Borgen (Serie, 2010-2023)

Das Serien-Meisterwerk wieder als Mediathekperle bei ARTE

Die dänische TV-Serie „Borgen“ (die Burg) ist unbestritten als Meilenstein im internationalen politischen TV-Drama-Genre einzuordnen. Wenn sie es allerdings in den letzten 13 Jahren geschafft haben, den Fernseher ausgeschaltet zu lassen und das TV Feuilleton zu ignorieren, dann – Glückwunsch! – haben sie etwas verpasst. Mit einer fesselnden Handlung, absolut realistischen Charakteren und einer schonungslosen Darstellung des politischen Betriebes in Dänemark, stand diese Serie zurecht und exemplarisch für den Boom und die Klasse skandinavischer TV-Serien.

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Die Serie dreht sich um den Aufstieg von Birgitte Nyborg, Politikerin der fiktiven Moderaten Partei, gespielt von der fantastischen Sidse Babett Knudsen und ihren Spin-Doktor Kasper Juul (Pilou Asbæk). Nyborg ist eine sympathische und charismatische Politikerin, die zur Überraschung aller nach den dänischen Parlamentswahlen in einem Coup zur dänischen Premierministerin gewählt wird. Die Serie scheut sich nicht vor kontroversen Themen und zwingt ihre Zuschauer:innen geradezu selbst über ethische Dilemmas und politische Strategien nachzudenken. Und zeigt, wie persönliche Werte und Prinzipien dabei mit knallharten politischen Notwendigkeiten in Konflikt geraten.

Die Charaktere sind aber keine (politischen) Abziehbilder, sondern Menschen mit eigenen Geschichten, Herausforderungen und Schwächen. Neben Birgitte Nyborg gibt es einen ganzen Kopenhagener Zoo an Charakteren, darunter Familien, Journalisten:innen, Berater:innen und Rival:innen. Alle sind wirklich sorgfältig entwickelt und damit ein Teil der besonderen Komplexität der Geschichte.

Politik als Beruf“ (Max Weber) verändert Menschen. Und eine Besonderheit von „Borgen“ ist die Art und Weise, wie hier eine menschliche, intime Seite der Politiker:innen beleuchtet wird. Die Serie zeigt persönliche Beziehungen und wie diese beständig auf die Probe gestellt werden. Alle Rollen fühlen sich für mich authentisch an, das liegt natürlich auch an ihrer exzellenten Besetzung. Ob und wie sie sich mit ihnen identifizieren können und wollen, werden sie manchmal an ihren politischen Positionen, manchmal aber auch an ihren menschlichen Handlungen fest machen wollen. Eindimensional sind sie jedenfalls nicht.

Die Kritik hat „Borgen“ für jede einzelne Staffel international gefeiert. Die Serie wurde mit Preisen überhäuft und hat das politische Drama-Genre für das Fernsehen neu definiert. In einer von The Washington Post im Februar 2014 veröffentlichten Rezension bezeichnete der Politikwissenschaftler Stephen B. Dyson sie als „die beste Fernsehserie aller Zeiten über Politik.“ (Wikipedia).

Die Verbindung von politischer Intrige und menschlichen Dramen – ob sie das mögen, weiß ich natürlich nicht. Ob sie das fesselt? Zugegeben, es dauert etwas, bevor sie in den Sog der Geschichten gezogen werden. Und ob sie sich so eine moderne TV Veranstaltung vor dem Hintergrund unserer eigenen „Berliner-Blase“ vorstellen können? Vielleicht lieber nicht. Denn die Distanz zum „exotischen“ Dänemark schafft hier auch den Freiraum für die Kunst und lässt uns diese einfach als solche genießen.

Die vierte Staffel läuft bis zum 14.09. gerade in der deutschen Free-TV-Premiere bei ARTE. Die früheren Staffeln können sie derzeit und bis zum 16.06.2024 in der Mediathek streamen.



