Joachim A. Lang – „Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“ (2018)

Was für ein Fest für Brecht-Nerds und Film-Nerds gleichermaßen. Die „Dreigroschenoper“ in der Version von Joachim A. Lang ist ein Film, den Sie gesehen haben müssen. Selbst wenn er über meinen Horizont beizeiten hinausging, konnte ich was lernen und wurde göttlich unterhalten.

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Filmtrailer 2018 / Wild Bunch Germany / YouTube

Selten kommt es vor, dass ich mir die Arbeit an einer Filmbesprechung eigentlich schenken kann, weil andere den Job schon so viel besser gemacht haben, als ich es vermocht hätte. Lesen Sie doch einfach in der Wikipedia, wenn Sie noch einen Grund brauchen, für diesen Film einzuschalten. Auch die opulente Beschreibung, die ARTE dem Werk zu seiner Free-TV-Premiere im Jahr 2020 geschenkt hat, ist noch immer online.

Es ist, was es ist. Ein Fest für die Sinne. Visuell wie intellektuell. Ein Werk, welches für die große Leinwand geschaffen, nur im öffentlich-rechtlichen Fernsehen weiterleben kann – und damit, ganz ohne Frage, in die Mediathekperlen gehört.

Tatsächlich werden Sie Darsteller:innen erleben, die hier einen Welthit – der seinen Dichter und seinen Komponisten schon vor hundert Jahren zu internationalen Popstars und wohlhabenden Männern gemacht hat – interpretieren, die Sie gerade noch im Tatort gesehen haben. Zur Erkenntlichkeit verändert. Ein Spaß, ein Faszinosum und eine ehrliche Rekonstruktion einer Geschichte mit den Mitteln des modernen Films.

Ich bin alles andere als ein Brecht-Experte. Das sind sicher die wenigsten von uns. Doch einer Frau, die für mich „Die Ballade von der sexuellen Hörigkeit“ singt, verfalle ich eben auf der Stelle. Deshalb habe ich Nina Hagen auch kurz vermisst, in diesem Film. Doch auch wenn kaum eine:r der vielen, vielen Darsteller:innen im musikalischen Theater erfahren waren, haben Sie ihr redlichstes getan, um den Liedern von Brecht/Weil gerecht zu werden.

„Weil diese Oper so prunkvoll gedacht war, wie nur Bettler sie erträumen, und weil sie doch so billig sein sollte, dass Bettler sie bezahlen können, heißt sie die Dreigroschenoper!“

Bertolt Brecht

Lars Eidinger, endlich einmal anständig frisiert, gibt den Bertolt Brecht. Er muss nicht singen, versucht es zwischendurch aber doch. Robert Stadlober als kongenialer Kurt Weill hätten Sie vielleicht nicht erkannt. Tobias Moretti kann eigentlich auch nicht singen, doch wir merken es ihm nicht an. Joachim Król… der arme Joachim Król. Es sind die Frauen, die aus dem Film eine Oper machen! Hannah Herzsprung, Britta Hammelstein, Claudia Michelsen (!!) vor allen anderen. Ich behaupte, Nina war stolz auf sie… oder wäre es gewesen. Überliefert ist es leider nicht. Jedenfalls ist, korrigieren Sie mich, wenn ich falsch liege, Max Raabe unter allen doch der einzige, der Musik als Haupterwerbsarbeit betrieben hat.

Für Joachim A. Lang, den ehemaligen Redakteur des SWR, Erfinder des Tigerenten Club in der ARD und ausgewiesener Bertolt-Brecht-Kenner, war „Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“ (2018) die Erfüllung und Krönung seines dem Dichter Brecht gewidmeten Lebenswerkes. Dass er dieses Projekt noch umsetzen konnte, bevor beim SWR jemand (angeblich – die SWR Justiziare sind natürlich dagegen vorgegangen) erkannt hat: „Nationalsozialismus und Drittes-Reich-Probleme seien nicht mehr aktuell“, grenzt, wenn nicht an ein Wunder, dann wenigstens an einen historischen Glücksfall für uns.

Denn, machen wir uns nichts vor: Solche Filme sind ohne die Beteiligung, Ressourcen und Unterstützung öffentlich-rechtlicher Sender in Deutschland nahezu unmöglich. Oder können Sie mir etwa nur eine „Filmfirma“ – öffentlich-rechtliches Fernsehen gab es damals noch nicht – nennen, die sich dieser Hardcore-Kritik an der Verfasstheit der Welt, unter besonderer Betrachtung der Unterhaltungsindustrie – angenommen hätte? In den letzten 100 Jahren hat sich daran eigentlich doch rein gar nichts verändert. Nach wie vor marschieren die Truppen und werden Bücher verbrannt. Anderswo ist überall!

Ein Film über einen Film über eine Oper. Es ist ein Meta-Ereignis. Brecht, in seinen eigenen Worten, der Rest ist Libretto und etwas Fantasie. Deutsche Geschichte, die vor 100 Jahren begann und heute noch zu uns spricht.

Großartig!

Dieser Beitrag erschien zuerst am 06.04.2025. Permalink: https://nexxtpress.de/b/c_L



Musical, Musikfilm, Deutschland, 2018, FSK: ab 6, Regie: Joachim A. Lang, Drehbuch: Joachim A. Lang, Produktion: Michael Souvignier, Till Derenbach, Musik: Kurt Schwertsik, Walter Mair, Kamera: David Slama, Schnitt: Alexander Dittner, Mit: Lars Eidinger, Tobias Moretti, Hannah Herzsprung, Robert Stadlober, Joachim Król, Claudia Michelsen, Britta Hammelstein, Meike Droste, Christian Redl, Peri Baumeister, Vilmar Bieri, Godehard Giese, Guido Lambrecht, Marcus Calvin, Mateusz Dopieralski, Rainer Laupichler, Robert Dölle, Hendrik Heutmann, Christian Hockenbrink, Markus Tomczyk, Raiko Küster, Max Raabe, Hanna Plaß, Jesse Albert, Fediverse: @3sat, @filmeundserien


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