Die Regisseure dieses wundervollen Filmes sind in einem Land geboren, in dem es keine Kinos gab. Sie sind aufgewachsen, unter der militärischen Besetzung durch ein fremdes Land und erwachsen geworden unter der Herrschaft eines Terrorregimes. Seit 2015 leben sie im Exil in Paris. Doch als Filmemacher haben sie Gaza nie verlassen. Ein Liebesfilm aus einem Kriegsgebiet.
Es ist schon fünf Jahre her, seit der zweite Film der Gebrüder Nasser die Herzen des Publikums auf den internationalen Filmfestivals „im Sturm erobert“ hat. Und auch weil diese Phrase aus einer durch und durch militaristischen Sprache entnommen ist, trifft sie die Intention der Filmemacher aus dem Gazastreifen genau. Denn ihre Geschichte ist zuallererst eine über die Menschen und die Liebe.
Filme wie „Gaza mon Amour“, der eben nur in einer Mediathek der Öffentlich-Rechtlichen existieren kann, sind ein elementarer Grund dafür, warum eigentlich es diesen Blog gibt. Denn solche Filme dringen nur ganz selten überhaupt durch, und werden deshalb von viel zu wenigen Menschen gesehen, in all dem, auch durch uns Zuschauer:innen selbst verursachten Hype um kommerzielle Streamingportale, hysterisch promotete Programmhighlights und in normierten Medien, sei es online, in der Presse oder den (a)sozialen Netzwerken.
Und deshalb schreibe ich darüber: Denn dieser fünf Jahre alte Film, über den ich zuvor nichts wusste, hat mich gestern so sehr überrascht und so tief bewegt, wie lange nichts mehr.
Vielleicht hätte ich das wirklich sehr gute Interview lesen sollen, welches Ariana Malik vor drei Jahren schon mit den Nasser-Brüdern für die FAZ geführt hat:
Tarzan, Arab… Wie kommt es, dass Sie solch sanfte Filme machen?
Arab: Wir wollten schon immer einen Liebesfilm über die Menschen von Gaza machen, nicht über den Krieg dort. In den Nachrichten hört man dauernd etwas über Gaza, aber wir wissen nie, wie die Menschen dort leben – bevor sie dann sterben.
Tarzan: All unsere Filme drehen sich um Menschen. Nicht um den Krieg, die Besetzung oder sonstige Politik. Die Welt muss erfahren, was für einen Widerstand sie jeden Tag leisten, um überhaupt so etwas wie ein Alltagsleben führen zu können. Die Hintergrundstory, dass 2013 ein Fischer eine antike Apollo-Statue aus dem Meer fischte und versuchte, sie auf Ebay zu verkaufen, ist übrigens wahr. *
Es stimmt, dass man Ihre Heimat Gaza vor allem aus den Nachrichten kennt…
Tarzan: Ja, aber Medien zeigen nur einen Ausschnitt der Realität. Man kennt Gaza leider nur von dem Negativen, das dort geschieht, sonst hat keiner ein Bild vor Augen.
Denn machen wir uns darüber absolut nichts vor, der Film wurde produziert und veröffentlicht, lange bevor der brutale Terrorangriff und die Geiselnahmen der Hamas auf und in Israel am 7. Oktober 2023 stattgefunden haben. Und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Menschen in dieser fiktiven kleinen Geschichte, denen die fantastischen Schauspieler:innen ja nur stellvertretend ihr Gesicht geliehen haben, heute nicht mehr leben würden.
Doch diese Menschen hätten ein Leben gehabt. Sie hätten einen Alltag gelebt. Sie hätten Bedürfnisse und Gefühle besessen. Trotz und eben auch, weil sie dem Terror nicht entkommen konnten. Die eine Wahl niemals hatten, aber eine Existenz. Alles „ganz normale Leben“, in einer lebensfeindlichen Welt.
Die Nassers haben einen Film gemacht, der, auf den ersten Blick, eigentlich gar nichts mit Politik zu tun hat. Doch alles in Gaza war und ist sowieso politisch. Das Drehen dieses Filmes und das Erzählen dieser kleinen Liebesgeschichte hat ihnen ermöglicht, der Politik zu entkommen, aber eben nicht, die Realität, in welcher sie stattfand, auszublenden. Sie erklären uns Gaza nicht, doch sie zeigen uns, dass es ihre geliebte Stadt einmal gegeben hat.
Die Menschen, ihre Heimat und ihr Schicksal nicht zu vergessen, während die schlechten Nachrichten aus dem Krieg und dessen gewissenlose Politik unsere Schlagzeilen dominieren, ist das wichtigste Anliegen und die große humanistische Botschaft dieses Filmes.
Dafür sollten wir unser Herz öffnen.
Drama, Palästina, Frankreich, Deutschland, Portugal, Katar, 2020, FSK: ab 0, Regie: Tarzan Nasser, Arab Nasser, Drehbuch: Arab Nasser, Tarzan Nasser, Fadette Drouard, Produktion: Les Films du Tambour, Riva Filmproduktion, Ukbar Filmes, ZDF/Das kleine Fernsehspiel, ARTE, Made in Palestine Project, Jordan Pioneers, Produzent:in: Rani Massalha, Marie Legrand, Michael Eckelt, Kamera: Christophe Graillot, Schnitt: Véronique Lange, Musik: Andre Matthias, Mit: Hiam Abbass, Maisa Abd Elhadi, Salim Daw, George Iskandar, Manal Awad, Hitham Al Omari
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