Steven Spielberg, Meryl Streep, Tom Hanks – „Die Verlegerin“ (2017)

Im englischen Original heißt der Film „The Post“ und trifft damit den eigentlichen Kern der Geschichte viel mehr, als sein deutscher Titel. Doch konnte die Bedeutung der größten Lokalzeitung der Vereinigten Staaten eigentlich kaum besser personalisiert werden, als durch seine Verlegerin, Katharine Graham, die es verstand, aus dem Lokalblatt einen nationalen Medienkonzern und eine globale Institution der freien Presse zu formen. Bis Jeff Bezos das Steuer übernahm.

 
 
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Dass ausgerechnet Steven Spielberg sich dieser Geschichte annehmen würde, vier Jahre nachdem (ausgerechnet) der Boss von Amazon, Jeff Bezos, das Blatt 2013 von Frau Graham übernommen hat, die es bis dahin über 50 Jahre geführt hat, konnte mich überraschen. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung, quasi unmittelbar, nachdem Donald Trump zum ersten Mal in das Weiße Haus eingezogen war, ließ mich nachdenken. War das auch eine politische Reaktion des Blockbuster-Königs aus Hollywood?

„Als ich den ersten Entwurf des Drehbuchs las, war dies nicht etwas, das drei Jahre oder zwei Jahre warten konnte – dies war eine Geschichte, von der ich fühlte, dass wir sie heute erzählen mussten.“

Steven Spielberg, Patrick Ryan, USA TODAY, 20.11.2017

Schließlich war die Washington Post schon in Alan J. Pakulas 4-fach mit einem Oscar prämierten Meisterwerk „Die Unbestechlichen“ (1976) eine Vorlage für einen durchaus atemberaubenden Polit-Thriller darüber, wie die Zeitung Richard Nixon 1974 zum Rücktritt bewegen konnte. Dustin Hoffman und Robert Redford wurden dafür zu den Alter-Egos von Carl Bernstein und Bob Woodward, den beiden Journalisten, die von ihrem Ruhm bis heute zehren und sich als Autoren zahlreicher Bestseller und Kommentatoren über 50 Jahre lang ein Profil, mit weltweitem Ruf erarbeitet haben.

Steven Spielberg rückt den Vorgang in seinem Film „The Post“ („Die Verlegerin“, 2018) in den Mittelpunkt: ein wenig als Geschichtsstunde, vor allem aber als ein Plädoyer für einen unabhängigen Journalismus als eine der Grundsäulen der Demokratie.

Lars Penning, taz, 19.4.2018

Mit den Pentagon-Papers griff Spielberg eine Geschichte von 1971 im direkten Zusammenhang mit dem Vietnamkrieg auf, die noch vor den Watergate-Enthüllungen lag. Und eigentlich war es zuerst eine Story der nationalen Konkurrenz, nämlich der New York Times, welche mit den Dokumenten des Whistleblowers Daniel Ellsberg als erste an die Öffentlichkeit gegangen ist. Am Ende, und das kommt im Film sehr gut heraus, war die Entscheidung der Post-Verlegerin, sich an deren Veröffentlichung zu beteiligen, auch eine, sich gemeinsam und solidarisch mit der Konkurrenz gegen die Regierung zu stellen.

Steven Spielberg, der in den siebziger Jahren seine Karriere begann, gelingt es, diese folgenreiche Pressegeschichte so zu erzählen, dass sie keinerlei historische Patina hat. In keinem Moment kann man sich ihr mit wohligem historischen Distanzgefühl entziehen – nur weil ein redigierter Artikel mit der Rohrpost geschickt wird oder Münzgeld neben einem Telefonhörer liegt, sind wir nicht fern des Geschehens. Das alles könnte hier und jetzt passieren, im Redaktionsgebäude einer türkischen Oppositionszeitung, im Schlafzimmer einer russischen Bloggerin oder sogar im leitenden Redakteursbüro des ZDF-Nachrichtenstudios. Entscheidungen um der Freiheit von Presse und Öffentlichkeit willen werden nach wie vor getroffen. Und nicht immer gehen sie so gut aus wie hier.

