Der Däne ist, spätestens seit seiner Rolle als „Jaime Lannister“ in der Blockbuster-Serie „Game of Thrones“ (2011-2019), ein auch international hochgeschätzter Charakterdarsteller. Tatsächlich hätte er wohl auch einen großen Komiker in sich. Das deutet er in den ersten Szenen dieses Nordic-Noir-Dramas wenigstens an. Der Rest des Filmes ist allerdings ganz und gar nicht komisch.
Der Film weiß nicht wirklich so recht, was er sein möchte. Das überlässt seinem Publikum die Einordnung in ein Genre, macht es aber auch schwer, Maßstäbe anzulegen. Einfach jedenfalls ist er nicht. Dafür sorgt schon das Thema: Gewerbsmäßig organisierter, assistierter Suizid.
Farblosere Figuren als einen Versicherungsvertreter gibt es im Buch der Klischees vermutlich nicht viele. Vielleicht war genau das der Grund, für Nikolaj Coster-Waldau sie für dieses Drama überzustreifen. Die Antithese zu Lannister, gewissermaßen. Denn noch grauer und mit noch weiter runter hängenden Schultern haben wir ihn wohl noch nicht gesehen. Und er macht das richtig gut.
Auch der Film allerdings, lässt seine Schultern hängen, schlurft ziemlich vor sich hin und wird, vor allem immer dunkler. Ganz wie Norwegen im Herbst. Sie müssen das wirklich mögen, um sich dem freiwillig auszusetzen und diesen Film bis zum Ende zu sehen. „Nordic-Noir-Noir“, gewissermaßen.
Suicide Tourist (…) streift die Fesseln konventioneller Erzählmuster jedoch größtenteils ab und entpuppt sich als herausfordernd langsam dahingleitendes Mystery-Drama, das manche Dinge komplett im Vagen lässt. Nicht nur im durchgehend achronologischen Handlungsaufbau, auch in der surrealen Atmosphäre, die sich mit der Ankunft in der Exklusivherberge breitmacht, scheinen Parallelen zu den rätselhaften Arbeiten des Regieexzentrikers David Lynch auf.
Ich hätte mir mehr Tempo gewünscht, mehr Härte und vor allem, besser identifizierbare Antagonisten. Denn das „Böse“ nehmen wir hier zwar anhand der Figuren seiner ausführenden Kräfte wahr, doch deren Motivation (außer Geld) blieb mir völlig unklar.
Coster-Waldau, allerdings glaube ich seine Depression. Sein Charakter hätte alle Voraussetzungen gehabt, interessant zu werden. Auch wenn wir natürlich die Geschichten der „einsamen Helden“, die unheilbar erkrankt, nichts mehr zu verlieren haben, schon lange und fast viel zu gut kennen, gibt er der Figur sein eigenes Profil, kommt aber nicht dazu, etwas damit anzustellen.
Ich habe den Film trotzdem genießen können. Denn es war alles andere als Zeitverschwendung und atmosphärisch ein Gegenentwurf, zu dem, was wir aus Hollywood oder auch deutscher Fernsehproduktion so gut kennen. Filme, die meine Sehgewohnheiten herausfordern, haben diesen Kredit. Und wenn sie auch für das „Nordic“ Thema immer wieder so kreative – und in einigen Szenen durchaus überwältigende Bilder finden, dann kann ich das sogar genießen.
Vielleicht wäre „Suicide Tourist“ darum auch gar kein schlechter Kandidat für ein Remake? Wer sagt es Hollywood?
„Five“
Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am 03.02.2025.
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Drama, Dänemark, Norwegen, Deutschland, 2019, FSK: ?, Regie: Jonas Alexander Arnby, Drehbuch: Rasmus Birch, Musik: Mikkel Hess, Kamera: Niels Thastum,
Mit: Nikolaj Coster-Waldau, Tuva Novotny, Robert Aramayo, Jan Bijvoet, Solbjørg Højfeldt, Fediverse: @filmeundserien
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