Eigentlich ist dieses ein Film aus einem Genre, das mich oft ziemlich schnell furchtbar langweilt. Der Thrill aus Grenzsituationen, in welche Menschen geraten, weil sie Dinge tun, die ich niemals tun würde, packt mich nur selten. Ganz so wie hier. Doch tatsächlich ist dieser Film ein Fest für die Sinne. Oder hatten Sie etwa schon mal Höhenangst im Fernsehsessel?
Die Geschichte lässt sich schnell zusammenfassen: Zwei Frauen klettern auf einen 600 Meter hohen Sendemast. Und kommen nicht mehr runter. Auch wenn der Film sich durchaus etwas Mühe gibt, im Prolog zu erklären, warum die beiden das getan haben, kommt es darauf eigentlich wirklich nicht an. Der Turm steht eben da herum. Mitten in der Wüste.
Mich erinnerte der Film von Scott Mann irgendwie schon sehr an „127 Stunden“ (2010), den Blockbuster von Danny Boyle. Doch während der Brite damals ein, im Vergleich, geradezu fürstliches Budget von 18 Millionen US-$ ausgeben konnte, um James Franco in einer Felsspalte festsitzend, eineinhalb Stunden lang um sein Leben kämpfen zu lassen, musste Mann für sein Überlebensdrama zweier Frauen mit nur 3 Millionen US-$ auskommen. Das sind, noch ein sinnloser Vergleich, in etwa zwei bis drei Sonntagabendkrimis im deutschen Fernsehen.
Was wir dafür bekommen, ist hier nicht nur im Vergleich der Produktionskosten, ungleich viel spektakulärer. Und tatsächlich war es mir ein Fest. Denn hier gibt es endlich einmal wieder einen völlig sinnlosen, doch wahnsinnig spannenden und mit einfachen Mitteln (und CGI) atemberaubend inszenierten kleinen Streifen, der nicht mehr sein will, als er ist. Ein kleiner (schmutziger?) Film, den Sie nicht mehr vergessen, wenn Sie ihn einmal gesehen haben.
Es kommt vielleicht ein wenig auf die Größe und die Qualität ihres TV-Gerätes an, doch die Warnung ist mir ernst: Wenn sie etwa an Akrophobie leiden, sollten Sie den Konsum dieses Filmes vielleicht überdenken. Geeignete Drogen, bzw. menschliche Gesellschaft sind vielleicht auch anzuraten. Ich bin medizinisch/therapeutisch völlig unqualifiziert, doch ich glaube, dass die IMAX Version von „Fall“ im entsprechenden Kino verschreibungspflichtig sein sollte.
Denn was Mann hier auf die Leinwand bringt, sind in erster Linie einmal wirklich berauschende Bilder. Computertechnik, Drohnenaufnahmen und smarte Tricks. Tatsächlich wurde auf einem nachgebauten, nur 30 Meter hohen Turm gedreht, der allerdings auf einem Berg stand – die Perspektive hat im Film eben immer ihre eigene „Wahrheit“.
Um sowas zu filmen, muss sich das ein Mensch erst einmal ausdenken, dann aufschreiben, wissen, wie es geht und einfach machen. Scott Mann ist in jedem Fall einer, der all das beherrscht. Nach seinen Action-Debakeln „Heist“ (2015) und „Final Score“ (2018) hat er sich bei mir mit „Fall“ in jedem Fall (sic!) umfassend rehabilitiert. Da wird es spannend, was er sich wohl als Nächstes einfallen lässt.
Weniger ist manchmal tatsächlich „mehr“!
Dieser Beitrag erschien zuerst am 14.05.2024
Survival-Drama, USA, 2022, FSK: ab 16, Regie: Scott Mann, Drehbuch: Jonathan Frank, Scott Mann, Produktion: Christian Mercuri, James Harris, Mark Lane, Scott Mann, David Haring, Musik: Tim Despic, Kamera: MacGregor, Schnitt: Robert Hall, Mit: Grace Caroline Currey, Virginia Gardner, Mason Gooding, Jeffrey Dean Morgan, Jasper Cole
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