Ich gebe es zu: Ich hatte mich seinerzeit auf „Mona Lisas Lächeln“ gefreut. Ein Film, der versprach, patriarchale Strukturen aufzubrechen, mit Julia Roberts als Idealistin, die jungen Frauen das Denken beibringt – das klingt nach einer Geschichte, die uns auch heute noch etwas zu sagen hätte. Doch was ich bekam, war vor allem: ein wohlig eingerichtetes Trugbild von Fortschritt.
Der Film spielt 1953 am elitären Wellesley College in Massachusetts – Alma Mater von so illustren feministischen Heldinnen wie Nora Ephron, Madeleine Albright oder Hillary Clinton – ein Ort, der zur Zeit der Handlung des Films, junge Frauen „aus gutem Hause“ (a.k.a. Töchter von Vätern mit Geld) allerdings noch lange nicht etwa zu selbstständigen Denkerinnen, sondern immer noch primär zu perfekten Ehefrauen erzogen hat.
Kassenmagnet Julia Roberts spielt Katherine Watson, eine Kunstdozentin, ausgerechnet aus dem auch damals schon weit liberaleren Kalifornien, die gegen diese überkommenen Vorstellungen antritt. Die Grundidee ist richtig stark, aktuell, relevant. Und doch wurde ich als Zuschauer schnell unruhig: Warum fühlt sich dieser angeblich feministische Film dann nur so glatt, so unendlich formelhaft an?
Die Antwort ist ernüchternd: „Mona Lisas Lächeln“ verkauft Emanzipation als ästhetisiertes Wohlfühlpaket – mit hübschen Kleidern, warmem Licht und einer Heldin, die zwar rebellisch tut, dabei aber stets innerhalb sicherer moralischer Grenzen bleibt.
Als Mann habe ich mir immer wieder die Frage gestellt: Für wen ist dieser Film eigentlich gemacht? Die weiblichen Figuren – Joan (Julia Stiles), Betty (Kirsten Dunst), Connie (Ginnifer Goodwin), Giselle (Maggie Gyllenhaal) – sind gut gespielt. Tolle Schauspielerinnen, alle! Aber sie wirken doch, als würden sie durch ein Schaufenster betrachtet. Ihre Lebensentwürfe werden nicht ernsthaft verhandelt, sondern abgeklopft wie Möglichkeiten auf einem Menü: Ehe oder Karriere, Kind oder Selbstverwirklichung – ohne echten Tiefgang oder Ambivalenz. Check.
Besonders problematisch fand ich, wie der Film mit dem Begriff der „freien Wahl“ umgeht. Wenn Joan sich gegen Yale und für das Leben als Ehefrau entscheidet, wird das als triumphale Selbstbestimmung inszeniert – aber innerhalb eines Systems, das ihr kaum Alternativen bietet, kann von echter Freiheit doch kaum die Rede sein. Und genau hier versagt der Film: Er verwechselt individuelle Entscheidungen mit strukturellem Fortschritt.
Dass „Mona Lisas Lächeln“ von Mike Newell inszeniert wurde – einem Regisseur, der zuvor mit „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ (1994) einen der Prototypen der modernen romantischen Komödie erfunden hatte und kurz danach mit „Donnie Brasco“ (1997) sogar einen meiner Lieblings-Mafia-Filme überhaupt, mit Al Pacino und Johnny Depp – wirkt mit heutiger Brille fast wie ein Kommentar auf das Problem des Films selbst. Newell blickt interessiert auf seine weiblichen Figuren, vielleicht sogar wohlwollend – aber eben auch mit einer fühlbaren paternalistischen Selbstzufriedenheit. Als wollte er sagen: „Seht her, ich erzähle eure Geschichte.“ Nur leider erzählt er sie so, dass sie niemandem wehtut – am wenigsten seinem Publikum.
Dieser Blick von außen bleibt durchgehend spürbar. Katherine Watson wird zur Projektionsfläche für liberale Wunschvorstellungen, aber nie zur echten Verbündeten. Ihre Rolle als Retterin wirkt übergriffig – fast missionarisch. Was sie den jungen Frauen beibringt, ist keine Befreiung, sondern der Austausch eines alten Korsetts gegen ein neues, das nur besser aussieht.
Visuell ist der Film eine absolute Augenweide. Die Ausstattung, die Mode, der Soundtrack – all das macht ihn zu einem ästhetischen Erlebnis. Aber genau das ist Teil des Problems. Der Protest, den Katherine verkörpert, ist so gefällig hübsch inszeniert, dass er am Ende eher wie eine Designentscheidung wirkt als wie eine politische Haltung. Ein bisschen Rebellion, aber bitte im Kostüm und mit Klaviermusik im Hintergrund.
Für mich (als Mann) ist das frustrierend. Denn anstatt die tatsächlichen Machtverhältnisse zu entlarven, reproduziert „Mona Lisas Lächeln“ sie in einer – zugegeben – eleganten Verpackung. Der Film feiert individuelle Stärke, aber ohne die patriarchalen Strukturen zu benennen, die diese systematisch untergraben.
„Mona Lisas Lächeln“ ist ein Film, der vorgibt, subversiv zu sein – aber letztlich nur das Gefühl verkauft, auf der „richtigen Seite“ zu stehen. Es ist ein Film, der Feminismus ästhetisiert, ihn aber nicht lebt. Ein Film, der Frauenfiguren ins Zentrum stellt, aber ihnen kaum Handlungsmacht gibt. Und einer, der kritisieren will, ohne sich die Finger schmutzig zu machen. Was, so frage ich mich, hätte eine Frau aus diesem Stoff gemacht?
Wenn man(n) den Film schaut, kann man(n) sich als Zuschauer leicht selbst auf die Schulter klopfen: „Gut, dass wir heute weiter sind.“ Aber sind wir das? Und wenn ja – die Entscheidung überlasse ich ihnen – dann sind wir das trotz dieses Films, aber ganz sicher nicht wegen dieses Films!
Niedlich ist allerdings der Name der Produktionsgesellschaft: „Revolution Studios“!?!
Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am 12.06.2025.
Coming-of-Age Dramödie, USA, 2003, FSK: 0, Regie: Mike Newell, Drehbuch: Lawrence Konner, Mark Rosenthal, Produktion: Elaine Goldsmith-Thomas, Paul Schiff, Deborah Schindler, Musik: Rachel Portman, Kamera: Anastas N. Michos, Schnitt: Mick Audsley, Mit: Julia Roberts, Kirsten Dunst, Julia Stiles, Maggie Gyllenhaal, Ginnifer Goodwin, Ebon Moss-Bachrach, Dominic West, Juliet Stevenson, Marcia Gay Harden, John Slattery, Marian Seldes, Donna Mitchell, Terence Rigby, Topher Grace, Jordan Bridges, Laura Allen, Fediverse: @filmeundserien, @ZDF
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