Mafia, Moretti, Mateschitz – Im Netz der Camorra (2021 / 2022)

2.7
(3)
Hätte ich die Spiegel-Kritik von Christian Buß damals nicht gelesen, hätte ich mich wahrscheinlich von dieser deutsch-österreichischen Produktion eher ferngehalten. Schon aus dem Grund, dass der Heimatsender des österreichischen Rechtspopulismus aus dem Imperium des verstorbenen Dietrich Mateschitz hier koproduziert hat. Red-Bull stinkt nach Gummibärchen. Geld aber nicht… Wie im Fußball. Sei es drum.
Antonia & Tobias Moretti (Bild: ZDF / Martin Rattini)

Der Titel dieses filmischen Mehrteilers lautete während der Dreharbeiten zur ersten Staffel „Il Pastore“ (Der Hirte), bevor er für das Fernsehpublikum zu „Im Netz der Camorra“ wurde. Klingt schon ein wenig nach Dominik Graf, oder liege ich falsch? Der „Arbeitstitel“ hat mir jedenfalls besser gefallen. Doch so weit weg von Graf ist das ganze hier auch nicht.

Der Staats-, Burg- und österreichische Nationalschauspieler Tobias Moretti gibt den „Mafia-Aussteiger“, der, selbstverständlich, von seiner Vergangenheit eingeholt wird. Dieses wirklich klassische Mafia-Film-Motiv kennen wir seit Al Pacinos „Godfather“ Trilogie nur zu gut. Doch die subtilere südtiroler Variante von Andreas Prochaska (2021) und Rick Ostermann (2022) gewinnt ihr durchaus neue Seiten ab.

So kommt dieses Schuld und Sühne Drama – überraschend, bei den Drehorten (und den Koproduzenten) – vollkommen ohne Ansichtskartenmotive aus und spielt vor der regionalen Backstory über die Industrie krimineller Weinpanscher und die Verwicklungen der italienischen Mafia. Ich habe nicht viel Ahnung vom Weingeschäft, aber für mich ist das sehr schlüssig hergeleitet.

Die Filme lassen sich nicht treiben, sondern nehmen sich Zeit für Entwicklung der Geschichte, bis zu den unvermeidlichen (und in der ersten Staffel besonders klaustrophobischen) Showdowns – die sich ebenso Zeit nehmen können. Das ist hier dann auch mal wieder als Qualitätskriterium zu werten. Und spannend!

Der Epilog der zweiten Staffel gibt sozusagen die Vorlage zu einer weiteren Fortsetzung. Dann aber (höchstvermutlich) mit einem Moretti weniger. Mehr will ich hier nicht verraten.

Vor allem die (sehr gelungene) Besetzung von Antonia Moretti, als Tochter sowohl des Hirten (Il Pastore) als auch des Hauptdarstellers, transportiert, eigentlich ja wenig subtil, aber dafür hier sehr überzeugend, die Botschaft, dass nur die wahre Familie, die Töchter und Mütter, es vollbringen können, sich von der Vergangenheit ihres Patriarchen und „dem Bösen an sich“ zu befreien.

Auch das ist ein klassisches Libretto der Mafia-Oper, das hier, für das Fernsehen in neue Schläuche abgefüllt, noch immer leidlich funktioniert.

Ob das jetzt ein großer Wein geworden ist, entscheiden sie selbst. Mir hat er, ganz anders als die österreichische Brause, durchaus gut geschmeckt. Neu erfunden hat der Film die Rezeptur des Genres jetzt nicht, die Schauwerte und Darsteller:innen bewegen sich allerdings immer auf (ungewohnt?) hohem Niveau.

Der erste Teil der Saga ist 2020 als 2-teiliger Film von insgesamt 180 Minuten erschienen, die Fortsetzung, „Der Gejagte“ (2022) musste sich dann deutlich kürzer fassen und kommt als Einteiler nur noch auf die Hälfte der Laufzeit. Das hat der epischen Geschichte leider nicht wirklich gutgetan.

In der ZDF-Mediathek wird ihnen das allerdings dramatisch als Mini-Serie in 4, für den ersten Teil, bzw. 2 Häppchen à 45 Minuten, für den zweiten Film serviert. Warum eigentlich? Reicht die gemessene Aufmerksamkeitsspanne der durchschnittlichen ZDF-Mediatheknutzer:innen nicht aus, um so lang auf ihr Smartphone zu glotzen? Oder ist es nur Marketing, weil sie einen Film in zwei Teilen dort nicht als „Mini-Serie“ an die Frau und den Mann bringen können?

Würden die Mainzer:innen die nächste Wiederholung von Coppolas „Der Pate dann wohl auch lieber als 6-Teiler zeigen?

Ich hoffe sehr, dass sie das nicht dürfen!



Thriller-Serie, Deutschland, Österreich, Regie: Andreas Prochaska, Rick Ostermann, Drehbuch: Ben von Rönne, Andreas Prochaska, Stefan Brunner, Kamera: Thomas Kiennast, Ralph Kaechele, Produktion: Moritz von der Groeben, Heinrich Ambrosch (ZDF, ServusTV), Mit: Tobias Moretti, Ursina Lardi, Fabrizio Romagnoli, Harald Windisch, Antonia Moretti, Precious Mariam Sanusi, Melika Foroutan, Lukas Watzl, Luca Filippi, Gerhard Liebmann, Katia Fellin, Nicolas Orzella, Sami Loris, Tea Falco, Max Malatesta, Katia Fellin, Gerti Drassl, Emre Cakir, Clara Wolfram, u.v.a.


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2 Antworten

  1. Avatar

    @mediathekperlen Danke für den Tipp! Den ersten Film habe ich gesehen und wenn ich mich richtig erinnere, hat er mir gut gefallen 😀. Moretti und Prochaska ist auf jedenfall ein Kombination, die für Qualität steht.

    Typisch öffentlich rechtlich, ist der erste Teil natürlich nicht in der Mediathek zu finden 🙄😀. Edit: erster Teil ab 27.5. Versteh einer die Programmplaner.

    1. Mediathekperlen
      Mediathekperlen

      @BlueTurtleAI, Ich habe nochmal nachgesehen. Du hast Recht, die erste Staffel ist zwar gelistet, aber verfügbar erst ab 27.05.2024! Das habe ich vor dem Posten übersehen. Sorry dafür! Und, liebes @ZDF, was soll denn das? Hätte es denn dafür wirklich keine bessere Lösung gegeben?