen. Wenn Sie hier einschalten, um dramatische Kämpfe mit ausgefeilten Choreografien und Zeitlupen von Großaufnahmen getroffener Fighter zu sehen, dann werden Sie eher wenig begeistert sein.
„Mein Co-Autor am Drehbuch, Clemens Meyer, und ich haben uns zu Beginn des Schreibens nur Gedanken über die Figur gemacht, mit der der Film beginnt. Botschaften, Krankheiten oder das Genre Boxerfilm haben da noch gar nicht reingespielt. Wir wollten zuerst eine Figur in all ihren Facetten haben. Und die macht es einem als Zuschauer am Anfang vielleicht nicht leicht. Ich bin aber überzeugt, dass nach den 109 Minuten niemand unberührt von Herberts Schicksal bleibt. Er ist einer, der ja zu Beginn des Films eigentlich schon nicht mehr an der Gegenwart teilnimmt, unter seinem Panzer aber ganz viele Schnitte hat.“
Doch wenn Sie sich auf die Geschichte des an ALS erkrankten Boxers einlassen können, dem, während ihm der Rest seines Lebens entgleitet, noch ein letzter Kampf bevorsteht. Wenn Sie es aushalten können, Peter Kurth dabei zu beobachten, wie, nicht nur sein massiger Körper, seine Stimme und sein Leben zerfallen, dann bleiben Ihnen am Ende nur mehr seine noch wachen Augen und seine Stimme vom Kassettenrekorder. Und das ist es, was bei Ihnen bleiben wird.
Wie sein Held gibt sich der Film nie der Trostlosigkeit hin. Ja, Herbert wohnt in einem verkommenen Altbau, ja, er streift durch ziemlich miese Gegenden. Aber Stuber und sein Kameramann Peter Matjasko bringen diese Welt zum Leuchten. Sie haben einen Sinn für die Schönheit von Nachtgestalten. Wer hätte gedacht, einen wahrhaft großen Kinomoment zu erleben, wenn sich ein todkranker Boxer in einem Leipziger Bumsschuppen die Birne wegsäuft, während im Hintergrund der Schlager „Amsterdam“ läuft?
Ich muss gestehen, dass „Herbert“ mich zu einem glühenden Fan von Peter Kurth gemacht hat. Ein Geständnis ist das, weil ich mir damit auch eingestehe, wie sehr ich diesen großartigen Darsteller vorher übersehen habe. Tatsächlich hat er sich ja nie unter Wert verkauft. Doch hatte das deutsche Fernsehen in der Regel nicht viel mehr als Nebenrollen in Serienware für ihn. Psychopathen, Ganoven und Kommissare gab er routiniert, souverän und lässig. Meistens war er viel größer, als seine Rollen.
So hat Kurth sich die Hauptrolle in „Herbert“ ebenso wie seinen Hauptkommissar im Polizeiruf 110, ebenfalls unter Regisseur Thomas Stuber, quasi jahrzehntelang selbst erkämpfen müssen. Und um zu ermessen, was für eine große Belohnung das auch für uns, sein Publikum, gewesen ist, müssen Sie ihn sehen!
Ein Champion!
Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am 11.12.2024.
Drama, Deutschland, 2015, FSK: ab 12, Regie: Thomas Stuber, Drehbuch: Thomas Stuber, Clemens Meyer, nach einer Vorlage von Paul Salisbury, Produktion: Thomas Kral, Undine Filter, Anatol Nitschke, Musik: Bert Wrede, Robert Seidel, Kamera: Peter Matjasko, Schnitt: Philipp Thomas, Mit: Peter Kurth, Lina Wendel, Edin Hasanović, Lena Lauzemis, Lola Liefers, Reiner Schöne, Kristin Suckow, Kida Khodr Ramadan
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