Greg Kinnear, Katie Holmes – „Die Kennedys“ (2011)

Zunächst das Offensichtliche: Dieses ist keine historische Serie – es ist ein Hochglanz-Halluzinogen. Wer dachte, hier würde sauber recherchierte Geschichte mit feinfühligem Schauspiel verbunden, läge falsch. Stattdessen bekommen wir: Prunk, Pathos und Powerplay, als hätte jemand Oliver Stone gesagt, er solle eine Vorabendserie für das ZDF produzieren. Jetzt wieder bei ONE, der Grabbelkiste der ARD.



Hier wurde ein Video von Youtube, einer Plattform von Alphabet (Google) eingebunden. Der Inhalt wird nur geladen, wenn sie zuvor einer Übertragung ihrer persönlichen Daten (ua. ihrer IP-Adresse) an die Plattform zustimmen. Klicken Sie auf dieses Cover, um den Inhalt anzuzeigen.

Erfahren Sie mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube.

Die Macher:innen der Serie hatten wahrscheinlich Großes vor: Die packende Geschichte der Kennedy-Dynastie, von der politischen Vision bis zum sexuellen Verhängnis, von der Kubakrise bis zur Katastrophe in Dallas. Heraus kam ein Produkt, das aussieht wie eine Hochglanz-Wahlkampfbroschüre, die jemand in einem Hotelbadezimmer vergessen hat.

JFK, der Posterboy der Westlichen Weltordnung™

Greg Kinnear spielt John F. Kennedy – oder vielmehr das, was Fox News sich wohl unter einem „liberalen Präsidenten“ vorstellt: gutaussehend, moralisch schwankend, aber irgendwie trotzdem nobel. Ein Charismabro mit Rückenschmerzen und dem Hang, seine Sekretärinnen wie Snacks zu konsumieren. Und was tut die Serie? Sie macht daraus kein Problem, sondern ein Feature. Sex als Machtmittel, Ehebruch als Charaktertiefe – na klar.

Jackie, die Tapfere im Taft

Katie Holmes als Jackie Kennedy ist so blass, dass Sie fast versucht sein werden, die Fernbedienung zu drücken, um den Kontrast zu erhöhen. Dabei war Jackie in Wirklichkeit alles andere als farblos – sie war clever, zäh, kultiviert und politisch viel wacher, als diese Serie ihr zugesteht. Aber in „Die Kennedys“? Da ist sie Deko mit Tränensäcken.

Der Kennedy-Clan: Schattenfamilie mit Glanzpolitur

Wenn Die Sopranos“ die italienisch-amerikanische Mafia behandelt haben, dann behandeln „Die Kennedys“ die irisch-amerikanische Elite – nur leider mit viel weniger Selbstironie. Tom Wilkinson als Joseph Kennedy Sr. ist der Godfather, den Sie mit Ihren Steuerunterlagen nicht allein lassen wollen. Ein Patriarch mit Wall-Street-Ambitionen, Nazi-Sympathien und einem Clan-Management-Stil, der Vito Corleone wie einen italienischen Kuschelteddy wirken lässt.

Der ganze Kennedy-Mythos – Camelot, wie sie es nennen – wird hier durchgespielt wie ein gut geöltes PR-Drama: Wahlkampf als Familiensache, Attentate als Schicksalsschläge mit Ed Sheeran-Score. Nur dass es Ed Sheeran noch nicht gab – aber die Sentimentalität ist dieselbe.

Historischer Exkurs: Dynastien, Demokratie und Doppelmoral

Amerika hat ein seltsames Verhältnis zur Demokratie: Es feiert sie mit der einen Hand, und installiert politische Dynastien mit der anderen. Bush, Clinton, Trump – und eben Kennedy. Letztere galten lange als Lichtgestalten, obwohl sie auch nichts anderes waren als gut vernetzte Eliten mit einem tiefen Verständnis dafür, wie man Medien, Macht und Moral in einen hübschen Instagram-Post packt – lange bevor, Sie ahnen es, Instagram überhaupt erfunden wurde.

In Deutschland wäre das undenkbar. Der Versuch, eine „Familienlinie der Politik“ zu etablieren, endet bei uns spätestens an der Kanzler-Kante. Selbst Friedrich Merz – der sich im Anzug seines Großvaters aus den 50ern ins 21. Jahrhundert geschleppt hat – wirkt wie eine Karikatur aus der Zeit von Adenauer, nicht wie ein Nachfolger Willy Brandts. Der kniete in Warschau – JFK machte Selfies mit Marilyn. Der Unterschied konnte ja nicht größer sein.

Was hat Trump damit zu tun?

Nun, wenn Sie „Die Kennedys“ heute sehen, wirkt es fast wie ein Märchen. Man glaubt kaum, dass Amerika je von jemandem regiert wurde, der ganze Sätze formulieren konnte und wusste, wo Berlin liegt. Im Vergleich zu Trump – dem Reality-Star, der einen Präsidenten spielt – wirkt JFK wie Cicero mit Zahnpasta-Werbevertrag.

Die Ironie: Alles, was wir 2011 noch als „übertrieben“, „dramatisiert“ oder „zu boulevardesk“ kritisiert hätten, wirkt heute fast schon harmlos. Die Trivialisierung der Macht, das Familiendrama im Weißen Haus, das Schauspiel auf der Weltbühne – das alles ist unter Trump zur bitteren Realität geworden. „Die Kennedys“ war also doch kein Geschichtsstück, sondern ein prophetisches Dokument der postfaktischen Demokratie.

Fazit: Zwischen Kitsch, Kapital und Katastrophe

Was bleibt von dieser Serie? Ein Gefühl. Ein bisschen so, wie wenn wir nach dreißig Jahren wieder an den Schrank mit alten Wahlplakaten gehen und uns fragen, warum das Gesicht von Helmut Kohl auf einmal fast wieder attraktiv wirkt.

Jetzt zieht auch noch One, der Wühltisch der ARD, dieses Hochglanz-Missverständnis wieder aus der Fernsehversenkung – als wäre „Die Kennedys“ ein zu Unrecht vergessener Klassiker und nicht das politische Pendant zu „Sturm der Liebe“. Zwischen „Krieg und Frieden“ als Seifenoper und Hape Kerkeling-Recycling läuft das Ganze nun wieder, als könnte ein bisschen Camelot-Glamour vom restlichen Programmelend ablenken. Spoiler: Kann es nicht.

„Die Kennedys“ ist wirklich keine Mediathekperle. Aber sie ist ein interessantes Artefakt. Ein Echo aus einer Zeit, in der das politische Personal noch mit Maßanzug und Machiavelli arbeitete, nicht mit Twitter und Truthern. Wenn Sie wirklich wollen, dann…

Mit einem oder zwei Glas Bourbon. Und viel, viel Ironie.

Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am27.05.2025.



TV-Serie, USA, 2011, FSK: ?, Regie: Jon Cassar, Drehbuch: Stephen Kronish, Joel Surnow, Mit: Greg Kinnear, Katie Holmes, Tom Wilkinson, Diana Hardcastle, Gabriel Hogan, Barry Pepper, Kristin Booth, Don Allison, Enrico Colantoni, Rothaford Gray, Chris Diamantopoulos, Charlotte Sullivan, Serge Houde, Fediverse: @filmeundserien



Reaktionen:

Wie bewerten Sie diesen Film / diese Serie?

Dieser Film / diese Serie wurde 1x im Durchschnitt mit 1 bewertet.

Bisher keine Bewertungen.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Sie können diesen Beitrag auch über das Fediverse (zum Beispiel mit einem Konto auf einem Mastodon-Server) kommentieren.