Cher, Nicolas Cage – „Moonstruck“ (1987)

Ich begegne romantischen Komödien grundsätzlich mit Misstrauen – zu oft sind sie süßlich, affirmativ, geschlechterpolitisch ein Desaster. Dieser Film ist all das. Und dennoch liebe ich ihn in jedem Moment. Norman Jewisons New Yorker Operettenmärchen aus dem Jahr 1987 ist eine Ode an das Begehren im Alter, an die Lächerlichkeit des Herzens, an die Unlogik der Gefühle. Er ist altmodisch, glaubt an die große Geste, den Sturm und den Vollmond – und erlaubt seinen Figuren, komplett zu überziehen. Das ist einfach herrlich!



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Cher – der Mega-Weltstar, die überlebensgroße Ikone, die Hollywood-Glamour-Queen höchstselbst spielt eine verwitwete Buchhalterin mit grauem Haar, vollständig geerdeten und kontrolliertem Auftreten und einem ebenso kontrollierten, aber enorm abgründigen Blick. Eine souveräne und lakonische Präsenz – nie devot, nie mädchenhaft, nie romantisch im Sinne irgendeines überlieferten Klischees. Sie spielt keine Rolle, sie verkörpert eine Haltung: pragmatisch, verletzt, bereit.

Jede Szene mit ihr wirkt wie eine Selbstermächtigung, nie laut, nie didaktisch, sondern einfach selbstverständlich. Wenn sie sich entscheidet, wirkt das nicht wie ein Tabubruch, sondern wie die einzig logische Entscheidung einer erwachsenen Frau, die sich selbst ernst nimmt. Cher war nie ikonischer, nie menschlicher. Ihr Oscar war kein Zufall, sondern die seltene Anerkennung einer Präsenz, die sich dem männlichen Film-Blick eigentlich sonst komplett entzieht.

Und dann: Nicolas Cage. BÄM! Jung, wild, exaltiert, voller grandiosem Pathos. Ein einhändiger Bäcker, der in der Oper heult, seinen Bruder hasst und die Liebe wie eine Krankheit erlebt. Diese Energie ist unberechenbar – fast schon grotesk in ihrer Übersteigerung. Ganz, ganz großer Cage! Denn in diesem übergroßen Spiel liegt eine Wahrheit, die wir in zahmeren Filmen vergeblich suchen: Liebe ist keine Kalkulation. Cage spielt, als wäre er ein Charakter aus einer Verdi-Oper, direkt aus dem Bühnennebel in den Orchestergraben gefallen. Und „Moonstruck“ erlaubt ihm das. Er darf laut sein, unlogisch, melodramatisch. Es funktioniert, weil der Film den Wahnsinn der Gefühle nicht pathologisiert, sondern feiert.

„Loretta, I love you. Not like they told you love is, and I didn’t know this either, but love don’t make things nice – it ruins everything. It breaks your heart. It makes things a mess. We aren’t here to make things perfect. The snowflakes are perfect. The stars are perfect. Not us. Not us! We are here to ruin ourselves and to break our hearts and love the wrong people and die. The storybooks are bullshit. Now I want you to come upstairs with me and get in my bed!“

– Filmzitat (Ronny Cammareri)

Cage spielt den Ronny als wäre er angeschossen: überdreht, und roh. Seine Figur ist ein romantischer Anarchist, unfähig zur Diplomatie, getrieben von Schmerz und Sehnsucht. In Ronnys Ausbrüchen liegt ein kindlicher Furor, aber auch ein existenzielles Bekenntnis: Wer liebt, riskiert den Verstand. Er verkörpert hier genau die emotional aufgeladene, manische Männlichkeit, die später zu seinem überlebensgroßen Markenzeichen wurde – immer eine Balance zwischen Tragödie und Groteske. Von „Wild at Heart“ (1990) über „Leaving Las Vegas“ (1995) bis „Mandy“ (2018) wird er immer wieder zu dieser Figur zurückkehren: ein Mann am Rand, total überhitzt, bar jeder Ironie – und gerade deshalb, selbst als Parodie seiner selbst, unvergesslich.

