„Tschick“ ist (m)ein Sommerfilm. Über den besten Sommer von allen. Und deshalb freu‘ ich mich so, dass eine gute Seele in der Programmplanung des Bayerischen Rundfunks den Film mitten im Dezember, dann, wenn es draußen kalt und am dunkelsten ist, wieder in das Programm genommen hat.
Überhaupt sind Roadmovies ein gutes Rezept, um dem Winterblues zu entkommen. Im Grunde, jedem Blues. Denn wer in Bewegung ist, muss keinen Gedanken an das verschwenden, was hinter sich liegt. Da geht es erst mal nur um das Unterwegssein. Ziel: Wallachei.
Von Berlin aus gesehen, ist alles Wallachei, was hinter dem Autobahnring liegt. Und das stimmt ja auch. Brandenburger Steppe, wohin ein Mensch sieht. Da braucht es nur zwei Jungs und einen alten Lada, um in dieser Steppe die ganze Welt zu finden. Abenteuer. Freundschaft.
Fatih Akin ist mein Leib- und Lieblingsregisseur (einer von ihnen…). Er wollte diesen Film unbedingt. Dass er ihn schließlich auch machen durfte, entsprang auch einer Verkettung tragischer Umstände. Um so größer das Glück für uns.
Wolfgang Herrndorf war bereits todkrank, als er das Buch schrieb, und die Nähe des Todes ist in Form einer existenziellen Verdichtung zwischen den Zeilen spürbar. In seinem Roman öffnet er den Raum für eine Welt des Sommers und der Freiheit. „Projekt Regression: Wie ich gern gelebte hätte“, schrieb er dazu in „Arbeit und Struktur“. Am Rand aber, da lauern die Schatten. Auch im Film. Und besonders in diesem Sinn bleibt Fatih Akin diesem geliebten Buch treu. Das ist beglückend, bei aller Traurigkeit.
Oliver Kaever, Der Spiegel, 14.09.2016
Am 28.06.2066 bin auch ich höchstwahrscheinlich längst tot. Doch so lange ich es noch kann, werde ich mir diesen wunderbaren Film bis dahin jeden Winter wieder ansehen, mich auf die Klippe setzen, und mir wünschen, dass Maik, Tschick und Isa es schaffen mögen. An meiner Stelle.
Das wäre schön.
Dieser Beitrag erschien zuerst am 04.12.2023.
Spielfilm, Deutschland, 2016, FSK: ab 12, Regie: Fatih Akin, Drehbuch: Lars Hubrich, Hark Bohm, Fatih Akin, Produktion: Marco Mehlitz, Musik: Vince Pope, Kamera: Rainer Klausmann, Schnitt: Andrew Bird, Mit: Tristan Göbel, Anand Batbileg, Mercedes Müller, Aniya Wendel, Anja Schneider, Uwe Bohm, Xenia Assenza, Udo Samel, Claudia Geisler, Marc Hosemann, Alexander Scheer, Friederike Kempter
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