Wenn die ARD ein Event-Programm in Auftrag gibt, dann wird so was heutzutage leider mindestens zur „Mini-Serie“, weil darunter der/die Konsument*in den Event vermutlich wohl gar nicht erkennen würde. Das beruht auf der Interpretation des öffentlich-rechtlichen Auftrags durch Programmchefin Christine Strobl – die ihren Senderverbund gerne als Konkurrenten von Netflix aufgestellt sehen würde.
Bonn war teuer. Das sehen wir. Leider ist es deshalb aber nicht gut geworden.
Die Geschichte der BRD, eine im Geheimdienstmilieu angesiedelte (wahre) Rivalität zwischen Antifaschisten und Altnazis, Charaktere wie der erste Präsident des Verfassungsschutzes, Otto John (Sebastian Blomberg) und sein Gegenspieler beim zukünftigen BND, Reinhard Gehlen (Martin Wuttke) – das ist tatsächlich ein ganz hervorragendes Material. Das wäre sogar für die Blockbusterfabrikanten wie Amazon Prime und Netflix hinreichend spannend gewesen.
Aber die ARD und der hier ausführende WDR haben die außerordentliche Chance vergeigt. Sechsmal > 45min, das sind drei abendfüllende Spielfilme. Da hätte mensch was draus machen müssen. Einen Thriller, ja, einen Monumentalfilm aus wahrer Geschichte, ein Psychogramm der jungen Republik. Doch geworden ist es enttäuschenderweise nichts von alledem.
Stattdessen bekommen wir die Emanzipationsgeschichte von Fräulein Schmidt.
Kein schlechtes Wort von mir über die Leistungen der Schauspieler*innen in dieser Serie. Besonders Sebastian Blomberg und Martin Wuttke gingen mir absolut unter die Haut. Ein echtes Privileg, den beiden bei der Ausübung ihres Berufes zuzusehen. Aber selbst diese Charakterboliden waren nicht genug, meine Investition von 288 Minuten Lebenszeit zu rechtfertigen. Ich hätte die gerne zurück, Frau Strobl!
Oder ich hätte gerne jemanden, der die 6 Folgen zu einem Zweiteiler zusammenschneidet… das könnte dann sogar etwas werden. (Auch wenn ich nicht wirklich viel darauf setzen würde.)
Für den Rest der wahren Geschichte – insbesondere über den Naziverbrecher Alois Brunner – würde ich dann eher eine 5 Minuten-Recherche bei Wikipedia empfehlen. Alternativ zu diesem WDR Fiasko bleibt uns dann noch geduldig auf die Wiederholung von „Der Staat gegen Fritz Bauer“ (2015) (ebenfalls mit Sebastian Blomberg) zu warten.
Dieser Beitrag erschien zuerst am 22.12.2023.
Drama-Mini-Serie, Deutschland, 2023, FSK: ?, Regie: Claudia Garde, Drehbuch: Claudia Garde, Peter Furrer, Martin Rehbock, Musik: Florian Tessloff, Kamera: Andreas Köhler, Mit: Mercedes Müller, Max Riemelt, Sebastian Blomberg, Martin Wuttke, Juergen Maurer, Katharina Marie Schubert, Inga Busch, Luise von Finckh, Julius Feldmeier, Moritz Führmann, Selma Balthasar, Christian Erdmann, Johanna Gastdorf, Maike Elena Schmidt, Christian Harting, André Eisermann, Daniel Drewes, Sascha Nathan, Dirk Ossig, Justine Hauer, Michael Meichßner, Carl Achleitner, Anežka Rusevová, Christian Skibinski, Fediverse: @3sat
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