„Basiert auf Wahrheit, Lügen und miesen Erinnerungen…“ – wenn ein öffentlich-rechtliches „Biopic“ mit so einem Disclaimer startet, dann ist Hinsehen eine Beitragszahler:innenpflicht. Und weil es aus Norwegen kommt, gleich nochmal!
Wird das jetzt das neue „Borgen“? Nur dieses Mal als Biopic, nach einer wahren Geschichte? Ich hatte gemischte Erwartungen an diese norwegische Serie, die von der ARD „online first“ heute in die Mediathek gestellt wurde und die der NDR ab dem 02. Januar 2024 in seinem „III. Programm“ ausstrahlen wird.
„Die norwegisch-deutsche Koproduktion wurde von NDR, WDR und SWR im Rahmen der FabFiction-Initiative koproduziert. Die Initiative wurde 2022 ins Leben gerufen. Ziel ist es, in der ARD Mediathek junge Angebote für die Streamergeneration bereitzustellen mit Programm, das relevant ist und das Publikum gut unterhält.“
Also eine Serie für mich? Weil ich (mittelalter weißer Mann) ca 90% meines TV Konsums aus den Mediatheken streame. Oder doch eher für die Generationen nach mir und uns, für die „Fernsehen“ als Kulturtechnik eigentlich schon längst irrelevant ist? Sowohl als auch, würde ich sagen. Egal! Denn sie funktioniert einfach auf allen Ebenen.
„Ich war erleichtert, weil es ziemlich gut war.
Und ich habe mich wiedererkannt.“
Gro Harlem Brundtland
1981, und damit 24 Jahre vor Angela Merkels Wahl zur Bundeskanzlerin, wurde Gro Harlem Brundtland die erste Ministerpräsidentin in der Geschichte Norwegens. Wenn wir uns mal die langen Fäden patriarchalischer Politik ansehen wollen, dann könnte „Mann“ ihre Wahl innereuropäisch durchaus als feministische sozialdemokratische Reaktion auf 1979 und
Doch darum geht es in dieser Serie nur am Rande. Denn sie fokussiert auf das allen drei Frauen gemeinsame Thema: Ihr Aufstieg in patriarchalen und chauvinistischen Parteien bis in die höchste Regierungsverantwortung ihrer Länder. So etwas kann streng dokumentarisch, biografisch und historisch nacherzählt werden, dramaturgisch aufbereitet und künstlerisch interpretiert… oder, wie diese kleine Serie, entgegen der Konvention, zugespitzt, witzig, entlarvend und manchmal transzendent sogar die Zeitlinien überschreitend.
Wir waren überzeugt, dass diese Geschichte für ein modernes Publikum relevant ist, denn sie hilft zu verstehen, wie das politische System heute funktioniert.
(Johan Fasting, Headautor)
Ich bin erst bei der dritten Folge – unterwegs nach
. Das ist schon weit genug, um dieses Werk zu lieben. Obschon es ein wenig braucht, sich mit der norwegischen Parteienlandschaft, insbesondere der spezifisch sozialdemokratischen Szenerie und den vielen Akteuren vertraut zu machen. Es ist herrlich nostalgisch und wahnsinnig modern zugleich. Stilistisch wahrscheinlich das beste, was ich in dem Genre bisher gesehen habe. Ein regelrechter Polit-Thriller. Und die Geschichte nimmt sich die Zeit, die es eben braucht.Da wo „The West Wing“ moralisch, „Borgen“ episch und „House of Cards“ (die US-Version) stylisch und moralisch korrupt waren, da ist „Powerplay“ verwirrend, ironisch, etwas schmutzig und grobkörnig – als ob auf altem Filmmaterial gedreht, vor allem, manchmal wahnsinnig witzig, meistens auf Kosten der Männer. Und das geht nur, weil es eine regelrecht feministische Erzählung ist, die ihrem Wesen nach, vor allem fesseln und unterhalten will.
Das wir dabei auch etwas lernen können, ist ja nicht schlimm…
Die zweite Staffel soll noch im nächsten Jahr folgen… freuen wir uns darauf!
TV-Serie, 6 Folgen (55min), Norwegen, 2023, NRK, NDR, Buch: Johan Fasting (Headautor), Kristin Grue, Silje Storstein, Regie: Yngvild Sve Flikke, André Chocron, Elle Márjá Eira, Kamera: John Erling Holmenes Fredriksen u.a., Schnitt: Vetle Strøm u.a., Musik: Kåre Chr. Vestrheim, Produktion: Camilla Brusdal, Yngve Sæther, Vilje Kathrine Hagen Motlys, Redaktion: Marianne Furvold, Alec Thom, Sabine Holtgreve, Christian Granderath, Mit: Kathrine Thorborg Johansen, Sjur Vatne Brean, Jan Gunnar Roise, Anders Baasmo, Trond Espen Seim, Karl Vidar Lende, Nader Khademi
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