„Lohnt es sich eigentlich immer, einen Film zu sehen, nur weil Götz George die Hauptrolle spielt?“ hat Ursula Scheer anlässlich der TV-Premiere des 20:15 ARD Krimis „Besondere Schwere der Schuld“ von Regisseur Kaspar Heidelbach und Drehbuchautor Sascha Arango, vor gut 10 Jahren in der FAZ gefragt.
Bei George bin ich nicht unvoreingenommen und somit „Partei“. Hat er mich doch, einen Großteil meines Lebens nicht nur prächtig unterhalten, sondern durchaus auch repräsentiert. „Schimanski“ war Fluch und Segen für ihn, weil er keine Rolle länger gespielt hat und wohl auch mit keiner Rolle mehr identifiziert werden sollte.
Dabei war er – wie wir wissen – ein überragender Schauspieler, konnte Weltkino, Drama, Komödie, Karl-May, Kammerspiel und immer wieder auch die obligatorische Degeto-Freitagabendschnurre… im Theater habe ich ihn leider nie gesehen. Die Horst-Schimanski-Gasse in Duisburg bin ich aber mal abgelaufen. Das dauert rauf und runter keine 3 Minuten. Das war ich ihm schuldig.
Wenn so einer also wieder einen Film „im Pott“ macht, dann liegt der Vergleich nahe, zu Schimmi und dem Image des Raubeins aus Ruhrort. Und genau das bekommen wir in diesem Film. Nur aus der anderen Perspektive. Denn der George in diesem Film kommt von „der anderen Seite“… sein Komalschek ist kein Bulle, sondern ein Ex-Knacki, der die Zeit seines Lebens nicht nur im Konflikt mit der Polizei, sondern auch mit seiner eigenen Vergangenheit verbracht hat. Um diesen Konflikt zu lösen, kommt er zurück – in den Pott.
Der Film spielt in Gladbeck, dort, wo auch dieser Autor einmal das Laufen gelernt hat. Er wurde allerdings in Köln gedreht. Das spielt aber keine Rolle. Denn dieses fiktive Gladbeck gab es wirklich. Diese fiktive Kneipe, mitsamt Wirtin, habe ich eigentlich selber gekannt. Alle Zutaten in dem Film, völlig reale Kunstfiguren, bis hin zu der einzigen Straße – einem klaustrophobischen Alptraum aus Reihenhäusern – in welcher der Film hauptsächlich spielt, sind ausgedacht, und haben keinen Anspruch auf Authentizität, so sind sie deshalb aber eben auch besonders wahr! (Auch wenn der Bergmann in mir bei dem gezeigten „Wetterschacht“ etwas schmunzeln musste. Er dient eben der Geschichte und ist deshalb gut so!)
Sascha Arango hat dem alten George eine Geschichte auf den Leib geschrieben, die einfach passt. Eine große Geschichte. Schuld, Vertreibung, Buße, Rückkehr und Sühne. Väter (Mütter) und Söhne. Wahnsinnig dicht. Wahnsinnig beeindruckend. Und ganz nahe dran, an dem alten Schimanski. Nicht verwandt und nicht verschwägert. Aber als Typen einmalig und so in Erinnerung bleibend. Ich hab‘ ihn dafür geliebt!
George musste nicht viel „spielen“ in diesem Film. Reden musste er gleich noch viel weniger. Das tun all die anderen. Für ihn genügt seine Anwesenheit. Und doch treibt und kontrolliert er die gesamte Geschichte. Nennen Sie es große „Routine“ eines Altmeisters, nennen Sie es Präsenz, es ist in jedem Fall zutreffend. Und mit Hannelore Elsner sowie Angelika Bartsch (achten sie bei 01:22:37 auf Schimanski 1985!) bekam er gleich noch alte Freundinnen als ebenbürtige Partnerinnen, mit Manfred Zapatka und Thomas Thieme ebenso erfahrene alte Hasen an die Seite gestellt. Da passt einfach alles.
Und wenn der Film dann vorbei ist, dann stimmt auch der Abschied. Es ging nicht um den Applaus. Es ging nur um die Geschichte, die erzählt werden musste. Und, um die Eingangsfrage von Ursula Scheer zu beantworten: Ja, es lohnt sich!
Mir war es ein Fest!
Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am 20.06.2024.
Fernsehfilm, Deutschland, 2014, FSK: ab 12, Regie: Kaspar Heidelbach, Drehbuch: Sascha Arango, Produktion: Sabine de Mardt, Tim Rostock, Musik: Arno Steffen, Friso Lücht, Kamera: Daniel Koppelkamm, Schnitt: Hedy Altschiller, Mit: Götz George, Hanno Koffler, Hannelore Elsner, Thomas Thieme, Manfred Zapatka, Hans-Martin Stier, Wilfried Hochholdinger, Anna Fischer, Angelika Bartsch, Marita Breuer, Doris Plenert, Moritz Heidelbach, Moritz Vierboom, Grace Serrano Zameza, Caroline Schreiber, Christian Hockenbrink
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