Ein Gedankenexperiment: Nehmen Sie eine beliebige öffentlich-rechtliche Talkshow. Mir egal, ob Miosga, Lanz, Illner, Klamroth oder Maischberger. Das sind mehrere Stunden Sendezeit, jede Woche, gefüllt mit Gerede, das sich „journalistisch“ gibt, aber doch nur „Unterhaltung“ ist. Und nicht mal gute. Nun stellen Sie sich vor, diese Stunden ihrer Lebenszeit würden statt dessen von Menschen gefüllt, die nicht nur „was zu sagen“ haben, sondern sich wirklich „unterhalten“. Über Journalismus. Konzentriert. Seriös. Manchmal sogar intellektuell.
Ganz ehrlich: Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann wäre das ein Rundfunk, der mich gelegentlich überfordert. Bei dem ich merke, wie er etwas mit mir macht. Dass ich, wenn ich schon nicht unbedingt etwas lerne, nach einer Sendung trotzdem einige Dinge etwas besser verstehe – oder sogar anders sehe, als zuvor.
Stellen Sie sich vor: Gestern abend ist mir genau das, genau so passiert. Ich habe drei Leuten über eine Stunde lang konzentriert zugehört (& gesehen). Und das, ohne auf dem Second-Screen durchs Fediverse zu doomscrollen, meine RSS-Feeds nach neuen Meldungen zu durchsuchen oder zwischendurch umzuschalten, um herauszufinden, was ich auf den anderen Kanälen etwa verpasse.
Kommunikationswissenschaftlerin Nadia Zaboura und Politikjournalist Tilo Jung waren zu Gast bei @georgrestle und sprachen über eine Stunde lang, hochkonzentriert über Journalismus in Deutschland. Und was dabei entstand, war eine Stunde vom allerbesten Fernsehen, das Sie sich überhaupt vorstellen könnten. Wenn es denn „Fernsehen“ gewesen wäre.
Leider war es das aber nicht. Denn diese – wahrscheinlich inhaltsreichste – „Talkshow“ der Woche war gar keine „Talkshow“ und lief am talkshowfreien Montag nicht in der ARD (oder dem WDR), sondern ausgerechnet auf YouTube (und der Mediathek).
Das können wir jetzt für „smart“ halten, weil dieser Podcast zum zuschauen dort eine ganz andere Zielgruppe erreicht – also jedenfalls auf YouTube, weil dort der Algorithmus auch solche Inhalte dann und wann einmal in die Timeline von unbedarften aber interessierten Zuschauer:innen wie mir spielt. An der ARD-Mediatheke finden Sie sowas nur, wenn Sie explizit danach suchen.
Da ist das Podcast Format einfach „smarter“ als die anderen, weil es, dem guten alten RSS gleich, eine Episode direkt auf ihr Endgerät downloaded. Das Problem dabei ist nur: Sie müssen das Format kennen, um es jeweils zu abonnieren. Im „Fernsehen“ bekommen Sie das einfach „frei Haus“ – ob Sie wollen oder nicht. Ganz so wie Frau Maischberger. Heute abend…
Dort werden wir nichts lernen. Dort werden wir bestenfalls von Leuten „unterhalten“, die davon leben, sich selbst – und ihre Talkingpoints – zu reproduzieren. Worum es dabei geht, ist fast egal. Die Sendezeit muss eben gefüllt werden.
Gestern habe ich ehrlich bedauert, dass „StudioM“ nach einer Stunde schon wieder vorbei war. Denn diesen drei engagierten und hochseriösen „Medienprofis“ dabei zuzuhören, wie sie miteinander über ihren Berufsststand diskutieren – und die ganz offensichtliche Krise in welcher eben dieser gegenwärtig steckt, war in jeder Hinsicht nicht nur spannend, sondern auch eine ziemlich präzise Analyse – besonders dessen, was Klingbeil, Laschet, Schwerdtner et. al. heute abend (mit ziemlicher Sicherheit) wieder demonstrieren werden.
Eine unendliche Verschwendung von Sende- & Lebenszeit im Kampf um die Quote.
Was ich Ihnen empfehle ist klar… hoffe ich.
Herzlichen Glückwunsch zur fabelhaften 50. Ausgabe „studioM“ und nachträglich natürlich auch nochmal zum 60. an das Team von MONITOR und den WDR!
Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am 24.06.2025.
Schreiben Sie einen Kommentar