„Gegen die Horde dauerqualmender Männer“, Simon Strauss, FAZ, 22.02.2018

Wie immer bei Spielberg ist die Perfektion des Filmes durchaus atemberaubend. Und das, obwohl in diesem Redaktions-Kammerspiel nicht viel mehr passiert, als dass Menschen fortwährend reden. Ich habe es selbst nicht versucht, doch ich bin ziemlich sicher, dass das Skript auch für ein hervorragendes Hörbuch taugen würde. Bessere, präzisere, schnellere Dialoge habe ich, wenn, dann wirklich lange nicht gehört oder gesehen, da hat Simon Strauss einen Punkt getroffen. Und natürlich empfehle ich wieder die Originalversion!

Es ist ein Genuss, die großartige Streep, als Verlegerin Katharine „Kay“ Graham in einem Testosteron-gesättigten Männergeschäft, und den brillanten Hanks, als ihren Chefredakteur Ben Bradlee, hier wieder einmal in Rollen zu sehen, die sie mit der größten Seriosität ihrer Kunst und dem heiligen Zorn einer held:innenhaften Mission auf die Leinwand bringen. Pakulas und Spielbergs Filme müssen nun tatsächlich in einem Atemzug genannt werden. Der jüngere hat den älteren sicher nicht enttäuscht.

„Wir drucken.“ Es sind diese Worte, gesprochen am Telefon, mit denen Katherine „Kay“ Graham Geschichte machte. Es war das Jahr 1971 und Graham entschied als Verlegerin der Washington Post, die Pentagon-Papiere zu publizieren – geheime Dokumente, die belegten, dass die US-Regierung die Bevölkerung in Sachen Vietnam systematisch belog.

Dinah Riese, taz, 26.2.2018

Vom Anfang bis zum Ende – zu welchem gerade in das Büro der Demokraten im Watergate-Gebäude eingebrochen wird – ist dieser Film auch ein Manifest für die Freiheit der Presse und für die Bedeutung und Verantwortung von unabhängigen Journalist:innen. Ein Manifest, welches keine Existenzberechtigungen vorsieht, für Milliardär:innen, die entscheiden wollen, was eine Redaktion schreiben darf und was etwa nicht.

Und weil das nicht nur für eine Zeitung mit globaler Reichweite, sondern ganz genau so auch für das Regionalblatt der Millionärsfamilie aus ihrer Nachbarschaft gilt, ist der Film ein ganz hervorragender Anlass, alle Medien, die sie heute noch auf ihrer Abo-Liste haben, einmal darauf zu überprüfen, inwieweit, diese Unabhängigkeit etwa dort gewährleistet wird.

Die Demokratie stirbt am hellichten Tag!

Lesen Sie auch: Washington Post – „Democracy Dies in Darkness“#Kurzperlen, 05.05.2025

Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am 04.05.2025.



Polit-Thriller, USA, 2017, FSK: ab 6, Regie: Steven Spielberg, Drehbuch: Liz Hannah, Josh Singer, Produktion: Kristie Macosko Krieger, Steven Spielberg, Amy Pascal, Musik: John Williams, Kamera: Janusz Kaminski, Schnitt: Sarah Broshar, Michael Kahn, Mit: Meryl Streep, Tom Hanks, Bruce Greenwood, Alison Brie, Carrie Coon, David Cross, Tracy Letts, Bob Odenkirk, Sarah Paulson, Jesse Plemons, Michael Stuhlbarg, Bradley Whitford, Matthew Rhys, Zach Woods, Pat Healy, John Rue, Philip Casnoff, Brent Langdon, Deirdre Lovejoy, Fediverse: @filmeundserien



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    @mediathekperlen

    Es geht um den Vietnam Krieg und die Machenschaften von Akteuren im Weißen Haus, und darum, wie die Presse (NYTimes und WaPo) damit umgehen, unter dem Druck der Geldgeber und des Justizministeriums, welche die Veröffentlichung brisanter Dokumente verhindern wollen.

    @filmeundserien

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