Skål, Genoss:innen! – „Powerplay – Smart Girls Go for President“ (2023)

„Basiert auf Wahrheit, Lügen und miesen Erinnerungen…“ – wenn ein öffentlich-rechtliches „Biopic“ als Serie in gleich zwei Staffeln mit so einem Disclaimer startet, dann ist Hinsehen eine verdammte Beitragszahler:innenpflicht. Und weil das ganze aus Norwegen kommt, eigentlich gleich nochmal!
Kathrine Thorborg Johansen spielt Gro Harlem Brundtland – Bild (Ausschnitt): NDR/Motlys/Erika Hebbert

Ist das jetzt das neue „Borgen“? Nur dieses Mal als Biopic, nach einer wahren Geschichte? Ich hatte gemischte Erwartungen an diese norwegische Serie, die von der ARD 2023 „online first“ in die Mediathek gestellt wurde und die der NDR in seinem „III. Programm“ ausgestrahlt hat. Vermutlich haben Sie damals nicht wirklich viel davon mitbekommen?

„Die norwegisch-deutsche Koproduktion wurde von NDR, WDR und SWR im Rahmen der FabFiction-Initiative koproduziert. Die Initiative wurde 2022 ins Leben gerufen. Ziel ist es, in der ARD Mediathek junge Angebote für die Streamergeneration bereitzustellen mit Programm, das relevant ist und das Publikum gut unterhält.“

Pressemappe NDR

Also eigentlich eine Serie für mich? Weil ich (mittelalter weißer Mann) ca. 90% meines TV Konsums aus den Mediatheken streame. Oder doch eher für die Generationen nach mir und uns, für die „Fernsehen“ als Kulturtechnik eigentlich schon längst irrelevant ist? Sowohl als auch, würde ich sagen. Egal! Denn sie funktioniert einfach auf allen Ebenen.

„Ich war erleichtert, weil es ziemlich gut war.
Und ich habe mich wiedererkannt.“

Gro Harlem Brundtland

1981, und damit 24 Jahre vor Angela Merkels Wahl zur Bundeskanzlerin, wurde Gro Harlem Brundtland die erste Ministerpräsidentin in der Geschichte Norwegens. Wenn wir uns mal die langen Fäden patriarchalischer Politik ansehen wollen, dann könnte „Mann“ ihre Wahl innereuropäisch durchaus als feministische sozialdemokratische Reaktion auf 1979 und Margaret Thatcher interpretieren, denn diese beiden Frauen repräsentierten zu ihrer Zeit die beiden Pole (west-)europäischer Politik.

Doch darum geht es in dieser Serie nur am Rande. Denn sie fokussiert auf das allen drei Frauen gemeinsame Thema: Ihr Aufstieg in patriarchalen und chauvinistischen Parteien bis in die höchste Regierungsverantwortung ihrer Länder. So etwas kann streng dokumentarisch, biografisch und historisch nacherzählt werden, dramaturgisch aufbereitet und künstlerisch interpretiert… oder, wie diese kleine Serie, entgegen der Konvention, zugespitzt, witzig, entlarvend und manchmal transzendent sogar die Zeitlinien überschreitend.

Basiert auf Wahrheit, Lügen und miesen Erinnerungen
Bild (Ausschnitt): Screenshot / NDR / ARD Mediathek

Wir waren überzeugt, dass diese Geschichte für ein modernes Publikum relevant ist, denn sie hilft zu verstehen, wie das politische System heute funktioniert.

Johan Fasting, Headautor

Obschon es ein wenig braucht, sich mit der norwegischen Parteienlandschaft, insbesondere der spezifisch sozialdemokratischen Szenerie und den vielen Akteuren vertraut zu machen. Es ist herrlich nostalgisch und wahnsinnig modern zugleich. Stilistisch wahrscheinlich das beste, was ich in dem Genre bisher gesehen habe. Ein regelrechter Polit-Thriller. Und die Geschichte nimmt sich die Zeit, die es eben braucht.

Da wo „The West Wing“ moralisch, „Borgen“ episch und „House of Cards“ (die US-Version) stylisch und moralisch korrupt waren, da ist „Powerplay“ verwirrend, ironisch, etwas schmutzig und grobkörnig – als ob auf altem Filmmaterial gedreht, vor allem, manchmal wahnsinnig witzig, meistens auf Kosten der Männer. Und das geht nur, weil es eine, nach allen Regeln, feministische Erzählung ist, die ihrem Wesen nach, uns vor allem fesseln und unterhalten will.

Und wer macht bei euch zu Hause den Abwasch?

Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am 29.12.2023. Permalink: https://nexxtpress.de/b/QuP



TV-Serie, 12 Folgen (x55min) 2 Staffeln, Norwegen, 2023, NRK, NDR, Buch: Johan Fasting (Headautor), Kristin Grue, Silje Storstein, Regie: Yngvild Sve Flikke, André Chocron, Elle Márjá Eira, Kamera: John Erling Holmenes Fredriksen u.a., Schnitt: Vetle Strøm u.a., Musik: Kåre Chr. Vestrheim, Produktion: Camilla Brusdal, Yngve Sæther, Vilje Kathrine Hagen Motlys, Redaktion: Marianne Furvold, Alec Thom, Sabine Holtgreve, Christian Granderath, Mit: Kathrine Thorborg Johansen, Sjur Vatne Brean, Jan Gunnar Roise, Anders Baasmo, Trond Espen Seim, Øyvind Brandtzæg, Karl Vidar Lende, Nader Khademi, Fediverse: @filmeundserien@a.gup.pe


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  1. Avatar von igorette

    @mediathekperlen Ich fand es nicht gut

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    1. Avatar von Mediathekperlen

      Danke für das Feedback! Das kann ich auch sehr gut verstehen. Die Serie ist eckig und hat Kanten… und noch dazu ist sie durch und durch skandinavisch. Mich reizt sowas. Aber sicher nicht sehr viele andere.

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    2. Avatar von igorette

      @mediathekperlen @igorette Mit skandinavisch habe ich kein Problem. Aber ähnlich wie Parlament hatte die Serie eine gewisse Künstlichkeit, Bemühtheit mit der ich nicht konnte.

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