Mit Verlaub, das ist großartig! Auch ganz ohne Anfeindungen von Opposition und Extremen ist Kommunalpolitik eine Knochenmühle. Menschen, die sich darauf einlassen, zahlen einen Preis. Was Rohde, Flint und das Ensemble um Regisseur und Autor Hartmut Schoen hier zeigen, ist selten und sicher nicht weit weg von der Wahrheit.
Ich bin seit rund 40 Jahren immer wieder mal unterschiedlich nah dran, an der „kleinen“ Kommunalpolitik. Auch weil ich sie für die Ebene in unserem System halte, auf der mein allgemein geringer Einfluss eine Chance hat, trotzdem manchmal sofort wirksam zu sein. Unterschätzen Sie das nicht!
Groß- oder Kleinstadt macht da gar nicht so sehr den Unterschied. Ich kenne beides ganz gut. Natürlich unterscheiden sich die Menge der Menschen – die alle etwas wollen, beizutragen, besser wissen oder durchzusetzen haben, um irgendwie davon zu profitieren – und die Größe des Apparates, der fordert und steuert und fremdbestimmt. Ich wusste immer genau, dass ich das alles nie durchhalten könnte. Deshalb war ich nie bereit, selbst für ein Amt zu kandidieren.
Es mag absurd erscheinen, doch gerade diese Woche habe ich mich mit einem Freund der im Stadtrat, seiner Fraktion, als Mitarbeiter seiner Partei und als mehrfacher Familienvater wirklich gut beschäftigt ist, zum Biertrinken verabredet. In drei Monaten! Private Termine ein fucking Vierteljahr im Voraus zu machen, daran will ich mich nicht gewöhnen müssen!
„Jeder Trottel redet dich an. Wie jeder meint, dir seine Meinung sagen zu müssen. Da könnte ja jeder kommen, habe ich mir gedacht. Und der Witz ist, es kommt jeder. Es kommt jeder!“
Der Oberbürgermeister, den Armin Rohde hier gibt, ist eigentlich alles andere als eine Sympathiefigur. Aber eine Glanzrolle für den Gladbecker, die ich tief in Erinnerung behalten habe. In seinem zurückgenommenen Spiel – und dem der ebenso absolut großartigen Katja Flint nicht minder – liegt eine Tragik und Tiefe, die aus diesem Film von Hartmut Schoen ein absolut wirklichkeitsnahes Drama machen.
Die Kombination Rohde und Schoen ist, wie schon in ihrer großen Kiezgangsterballade „Alleingang“ (2012) hier tatsächlich einmal mehr ein Zeugnis dafür, wie weit ein deutscher Fernsehfilm gehen kann. Ganz ähnlich wie in Rohdes langer Zusammenarbeit mit Lars Becker, erzählen sie Geschichten, die weit näher an der Wirklichkeit liegen, als an Erwartungshaltungen von Redaktionen oder gar dem Publikum.
Die trostlose Bürgerlichkeit, in ihrem Anschein von Normalität, die atmosphärische Dichte der Inszenierung, die enorm starke Bildgestaltung und das gesamte Ensemble sind, für eine deutsche TV-Produktion, tatsächlich auf ganz großem Niveau. Oft sehen wir sowas jedenfalls nicht.
Und an die letzte, fast schon absurde Szene mit Armin Rohde – jenseits wirklich aller Verzweiflung – werden bestimmt auch sie sich danach noch lange erinnern.
Wenn wir nur – um wieder zum Ausgangspunkt dieses Beitrages zurückzukommen – die sogenannten „Mechanismen“ unserer politischen Strukturen wieder so weit menschlicher gestalten könnten, dass Menschen, die sich dort (freiwillig) betätigen, mitsamt ihrer Familien, nicht zwingend mit ihrem Privatleben dafür bezahlen, dann wäre auch die Politik besser.
Daran glaube ich fest!
Fernsehfilm, Deutschland, 2015, FSK: ab 0, Regie: Hartmut Schoen, Buch: Hartmut Schoen, Kamera: Andreas Doub, Schnitt: Vessela Martschewski, Ton: Ed Cantú, Licht: Gregor Havenith, Szenenbild: Tim Pannen, Kostümbild: Gudrun Schretzmeier, Maske: Sabine Schumann, Bothilla Bergschmidt, Casting: Bo Rosenmüller, Musik: Matthias Frey, Herstellungs- und Produktionsleitung: Holger Heinßen, Produzentin: Dagmar Rosenbauer, Redaktion: Michael André, Götz Bolten, WDR, Mit: Armin Rohde, Katja Flint, Alexander Held, Ronald Kukulies, Eleonore Weisgerber, Michaela Caspar, Lore Richter, Alexander Radszun
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