Um Fußball ging es hier zuletzt erst gestern. Da wusste ich noch nicht, dass heute der Dokumentarfilm über Ewald Lienen, „Eine griechische Tragödie“, in der ARD-Mediathek aufschlagen sollte. Doch das ist dem Anlass überaus angemessen, hat der Mann doch Geburtstag!
Über die Filmpremiere in Köln hat Martin Böttger nebenan im Beueler-Extradienst schon berichtet. Und seitdem habe ich mich darauf gefreut. Denn „Ewald“ ist eben einer, der denselben Fußball liebt, wie ich.
Im Grunde geht es in dem Film aber gar nicht so sehr um „den Fußball“, sondern das Leben und die Abenteuer eines Mannes und seiner Frau (!), die sich einfach nur bemüht haben, gute Menschen zu sein. Und versucht haben, das auch an die Menschen in ihrem Umfeld und die Generationen nach ihnen weiterzugeben.
Natürlich war Ewald ein Idol meiner Kindheit. Wie dieser Langhaarige den UEFA-Cup in den Düsseldorfer Himmel hebt, das hat dieser Autor nicht vergessen. Doch auch fast 45 Jahre nach dem Triumph der einzig wahren Borussia gegen Roter Stern Belgrad, ist der Kerl aus Schloß Holte-Stukenbrock noch immer ein Vorbild. Und das liegt längst nicht mehr an seinen Dribblings als Linksaußen, sondern viel mehr an dem, was er danach aus seinem Leben gemacht hat.
Der Film spart fast nichts aus, der rote Faden darin ist Lienen selbst. Seine Zeit bei AEK-Athen bekommt allerdings weit mehr Gewicht, als die anderen Legenden auf dem Lebensweg. Seien es Gladbach, Bielefeld, Duisburg, Köln, Teneriffa oder St. Pauli… auch weil sie wohl wichtig, doch in ihren Konsequenzen weit weniger spektakulär – und für die Biografie vielleicht auch weniger schwerwiegend waren, als die im Titel genannte „Griechische Tragödie“.
„Als mir der Titel des Films mitgeteilt wurde, habe ich einen kurzfristigen Nervenzusammenbruch bekommen.“ ließ Lienen sich vom Kölner Express zitieren.
Im Film fasst er die AEK „Tragödie“ selbst in einem typischen Lienen Bonmot zusammen: „Erfolgreicher kann man eigentlich nicht sein, als wenn man in einem Verein kurz vor Saisonende entlassen wird, weil der Klassenerhalt droht.“
Der Mann ist mit sich im Reinen
Solche Typen waren im Fußball schon immer selten. Und nachdem Lienen nun tatsächlich „in Rente“ ist, fällt mir in der Bundesliga eigentlich nur noch Christian Streich ein. Vielleicht ist das auch ein Grund dafür, warum sie immer gleichförmigere, immer mehr durchformatierte, langweilige Spielertypen hervorbringt. Und das meint nicht, welche Fähigkeiten sie „am Ball“ haben, sondern wie sie „im Leben“ bestehen.
Nun zieht sich Lienen mit seiner Frau nach Ostwestfalen zurück. Dem Fußball fehlt er schon jetzt. Er hat allerdings nicht vor, den Mund zu halten, wenn es etwas, für ihn wichtiges, zu sagen gibt:
„Können wir Arminia Bielefeld retten?“, wurde er auf einem Podium gefragt. „Wenn Arminia absteigen sollte, wäre das nicht schön“, erwidert er, „aber wenn wir das mit dem Klima nicht schaffen, dann brauchen wir uns über alle anderen Dinge gar nicht zu unterhalten“.
Danke für alles, Ewald!
Und herzlichen Glückwunsch zum 70. Geburtstag!
Dokumentarfilm, Deutschland 2023, 88:25 Minuten
Von Jesper Petzke, Produziert von MagentaTV, WDR und Tellux Film
Nachtrag:
Borussia Mönchengladbach, der Verein für den Ewald Lienen nicht nur den letzten internationalen Titel gewonnen, sondern sich als Spieler auch einen Status unter den ewigen „Legenden“ des Vereins erspielt hat, würdigt ihn heute ebenfalls mit einem kleinen Video. Und das erste Tor in dem schönen Best-Of-Zusammenschnitt? Ausgerechnet das 11:0 gegen den Ballspielverein aus Dortmund. 😉
Mehr auf der Homepage: https://www.borussia.de/de/aktuelles/news/2023-11-28-herzlichen-glueckwunsch-ewald-lienen
Und um den Ehrentag des Linksaußen abzurunden, empfehle ich nach dem Film durchaus noch mal in den ganz vorzüglichen WDR Podcast (60 Minuten, 2022) von Arnd Zeigler hineinzuhören. Über Ewald Lienens „speziellen“ Musikgeschmack wusste ich zB. bis dato auch noch nichts. 😎
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