Lieben sie eigentlich Märchen? Glauben sie an die Liebe? – Wenn sie beide Fragen mit Ja beantworten, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie auch das Kino lieben. Und diesen Film. Denn dieser steht für all das und vielleicht für die besten drei Stunden, die sie seit ganz langer Zeit mit der Suche nach einer sich der Perfektion nähernden Symbiose all dessen verbracht haben. Märchenhaft und eben nicht aus Hollywood. Eine Mediathekperle eben!
Ich danke allen Filmgöttinnen und Göttern des Olymps, dass „Undine“ in Deutschland entstehen durfte und nicht Hollywood. Nicht auszudenken, was etwa Disney aus diesem Stoff hätte machen können. Blockbuster, Material für Generationen. Legende. Hatten wir alles schon! Vor ähnlich Leichtgewichtigem hat Regisseur und Autor Christian Petzold uns bewahrt. Er schenkte uns stattdessen diesen kleinen verwunschenen Film aus Berlin. Für das größtmögliche Kino. Das in unseren Köpfen.
Erinnern sie sich noch an den 16.12.2022?
Vielleicht nicht. Aber wenn ich sie daran erinnere, dass am frühen Morgen dieses Freitags in Berlin ein Aquarium explodiert ist. Dann fallen ihnen die verheerenden Bilder vermutlich wieder ein. Und vermutlich werden sie dabei allerlei Gedanken und Theorien hegen. Doch keine davon hat vermutlich mit dem Beginn einer schicksalhaften Liebesbeziehung zu tun.
Die Parallelität der Ereignisse, Zufälle und Schicksal
Anders bei den wenigen Menschen, die „Undine“ damals schon kannten, den Film, der zwei Sommer zuvor auf den Filmfestspielen in Berlin seine Premiere gefeiert hat. Die Corona-Pandemie hat leider verhindert, dass diese Gruppe von Menschen wirklich groß werden konnte… in den Kinos hat der Film nur wenige von ihnen erreichen können. Deshalb ist jede Ausstrahlung im TV auch ein Geschenk, das wir annehmen sollten.
Die Parallelität der Ereignisse, zuerst im Film, dann in der Realität, entsprang natürlich dem puren Zufall. Ganz so, wie die meisten Begegnungen zwischen Menschen. An Zufälle zu glauben, an Märchen und Mythen, das ist das ganze Geheimnis hier. In Hollywood hätte es zum Ende der Geschichte ein Happy End. Hier hat es das nicht. Oder eben doch. Das lasse ich offen. So wie das Schicksal von Undine und Christoph.
Die Wassergeister
Es ist das modernste Berliner Märchen, von dem ich weiß. Und es ist die Verfilmung eines Mythos, der mindestens bis in das 16. Jahrhundert zurückreicht. Die Geschichten der Undine, der Wasserfrau, sind vermutlich noch viel älter, als das, was über sie geschrieben steht. Ich möchte gerne daran glauben. Die modernen Wasserfrauen treffen wir vermutlich jeden Tag. In der Straßenbahn, im Büro, oder bei der Stadtverwaltung. Nun bin ich wirklich kein Esoteriker. Doch glaube ich an gute Geschichten. Und die Kraft des Kinos, diese Geschichten zu erzählen.
So liebe ich Paula Beer aus tiefstem Herzen. Ganz so wie ich Franz Rogowski liebe. Zwei absolute Ausnahmedarsteller:innen, die nicht nur das beste ihrer Kunst repräsentieren, sondern sich auch sehr gut kennen und deshalb perfekt ergänzen.
Am Wochenende werde ich spazieren gehen. Am Dortmund-Ems Kanal.
Wenn sie mich suchen, werden sie mich finden…
Spielfilm, Deutschland, Frankreich, 2020, FSK: ab 12, Regie & Buch: Christian Petzold, Kamera: Hans Fromm, Schnitt: Bettina Böhler, Mit: Paula Beer, Franz Rogowski, Jacob Matschenz, Maryam Zaree, Anne Ratte-Polle, Rafael Stachowiak, Julia Franz Richter, Gloria Endres de Oliveira, José Barros
Und wenn sie lieber nach- oder vorlesen:
- Eine liebevolle Huldigung der Paula Beer von Xaver von Cranach finden sie im ARTE Magazin vom November 2020.
- Eine Filmkritik zu „Undine“ von Andreas Fanizadeh in der taz – Achtung Spoiler!
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