Götz George – „Böse Wetter – Das Geheimnis der Vergangenheit“ (2016)

Wir haben den Film damals erst gesehen, da war er schon tot. Und irgendwie hatte ich nicht das Gefühl, dass wir ihm damit unrecht getan haben. Zu seinen Lebzeiten wäre es nur ein weiteres Provinzdrama, eben ein klassischer deutscher Fernsehfilm gewesen. Doch sein Tod hat aus diesem Werk auch unseren Abschied von Götz George gemacht. Schon dafür ist der Film es wirklich wert, nochmal gesehen zu werden.

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Filmtrailer 2016 / Polyband / YouTube

Für mich überlappt sich in der Geschichte des Films und der Geschichte des patriarchalen Bergwerksdirektors (Götz George), dem Motiv der Rückkehr eines Geophysikers (Matthias Koeberlin) an den Ort seiner Kindheit, den Harz, gleich genug aus meiner eigenen Biografie, dass ich vielleicht ein wenig die Distanz zum Film verloren habe.

Ich habe als Kind im Harz nur Urlaub gemacht, auf den Seen des Oberharzer Wasserregals in Buntenbock bin ich Schlauchboot gefahren. Als Sohn eines Bergmanns gehörte da die Geschichte des Ortes und der Region natürlich zu dem, was ich behalten habe. Und weil ich gerade darüber schreibe und ausrechne, wie lange es wohl her ist, seit dem ich das Bergbaumuseum in Clausthal-Zellerfeld besucht habe, liegt natürlich der Gedanke nahe, das nach vielleicht 50 Jahren nochmal zu wiederholen.

Doch das war Westdeutschland. Mein Vater und später auch ich waren als Bergleute vor Kohle im Ruhrgebiet. Also qualifiziert mich das jetzt auch nicht (viel) mehr, als (vermutlich) studierte Drehbuchautoren über den DDR-Silberbergbau im fiktiven Buchenrode (Harz) zu schreiben, wie er etwa im Film gezeigt wird. Atmosphärisch geht das in Ordnung. Mehr ist dem Publikum nicht wichtig. Die Erbsenzähler und Besserwisserinnen gehen mir schon nach jedem Tatort auf den Sack. Denn, wer keine Ahnung hat… Sie wissen schon.

Wenn ich aber verarscht werde, dann merk‘ ich das! Und das nehme ich persönlich. Der High-Tech-Roboter, den sie sich für den Film zur Erkundung eines alten Erzstollens haben bauen lassen, der hätte sich vermutlich schon am ersten größeren Stein festgefahren. Auch dieses Drama muss dem Publikum aber unbedingt erklären, was es sieht, statt es die Geschichte selbst erleben zu lassen. Und damit es was zu sehen bekommt, braucht es eben das Spielzeug.

Das ist eben Fernsehen, wie wir es auch kennen. „Man“ weiß ja angeblich genau, was „man“ dem Publikum zumuten kann, damit es nicht etwa in Notwehr zur Fernbedienung greifen muss.

„Die Stasi war fleißig“, sagt ausgerechnet ein Archivar zur Mitte des Films. Sonst hätten wir auch fast vergessen, dass wir „im Osten“ sind. Und spätestens zu diesem Zeitpunkt macht der ganze Film eine sprichwörtliche Wende und wird vom Silberbergbau-Freizeitpark-Rohstoffkapitalisten-Drama zum DDR-Stasi-Flucht-Familien-Drama, inklusive verleugneter, verheimlichter und verdrängter Kindheitsgeschichte des Protagonisten, bei konstanter Bergmannsnostalgie.

„Dass altes Unheil wie ein böser Fluch auf Leo, Buchenrode und der ‚Pyrit Bau‘ lastet, trieft aus jedem Pixel dieses Films. Dafür sorgen nicht nur die Flashbacks. Hier winkt ständig der Zaunpfahl. In Überfluss noch auf einen alten Gedichtband stoßen und zu unheilschwangerer Musik irgendetwas über irgendeinen ‚Wolf der Dämonen‘ lesen – reine Effekthascherei ohne tieferen Sinn. Glaubt Regisseur Johannes Grieser, dass ‚Das Geheimnis der Vergangenheit‘, so der Untertitel, umso geheimnisvoller und düsterer wird, je öfter man betont, wie geheimnisvoll und düster doch alles ist?“

Andreas Eberhard, Braunschweiger Zeitung, 05.10.2016

Trotz alledem, der alte George (76) ist es wert! Auch wenn er nur wenige Szenen hat, dominiert er natürlich jede, in der er erscheinen durfte. Allein ihn noch einmal, sei es auch nur sehr kurz, mit Gudrun Landgrebe zu sehen, seiner fantastischen Partnerin in dem legendären Thriller „Die Katze“ (1988) – einer meiner Lebenslieblingsfilme von Dominik Graf – ist wirklich Grund genug, dafür den Rest einfach in Kauf zu nehmen. Beide sind so großartig gealtert, wie das nur wirklich wenige schaffen.

Es war zum Schluss leider nicht das ganz große Kino, doch es war ein ehrenvoller Abschied für einen ganz Großen.

Glückauf!

Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am 07.04.2025. Permalink: https://nexxtpress.de/b/cj4


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Fernsehfilm, Drama, Deutschland, 2016, FSK: ab 12, Regie: Johannes Grieser, Drehbuch: Nicholas Hause, Michael Gebhart, Produktion: Michael Gebhart, Musik: Jens Langbein, Robert Schulte-Hemming, Kamera: Anton Klima, Schnitt: Esther Weinert, Mit: Matthias Koeberlin, Götz George, Catherine Bode, Liane Forestieri, Joachim Nimtz, Sven Kramer, Alexander Becht, Daniel Flieger, Gudrun Landgrebe, Alessia Gerke-Sulo, Alexandra von Schwerin, Claudio Schulte, Bernd Birkhahn, Rainer Reiners, Michael Tregor, Michael Hanemann, Ernst-Georg Schwil, Fediverse: @filmeundserien


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