Finanzthriller – „Dead Man Working“ (2016) / „Rogue Trader“ (2021)

Finanzthriller? Aus Deutschland? Klingt erstmal nach grauem Anzugkino mit Excel-Dialogen. Doch Dead Man Working (2016) beweist das Gegenteil – und zeigt eindrucksvoll, wie spannend die Welt hinter den Glasfassaden der Macht inszeniert werden kann. Anders dagegen Rogue Trader (2021), ebenfalls aus deutscher Produktion. Zwei Filme, ein Thema – nur einer überzeugt.



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Ich gebe es zu: Ich habe eine Schwäche für Filme über die Finanzwelt. Nicht, weil ich selbst besonders bewandert wäre, was Derivate, Shortselling oder toxische Papiere betrifft – ehrlich gesagt klinge ich vermutlich wie jemand, der sich beim Schachspiel fragt, warum der Turm nicht diagonal darf. Nein, was mich reizt, ist die Fallhöhe. Der Tanz auf dem Vulkan, das Adrenalin im Armani-Anzug, das große Ego vorm noch größeren Absturz.

Die ARD führt schon seit langem zwei Finanzmarkt-Thriller aus deutscher Produktion im Programm, die sich – zumindest thematisch – in den selben Glaspalästen und auf denselben Parkettböden bewegen: „Dead Man Working“ (2016, Regie: Marc Bauder) und „Rogue Trader“ (2021, Regie: David Preute), der auf realen Fällen von Rogue Tradern basiert, jenen Menschen, die mit ein paar Excel-Zellen fast ganze Banken in den Abgrund gerissen haben. Klingt vielversprechend, oder? Nun ja. Kommen wir zum Vergleich.

Hochspannung im grauen Anzug

Ich war ehrlich überrascht, wie gut „Dead Man Working“ funktioniert. Denn deutsche Filme, die das Thema durchdringen, sind rar. Im Blog haben wir schon „Herrhausen“, und natürlich „Cum-Ex“, die ebensolche Ausnahmen von dieser Regel sind. „Bad Banks“ darf in dieser Aufzählung natürlich nicht fehlen.

Der Film beginnt mit einem Knall – im wahrsten Sinne des Wortes: Ein Banker springt vom Hochhaus, und zurück bleibt eine Firma, die sich fragt, was sie mit der Leiche (und dem möglichen Skandal) nun anfangen soll. Marc Bauder, selbst studierter Wirtschaftswissenschaftler, inszeniert das Geschehen nicht als Krimi, sondern als kühle, psychologisch dichte Milieustudie. Das ist kein Hochglanz-Thriller à la „Wall Street“, sondern eher eine kafkaeske Reise durch die Glasfassaden der Macht. Und gerade das macht ihn so stark.

„Dead Man Working“ ist in jeder Hinsicht ein Ausnahmefilm: Er ist politisch in seiner Aussage, psychologisch fein beobachtet, rasant im Rhythmus und visuell radikal. 

Ein kühner Film, der sich über die üblichen Erzählkonventionen hinwegsetzt, genau hinschaut und zugleich mitreißend erzählt. Ein wichtiger und hochgradig aktueller Film über eine Parallelgesellschaft, die meint, sie könne die Welt beherrschen und sich mit ihren eigenen Gesetzen längst außerhalb des Staates gestellt hat.  

Grimme-Preis 2017 – Begründung der Jury

Es geht im Wesentlichen um die Männer, die bei Bauder schon als „Masters of the Universe“ Thema waren – dieses Mal bei der „Bank der Deutschen“. Alles ist durchzogen von einem leisen, trockenen Sarkasmus, wie man ihn sonst eher in skandinavischen Serien findet. Die Darsteller:innen sind hervorragend, die Dialoge sind klug, nie übererklärt, die Atmosphäre ist kühl, fast steril – was hervorragend zur Thematik passt. „Dead Man Working“ traut seinem Publikum etwas zu. Und das ist bei deutschen Produktionen leider immer noch erwähnenswert.