TV Kritiken (Achtung Spoiler!):

„Borgen“: Auch die Dänen können Polit-Thriller (Hans Hoff, DWDL, 08.06.2014)
Macht festhalten, Prinzipien loslassen (Rabea Weihser, Zeit-Online, 19.11.2014)
Wir tun Dinge, die uns nicht gefallen (Sandra Kegel, FAZ, 21.11.2012)
Die größte Politikerin des Serienzeitalters (Sebastian Hammelehle, Spiegel, 04.06.2022)
Frauen an der Macht (Carolin Ströbele, Zeit-Online, 02.06.2022)


7 Antworten

  1. Avatar

    @extradienst Falls sich jemand fragen sollte wer schuld ist, wenn ich mal wieder vor Arte versumpfe: Er war‘s! ⬆️

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      Liebe/r @8xTeilzeit, als kollektives Erlebnis ist gemeinsam versumpfen durchaus eine schöne Erfahrung! = Du bist nicht allein! 😉 📺 😎

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    Ich fand die alten „Borgen“-Staffeln – die neue kenne ich noch nicht – allzu harmlos deskriptiv erzählt. Ist es das Ziel, bei*m der Zuschauer*in mehr „menschliches“ Verständnis für eine falsche Politik aufzubringen? Wenn das Medienlob so einhellig ist, wie in diesem Fall, dann ist das doch im besten Fall harmlos. Und verglichen z.B. mit dem amüsanten „Parlament“ war es mir allzu humorlos. https://www.ardmediathek.de/serie/parlament/staffel-1/Y3JpZDovL3dkci5kZS9vbmUvcGFybGFtZW50bmV1/1 (Mediathek noch bis Ende Oktober)
    Politisch ausdrucksstärker und mit härterer Kritik am Bestehenden – und actionreicher – war „Der Adler“ https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Adler_%E2%80%93_Die_Spur_des_Verbrechens
    der ansonsten alle Stärken aufwies, die hier über „Borgen“ aufgeführt sind.

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    @extradienst Borgen die alten Staffeln und auch Borgen – Macht und Ruhm sind auch bei Netflix zu finden. Habe ich am Stück geguckt. Ich muss gestehen ich hatte es vorher nie gesehen. War eine echt Lücke. Viel Freude beim gucken

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    Ich finde, „Borgen“ ist eine einigermaßen realistische Erzählung über die Politik, ihre menschlichen Zumutungen, Verführungsmöglichkeiten, Intrigen, das Scheitern und der Umgang mit Macht – ohne platte Sprüche wie „schmutziges Geschäft“ oder falsche Heroisierungen – es war und ist eher eine Art Einblick ins Handwerk der Politik. Deshalb viel weniger spektakulär, als der „Adler“ – das ist ein völlig anderes Genre. Kriminalität mit politischem Hintergrund und deren Analyse ist etwas anderes als die Banalität des Bösen in der spießbürgerlichen Politikwirklichkeit.

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    Puh… ja, die Beurteilung über den „Realismus“ von Borgen überlasse ich gerne Martin und Roland. Da wart/seid ihr einfach näher dran. Ich bin ja nur einfacher Fernsehzuschauer. 😉
    Ich würde Borgen tatsächlich eher mit „Veep“ oder (dem amerikanischen) „House of Cards“ vergleichen. Das eine natürlich eine komödiantisch-hysterische und das andere eine dystopische amerikanische Version politischer Ränke – und beide wurden von der Realität eingeholt. „Borgen“ ist tatsächlich „hyperrealistisch“ gezeichnet… und damit eher der europäische Wiedergänger von Aaron Sorkins epischen „The West Wing“ (1999) und weil es das hyggelige Dänemark beschreibt, um den Faktor 10 entschleunigt.
    In den ersten Staffeln ist mir die epische „deskriptive“ Erzählweise auch fast „zu langsam“. Da bin ich bei Martin. Schnellere Schnitte, kürzere Episoden hätten den Charakter der Serie aber so elementar verändert… es wäre eine vollkommen andere Erzählung.
    „Parlament“ ist tatsächlich ein öffentlich rechtlicher Geniestreich… aber eben auch eine vollkommen andere Geschichte. Denn dort ist der Mechanismus des Parlaments / der Politik zentral, die Wirklichkeit sozusagen als Realsatire, die Akteurinnen aber auch eher „Abziehbilder“ mit weit weniger persönlicher Backstory als Borgen für seine Charaktere erlaubt.
    Für jede:n etwas dabei! Wie schön! 😉

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    Update: Auch die letzten vier Folgen der (neuen!) 4.Staffel von Borgen sind nun in der Arte Mediathek verfügbar.

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