Jewisons Regie war angesichts dieser übergroßen Charaktere (und Egos) dabei unauffällig klug: Er besaß keine inszenatorische Eitelkeit, sondern ein tiefes Vertrauen in das Spiel, das Drehbuch von John Patrick Shanley und seine Figuren. Die Ehe als Institution wird von ihm komplett dekonstruiert, nicht akademisch, sondern beim Abendessen. Zwischen Weingläsern, zersprungenen Träumen und alternden Eltern entsteht ein poetischer Realismus, in dem alles Platz hat: Wut, Begehren, Reue, Versöhnung. Der Film ist total übertrieben – und gerade deshalb ist alles an ihm wahr.

Johnny: In time you will see that this is the best thing.

Loretta: In time you’ll drop dead and I’ll come to your funeral in a red dress!

– Filmzitat

Ist der Film schon feministisch, weil er Frauen nicht als Projektionsfläche männlicher Sehnsüchte inszeniert, sondern als eigenständige Subjekte mit Lust, Zorn und Entscheidungsmacht? Er erlaubt seinen Frauen Komplexität, Widerspruch, Spott und Würde. Er feiert nicht die romantische Liebe, sondern das Recht, sich immer wieder zu entscheiden – selbst mit grauen Haaren, gebrochenem Herzen und vollem Mond am Himmel.

Was hier ebenso auffällt, ist eine radikale Normalität, mit der Jewison das Alter zeigt. Loretta ist eine Frau Anfang 40. Ihre Eltern haben noch Sex. Ihre Tante blickt zurück, mit Neugier, nicht mit Bitterkeit. Es wird gestritten, geliebt, betrogen – nicht als Affekt, sondern als Teil eines Alltags, in dem Begehren weiterlebt, auch wenn niemand mehr jung ist. Der Film romantisiert das Alter nicht, aber er verwehrt sich der Vorstellung, dass nur die Jugend Gefühle haben darf. In dieser Selbstverständlichkeit liegt eine – für Hollywood – auch nach 40 Jahren immer noch ziemlich revolutionäre Herzenswärme.

Sie müssen diesen Film nicht lieben. Aber wenn Sie es tun, dann verstehe ich sie gut!

Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am 19.07.2025.


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Der Film enthält stereotype Darstellungen italienisch-amerikanischer Familienrollen, vereinzelte homophobe und sexistische Kommentare (zeittypisch), sowie Szenen emotionaler Manipulation und impulsiven Verhaltens in romantischen Beziehungen. Themen wie Trauer, Untreue, familiäre Konflikte und das Altern werden emotional aufgeladen inszeniert. Einige Szenen zeigen lautstarke Auseinandersetzungen und körperliche Nähe ohne explizite Einwilligung.



Romantische Komödie, USA, 1987, FSK: ab 6, Regie: Norman Jewison, Drehbuch: John Patrick Shanley, Produktion: Norman Jewison, Patrick J. Palmer, Musik: Dick Hyman, Kamera: David Watkin, Schnitt: Lou Lombardo, Mit: Cher, Nicolas Cage, Danny Aiello, Olympia Dukakis, Vincent Gardenia, Julie Bovasso, Louis Guss, John Mahoney, Feodor Chaliapin Jr., Anita Gillette, Fediverse: @filmeundserien@a.gup.pe



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  1. Avatar von VHG 🇪🇺🇺🇦
    VHG 🇪🇺🇺🇦

    @mediathekperlen ich begegne aller Filmen mit Nicolas Cage skeptisch bis ignorierend


    1. Avatar von Mediathekperlen

      Das verstehe ich total gut. Der Mann polarisiert. Und du und ich repräsentieren hier die beiden Pole auf der Skala. Heute Abend um 23:30 Uhr gibt es einen Thriller mit Cage & Nicole Kidman auf @3sat – der ist tatsächlich so schlecht, dass ich mich noch nicht überwinden konnte, ihn zu kommentieren. 😉

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