Wien verhält sich zu Österreich, wie Berlin zu Deutschland. In der Auslandsperspektive wird es als Repräsentation des Landes angesehen, in der Provinz wiederum weiß jede:r, dass das wahre Leben woanders passiert. Die Hauptstadt ist die Hölle. Doch bei Ruzowitzky erkennen wir Wien nur am Dialekt. Deshalb würde der Film, ganz wie die Hölle, eigentlich überall funktionieren. Das ist ein großer Verdienst des Oscar-gekrönten Filmemachers!
Damit eins klar ist: Ich ergötze mich nicht an drastischer Gewalt. Und wenn diese noch dazu gegen Frauen gerichtet ist, dann hab‘ ich schon ein Problem, über das ich bei manchem Film kaum hinwegkommen kann. Bei Tarantino war Uma Thurman dafür ein hinreichender Anlass. Hier ist es Violetta Schurawlow. Der Grund dafür: Die Selbstermächtigung der Frauen! Sie schlagen zurück!
Schon die Eingangszene dieses Reißers spricht meine reale Erlebenswelt an. Zu lange saß ich selbst am Steuer exakt des alten Mercedes Modells (W124), das auch die Protagonistin steuert. Zu oft habe ich erlebt, was der Film im Zeitraffer zusammenfasst. Und ja, der Gedanke daran, was du tust, wenn dir ein Fahrgast ans Leder will, ist einer, den jede:r meiner Taxi-Kolleg:innen kennt. Das ist alles echt. Daran ist rein gar nichts ausgedacht.
Merksatz: Das Auto ist (d)eine Waffe!
Und diese Sequenz hat genügt, mich vollkommen in diesen Film hineinzuziehen. Einer von den seltenen Fällen, in denen ich vergesse mir ein neues Bier zu holen oder zwischendurch aufs Klo zu gehen. Glauben Sie mir einfach. Diese Routine hab ich sonst voll drauf. Deshalb schaue ich Filme auch lieber in der Mediathek, statt linear.
Hier bekommen wir ein prekäres, multikulturelles Umfeld, eine gepflegte Portion Martial-Arts, die Geschichte eines internationalen Serienmörders, eine sehr kompetente Action-Regie und erstklassige Darsteller:innen aus dem allerobersten österreichischen Regal. Frau Schurawlow, aufgewachsen bei uns um die Ecke, im Kreis Kleve am Niederrhein, ist da die Ausreißerin. Wir merken es ihr aber in keiner Sekunde an. Und das ist ein wirklich großes Kompliment an die Dialekt-Coaches und die Künstlerin!
An der ein oder anderen Stelle musste ich schmunzeln. Dem Kommissar einen Schäferhund ins Drehbuch zu schreiben, wäre kaum erwähnenswert gewesen, außer, ausgerechnet, bei Tobias Moretti. Schöne Idee! Die angedeutete Lovestory ist nett… aber war eigentlich nicht nötig. Andererseits war die Kombination von Moretti mit Friedrich von Thun als seniler Vaterfigur eine durchaus zu Herzen gehende, weil authentisch gespielte Zusammenarbeit.
Gerne würde ich hier noch mehr über Verena Altenberger schreiben, die hier so straßenrotzig auftreten durfte, wie ich sie noch nie zuvor gesehen habe. Doch Details zur Geschichte verbieten sich, sonst wäre es gespoilert.
Achtung: Der Film ist völlig mit Recht erst ab 16 Jahren freigegeben. Bedenken Sie das bitte, bevor Sie hier einschalten. Der Film lebt nicht ausschließlich von der Gewalt, er beschönigt sie aber auch nicht. Die Geschichte ist hart. Aktion hat Reaktion und Opfer. Viele kommen aus der Geschichte nicht lebend heraus.
Froh bin ich darüber, dass Stefan Ruzowitzky noch kein Hollywood-Remake dieser österreichischen Action-Perle machen musste. Ich wüsste wirklich nicht, was daran etwa besser hätte werden können.
Okay!
Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am 03.05.2025.
Actionthriller, Österreich, 2017, FSK: ab 16, Regie: Stefan Ruzowitzky, Drehbuch: Martin Ambrosch, Produktion: Helmut Grasser, Thomas Peter Friedl, Musik: Marius Ruhland, Kamera: Benedict Neuenfels, Schnitt: Britta Nahler, Mit: Violetta Schurawlow, Tobias Moretti, Friedrich von Thun, Verena Altenberger, Robert Palfrader, Sammy Sheik, Stefan Pohl, Murathan Muslu, Nursel Köse, Susanne Gschwendtner, Deniz Cooper, Erika Deutinger, Ercan Kesal, Michaela Schausberger, Fediverse: @filmeundserien, @ZDF
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