Adèle Exarchopoulos – Zero Fucks Given (2021)

Ich gebe gerne zu, dass hauptsächlich der geniale Titel dieses Films für mich schon Grund genug war, für ihn eine verlängerte Mittagspause zu investieren. Und der Return of Investment dieser spontanen Entscheidung war unmittelbar und nachhaltig. Exarchopoulos, den Namen muss ich mir merken!

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Zero Fucks Given, wer diesen Film etwa in die Komödienschublade gesteckt hat. Ich sehe ja ein, dass ein Produkt ein Label braucht. Doch „komisch“ ist an diesem Film eigentlich rein gar nichts. Jedenfalls nicht mehr, als am Leben generell. Denn was wir hier haben, ist schon fast eine authentische Dokumentation der „Generation Z“ und somit auch ein Sozialdrama, aber sicher kein Film, der auf Lacher setzt.

Ich habe aber eine Menge Empathie und unbegrenzte Solidarität für die Protagonistin dieses Filmes. Auch wenn ich meinen jahrelangen Platin-Status damals bei der Air-Berlin erflogen habe, einer Airline, die vielleicht noch etwas weniger prekär unterwegs war als die „Wing Air“ im Film. Am Ende hatte der Niedergang des deutschen Billig-Fliegers auch mit der Tatsache zu tun, dass ihm mit der Konkurrenz von Easyjet und Ryanair noch billigere Konkurrenz erwachsen ist – welche die „Berliner“ (mit Sitz in Düsseldorf) im Kampf um Preise und Kund:innen noch unterboten hat.

Auf wessen Kosten dieser Preiskampf noch gegangen ist? Raten müssen sie das nicht.

Im Kabinenpersonal fanden sich meistens meine Verbündeten. Einige kannten mich mit Namen, was kein Wunder ist, wenn mensch Jahr für Jahr dieselbe Route an denselben Tagen, auf (meistens) sogar demselben Sitzplatz geflogen ist. Ich war eben Fluginventar. Und hatte wohl einen CO2-Fußabdruck, der durchaus größer gewesen sein kann, als der mancher kleinen Staaten. Verbunden hat uns, dass wir nur an Bord dieser Flugzeuge waren, weil wir dafür bezahlt wurden.

Diese Zeiten sind für mich, zum Glück, vorbei. Was aber geblieben ist, ist der Respekt vor den Frauen (und wenigen Männern), die Tag für Tag den Mittelgang rauf und runter laufen müssen, um eine ignorante Herde von frei laufenden Fluggästen mit Übergepäck zu organisieren, dabei einen Rest an Service zu bieten und jede Frage, jede Bitte und jedwede andere mögliche Krise immer mit professioneller Freundlichkeit zu bewältigen.

Es gibt nicht viele Jobs im Dienstleistungssektor mit so viel Verantwortung und Stress bei solch schlechter Bezahlung unter vergleichbar schlechten Arbeitsbedingungen. Da ist der Mythos von „Über den Wolken“ wahrhaftig schon lange abgestürzt.

Adèle Exarchopoulos gibt in „Zero Fucks“ die Cassandre, eine Flugbegleiterin, die wirklich alles andere als abgehoben, doch nirgendwo mehr zu Hause ist. Und wie die junge Französin das schafft, ist über alle Maßen bemerkenswert. Denn beim Zusehen ist es mir tatsächlich schwergefallen, mir dabei ständig bewusst zu sein, dass es hier keine echte Person ist, die wir beobachten, sondern eine fiktive Figur, ausgedacht von zwei Frauen und einem Mann. Diese Kunst, diese Adaption ihrer Rolle, der professionellen Fassade und der privaten Natürlichkeit in ihrer Darstellung – das war eine erschütternd geniale Performance – und das gilt eigentlich auch für fast den gesamten Cast.

Ich war im Leben noch nie in der Dubai-Mall (tatsächlich habe ich den Flughafen nie verlassen). Ich will dort auch nicht hin. Ich weiß, wo ich für den Rest meines Lebens zu Hause sein darf. Und ich weiß, welche unerhört großes Privileg das eigentlich ist.

Das zu finden, wäre mein Wunsch für Cassandre.

Von Frau Exarchopoulos wünsche ich mir noch viel mehr sehen zu dürfen.

Seit heute bin ich ein großer Fan!



Sozialdrama, Belgien, Frankreich, 2022, FSK: ab 12, Regie: Emmanuel Marre, Julie Lecoustre, Buch: Emmanuel Marre, Julie Lecoustre, Mariette Désert, Produktion: François-Pierre Clavel, Benoit Roland, Kamera: Olivier Boonjing, Schnitt: Nicolas Rumpl, Mit: Adèle Exarchopoulos, Mara Taquin, Alexandre Perrier, Arthur Egloff, Tamara Al Saadi, David Martinez Pinon, Marianna Masala, Blanche Vieillevoye, Veroline Vanderbeek, Bart Dezdari, Agnieszka Kozaczewska, Erwan Maillot, Jonathon Sawdon, Alessandro Duca, Jean-Benoît Ugeux, Julie Sokolowski


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