Das brillante Casting mit dem Duo aus Benjamin Lillie und Wolfram Koch, einer wirklich überragenden Jördis Triebel, Manfred Zapatka als Silberrücken ganz oben auf dem Banker-Affenfelsen und Jenny Schily als dessen „HR“, war für mich schon mal mindestens 50% des Rezeptes für den Film – bei dem auch nicht alles perfekt ist. Manches wirkt bewusst unterkühlt, einige Nebenfiguren bleiben eher Staffage als Charaktere. Aber in Summe ist er ein Paradebeispiel dafür, wie man mit begrenztem Budget, brillanten Darsteller:innen und klarem Fokus einen hoch spannenden Thriller drehen kann, der nicht schreien muss, um laut zu sein.

Größere Geschichte, kleinerer Film

„Rogue Trader“ (2021) von David Preute (nicht zu verwechseln mit dem Film des gleichen Titels von James Dearden, 1999) nimmt sich eines komplexen, aber spannenden Stoffs an: der realen Geschichte eines sogenannten „Rogue Traders“, der mit illegalen Finanzgeschäften seine Bank in den Abgrund reißt. Das ist kein leichtes Popcornkino – und der Film macht auch keinen Hehl daraus. Statt Hochglanz und Glamour gibt’s hier eine fast dokumentarisch anmutende Erzählweise, die den moralischen und psychologischen Druck innerhalb des Systems spürbar machen will.

Ich merke dem Film seine Ambition an: Er will nicht nur unterhalten, sondern auch erklären – und das gelingt ihm stellenweise erstaunlich gut. Vor allem dort, wo er die zunehmende Vereinsamung des Protagonisten Tom Walker ins Zentrum stellt, zeigt sich eine interessante Charakterstudie über einen Mann, der in einem System aus Gier, Druck und Verantwortungslosigkeit die Kontrolle verliert. Auch die nüchterne Inszenierung – fast ohne musikalisches Pathos – gibt dem Geschehen eine gewisse Ernsthaftigkeit.

Allerdings bleibt mir das Drehbuch an manchen Stellen zu skizzenhaft. Die Nebenfiguren sind kaum entwickelt, und gerade das emotionale Innenleben Walkers hätte weit mehr Tiefe verdient. Die Struktur des Films wirkt stellenweise sprunghaft, als wüsste er selbst nicht genau, ob er Thriller, Drama oder warnende Parabel sein will. Trotzdem: Ein ehrenwerter Versuch, ein schwieriges Thema in fiktionale Form zu bringen – allein das verdient Anerkennung.

Fazit: Mehr Mut, weniger Mythen

Wenn Sie mich fragen, investieren Sie Ihre kostbare Filmzeit lieber in „Dead Man Working“. Nicht nur, weil er spannender ist, sondern weil er – für deutsche Verhältnisse – auch etwas wagt. Er zeigt, dass auch hierzulande komplexe Themen klug, atmosphärisch und mit einem Hauch bitterem Humor inszeniert werden können.

„Rogue Trader“ hingegen bleibt ein Beispiel dafür, wie selbst die aufregendste Realität (Capital) doch enttäuschend erzählt werden kann. Vielleicht lag es am Timing, vielleicht am Drehbuch – vielleicht aber auch daran, dass ein Film manchmal eben den Mut braucht, nicht nur vom Risiko zu reden, sondern es auch filmisch einzugehen.

Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am 29.05.2025.



„Dead Man working“ – Finanzthriller, Deutschland, 2016, FSK: ab 6, Regie: Marc Bauder, Drehbuch: Dörte Franke, Khyana El Bitar, Musik: Thomas Kürstner, Sebastian Vogel, Kamera: Börres Weiffenbach, Schnitt: Stefan Blau, Mit: Wolfram Koch, Benjamin Lillie, Jördis Triebel, Manfred Zapatka, Jenny Schily, Jeremias Rockel, Michael Rotschopf…

„Rogue Trader“ – Finanzthriller, Deutschland, 2021, FSK: ab 6, Regie: David Preute, Drehbuch: David Preute, Produktion: Fabian Carl, Jan Linnartz, Musik: Giovanni Berg, Dieter Schleip, Kamera: Ahmed El Nagar, Schnitt: Philipp Straetker, Mit: Ankie Beilke, Paulo Andre Aragao, Tom Bowen, Patrick Dewayne, Thure Riefenstein, Oleg Kricunova, Daniela Eck…



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