„Ein visuell überwältigender, philosophisch komplexer Film über Glaube, Zweifel und das eigene Gewissen.“ schrieb Michael Meyns über Terrence Malicks letzten Film. Ein grandioser Antikriegsfilm in vollkommener Abwesenheit des Krieges. Über einen österreichischen Kriegsdienstverweigerer, hingerichtet von den Nazis am 9. August 1943.
Terrence Malick war zeit seines Lebens zuerst Philosoph und danach erst Filmemacher. Alles in seinem Werk dient einer Erkenntnis und erklärt seine Sicht auf die Welt und das Leben. Seine großen Bilder schaffen dafür einen Raum für sein Publikum und geben uns, als Zuschauer:innen die Mittel uns selber in den Geschichten zu erkennen. Für mich, ist das immer sehr persönlich.
Was hätte ich getan?
„Wie bedeutsam ist mein Widerstand, ja, was ist mein Leben wert, wenn es für den Lauf der Geschichte eigentlich keinen erwartbaren Unterschied macht?“
Als deutscher Mann, geboren in den 60er Jahren, unterlag auch ich der Wehrpflicht. Allerdings hatte ich, anders als die Jahrgänge vor mir, schon das Privileg nicht mehr durch eine „Gewissensprüfung“ vor einer Kommission des Kreiswehrersatzamtes um meine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer kämpfen zu müssen. Ein einfacher Brief hat genügt.
Dennoch, oder eben gerade deshalb, identifiziere ich mich mit jedem Menschen, der oder die einen obligatorischen „Dienst an der Waffe“ im Namen eines Landes, einer Ideologie oder gar Religion verweigert. Dass viele von ihnen dafür mit weit mehr als gesellschaftlicher Ächtung oder beruflichen Nachteilen, sondern mit ihrem Leben bezahlten, hat dazu beigetragen, dass Art. 4 Abs. 3 GG lautet: „Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.“
Wie ist das Gewissen zu erfassen?
Für Terrence Malick ist die wahre Geschichte des katholischen Bergbauern Franz Jägerstätter aus Oberösterreich ein Anlass, daraus eine metaphysische, fast sinnlich erfahrbare Auseinandersetzung zwischen Glaube und Religion, Staat und Familie, Gewissen, (Un-)Moral und Ideologie zu inszenieren.
Die Macht seiner Bilder ist nur eine überragende Eigenschaft der Werke dieses Regisseurs. Alle seine Filme kommunizieren nicht nur intellektuell mit seinem Publikum, sondern auch mit dessen Unterbewusstsein. Immer sind Geschichte, Sprache, Bilder und Musik eine mehrdimensionale Komposition. Diese Filme entstehen deshalb so eigentlich erst beim Zusehen und jede:r Zuschauer:in wird unter ganz individuellen Umständen jede dieser Dimensionen anders wahrnehmen können.
Auch wenn „Ein verborgenes Leben“ in ferner Vergangenheit spielt, ist es doch auch ein Film über das heute. Malick mag stets ein Regisseur gewesen sein, der mit filmischen Mitteln nach Transzendenz suchte, er war aber auch immer ein politischer Regisseur. Bedenkt man, in welcher Zeit dieser Film entstanden ist, in welchem Zustand sich gerade Amerika, aber auch viele andere Staaten der Welt befinden, ist es naheliegend, ihn auch auf die Gegenwart zu beziehen. Sich massenhaftem Widerstand anzuschließen ist leicht, dem eigenen Gewissen treu zu bleiben, schon viel schwieriger. Davon erzählt Terrence Malick in „Ein verborgenes Leben“, einem stilistisch und intellektuell überwältigenden Film.
Michael Meyns, Programmkino.de, 2019
Das Ensemble
Es ist ein riesiges Ensemble, welches vielleicht auch das am prominentesten zusammengestellt Mögliche der österreichisch/deutschen Gegenwart seiner Zeit war, welches wir hier sehen dürfen. Das war für die Authentizität der Dialekte der Sprache sicher hier und da eine Herausforderung und ein Kompromiss, beeindruckt aber in der Kompromisslosigkeit, mit der sich hier die größten Namen in den Dienst ihrer Rollen fügen. Niemals tritt dabei etwa ein Cameo-Verdacht in den Vordergrund – außer, ausgerechnet, bei Dieter Kosslick.
Dass es auch der letzte Spielfilm des großen Bruno Ganz war, gibt dem Film allerdings noch, über seine eigentliche Bedeutung hinaus, einen filmhistorischen Stellenwert, der nicht nur im deutschsprachigen Kino erheblich ist.
Ein österreichisch-deutscher Heimatfilm eines großen amerikanischen Filmkünstlers.
Drama, Deutschland, USA, 2019, FSK: ab 12, Regie: Terrence Malick, Drehbuch: Terrence Malick, Produktion: Elisabeth Bentley, Grant Hill, Josh Jeter, Marcus Loges, Musik: James Newton Howard, Kamera: Jörg Widmer, Schnitt: Rehman Nizar Ali, Mit: August Diehl, Valerie Pachner, Maria Simon, Karin Neuhäuser, Tobias Moretti, Ulrich Matthes, Matthias Schoenaerts, Franz Rogowski, Karl Markovics, Bruno Ganz, Michael Nyqvist, Wolfgang Michael, Johannes Krisch, Johan Leysen, Martin Wuttke, Waldemar Kobus, Sophie Rois, Alexander Fehling, Jürgen Prochnow, Dimo Alexiev, Ida Muttschlechner, Maria Weger, Aennie Lade, Mark Waschke, Felix Römer, Andro Sarishvili, Levan Khurtsia, Max Malatesta, Ermin Sijamija, Markus Schwarzer, Ulrich Brandhoff, Michael Steinocher, Leo Baumgartner, Maria Stadler, Oliver Pezzi, Alexander Radszun, Thomas Mraz, Dieter Kosslick, Bernd Hölscher, Christian Sengenwald, Johannes Nussbaum, Leo Kunz, Moritz Katzmair, Amber Shave, Barbara Stampfl, Johannes Gabl, Katja Lechthaler, Max Mauff, Monika Lennartz, Horst Saller
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